Es gibt auch eine mittlere Gattung: ahnende Weiber mit einzelnen scharfen Gedankenblitzen -- die geistreichen. Es kann scheinen, dieß wäre ja das Rechte. Aber da sie es zum Ordnen der Gedanken doch nicht bringen und da sie übrigens sehr gesalzen sind, so sind sie beunruhigend und öfter bös, als gut. -- Man kommt immer auf's Einfachste zurück: wünsche dir ein Weib, gut, wiewohl nicht dumm, verständig für die Welt, ahnungsstill in tieferen Dingen und dann etwa den Tagmenschen dummlich erscheinend, -- thut nichts --. Es wird auch solche geben, aber sie zu finden müßte man mehr Glück haben, als unsereiner, und übrigens ohnedieß -- o stille, an solche Sachen sollte ich gar nicht denken!
Im Elend dieser Zeiten, in dieser Aera der Kon¬ kordate, der Staaten, die ihre ganze Aufgabe darein setzen, "Feuerlöschanstalten" zu sein, des verrathenen Schleswig-Holsteins, des entehrten Preußens, des knaben¬ haften Gedankens, dafür in Neuenburg Lorbeeren zu holen, nun dieser Dinge in Italien, da Deutschland, Europa den Spieler in Frankreich groß und größer werden, sich ganz über den Kopf wachsen läßt, -- ich kann es einem Philistersmann nicht verdenken, wenn er auf's Heirathen verfällt, um sich in seine vier Wände warm einzuspinnen, und zu dem Zweck nun
Es gibt auch eine mittlere Gattung: ahnende Weiber mit einzelnen ſcharfen Gedankenblitzen — die geiſtreichen. Es kann ſcheinen, dieß wäre ja das Rechte. Aber da ſie es zum Ordnen der Gedanken doch nicht bringen und da ſie übrigens ſehr geſalzen ſind, ſo ſind ſie beunruhigend und öfter bös, als gut. — Man kommt immer auf's Einfachſte zurück: wünſche dir ein Weib, gut, wiewohl nicht dumm, verſtändig für die Welt, ahnungsſtill in tieferen Dingen und dann etwa den Tagmenſchen dummlich erſcheinend, — thut nichts —. Es wird auch ſolche geben, aber ſie zu finden müßte man mehr Glück haben, als unſereiner, und übrigens ohnedieß — o ſtille, an ſolche Sachen ſollte ich gar nicht denken!
Im Elend dieſer Zeiten, in dieſer Aera der Kon¬ kordate, der Staaten, die ihre ganze Aufgabe darein ſetzen, „Feuerlöſchanſtalten“ zu ſein, des verrathenen Schleswig-Holſteins, des entehrten Preußens, des knaben¬ haften Gedankens, dafür in Neuenburg Lorbeeren zu holen, nun dieſer Dinge in Italien, da Deutſchland, Europa den Spieler in Frankreich groß und größer werden, ſich ganz über den Kopf wachſen läßt, — ich kann es einem Philiſtersmann nicht verdenken, wenn er auf's Heirathen verfällt, um ſich in ſeine vier Wände warm einzuſpinnen, und zu dem Zweck nun
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Es gibt auch eine mittlere Gattung: ahnende
Weiber mit einzelnen ſcharfen Gedankenblitzen — die
geiſtreichen. Es kann ſcheinen, dieß wäre ja das Rechte.
Aber da ſie es zum Ordnen der Gedanken doch nicht
bringen und da ſie übrigens ſehr geſalzen ſind, ſo ſind
ſie beunruhigend und öfter bös, als gut. — Man
kommt immer auf's Einfachſte zurück: wünſche dir ein
Weib, gut, wiewohl nicht dumm, verſtändig für die
Welt, ahnungsſtill in tieferen Dingen und dann etwa
den Tagmenſchen dummlich erſcheinend, — thut nichts —.
Es wird auch ſolche geben, aber ſie zu finden müßte
man mehr Glück haben, als unſereiner, und übrigens
ohnedieß — o ſtille, an ſolche Sachen ſollte ich gar
nicht denken!
Im Elend dieſer Zeiten, in dieſer Aera der Kon¬
kordate, der Staaten, die ihre ganze Aufgabe darein
ſetzen, „Feuerlöſchanſtalten“ zu ſein, des verrathenen
Schleswig-Holſteins, des entehrten Preußens, des knaben¬
haften Gedankens, dafür in Neuenburg Lorbeeren zu
holen, nun dieſer Dinge in Italien, da Deutſchland,
Europa den Spieler in Frankreich groß und größer
werden, ſich ganz über den Kopf wachſen läßt, — ich
kann es einem Philiſtersmann nicht verdenken, wenn
er auf's Heirathen verfällt, um ſich in ſeine vier
Wände warm einzuſpinnen, und zu dem Zweck nun
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/250>, abgerufen am 24.11.2024.
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