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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879.

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er glaubte verwundet niederzustürzen, er röchelte wie
ein Sterbender. Endlich traten die ersten Symptome
der Genesung ein, Erik hatte von Anfang an vertraut,
daß der gute Schatz männlicher Kraft in seiner Natur
die starke Krankheit besiegen werde. Doch drückte ihn
eine dunkle Sorge: er befürchtete Schlimmes von dem
Moment, wo mit der völligen Helle des Bewußtseins
die Erinnerung des wirklich Geschehenen sich einstellen
müsse. Nur zu begründet war die Besorgniß; die
schwachen Versuche, dem Fragenden die Wahrheit zu
verhüllen, konnten nicht vorhalten, die tagende Besinnung
fand den Weg zum Ausgangspunkte seines Leidens,
die kaum erstarkenden Nerven hielten die Erschütterung
des furchtbaren Lichtanbruchs nicht aus: der Rückfall
war da. Erik's Kunst und Sorgfalt hat auch dieß
überwunden; doch nicht allein -- ihm stand jetzt eine
Gehülfin zur Seite. Es war seine junge Frau, es
war meine Tochter Cordelia. Ich hatte mein liebes
Kind dem Harrenden herübergebracht. Auf einen
dunkeln Grund war nun freilich das junge Glück der
Neuvermählten gesetzt. Aber nur um so reiner strahlte
der Edelstein dieses braven Gemüthes. Sie war ein¬
geweiht, hatte geschaudert, begriffen, verziehen, denn
das Element ihrer Seele war das Mitleid. Von den
Tagen an, wo der Kranke wieder bei klarem Bewußt¬
sein war, aber noch sehr matt niederlag, machte sie
tägliche Besuche bei ihm im Nebenhaus. Es war zu

er glaubte verwundet niederzuſtürzen, er röchelte wie
ein Sterbender. Endlich traten die erſten Symptome
der Geneſung ein, Erik hatte von Anfang an vertraut,
daß der gute Schatz männlicher Kraft in ſeiner Natur
die ſtarke Krankheit beſiegen werde. Doch drückte ihn
eine dunkle Sorge: er befürchtete Schlimmes von dem
Moment, wo mit der völligen Helle des Bewußtſeins
die Erinnerung des wirklich Geſchehenen ſich einſtellen
müſſe. Nur zu begründet war die Beſorgniß; die
ſchwachen Verſuche, dem Fragenden die Wahrheit zu
verhüllen, konnten nicht vorhalten, die tagende Beſinnung
fand den Weg zum Ausgangspunkte ſeines Leidens,
die kaum erſtarkenden Nerven hielten die Erſchütterung
des furchtbaren Lichtanbruchs nicht aus: der Rückfall
war da. Erik's Kunſt und Sorgfalt hat auch dieß
überwunden; doch nicht allein — ihm ſtand jetzt eine
Gehülfin zur Seite. Es war ſeine junge Frau, es
war meine Tochter Cordelia. Ich hatte mein liebes
Kind dem Harrenden herübergebracht. Auf einen
dunkeln Grund war nun freilich das junge Glück der
Neuvermählten geſetzt. Aber nur um ſo reiner ſtrahlte
der Edelſtein dieſes braven Gemüthes. Sie war ein¬
geweiht, hatte geſchaudert, begriffen, verziehen, denn
das Element ihrer Seele war das Mitleid. Von den
Tagen an, wo der Kranke wieder bei klarem Bewußt¬
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tägliche Beſuche bei ihm im Nebenhaus. Es war zu

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[204/0217] er glaubte verwundet niederzuſtürzen, er röchelte wie ein Sterbender. Endlich traten die erſten Symptome der Geneſung ein, Erik hatte von Anfang an vertraut, daß der gute Schatz männlicher Kraft in ſeiner Natur die ſtarke Krankheit beſiegen werde. Doch drückte ihn eine dunkle Sorge: er befürchtete Schlimmes von dem Moment, wo mit der völligen Helle des Bewußtſeins die Erinnerung des wirklich Geſchehenen ſich einſtellen müſſe. Nur zu begründet war die Beſorgniß; die ſchwachen Verſuche, dem Fragenden die Wahrheit zu verhüllen, konnten nicht vorhalten, die tagende Beſinnung fand den Weg zum Ausgangspunkte ſeines Leidens, die kaum erſtarkenden Nerven hielten die Erſchütterung des furchtbaren Lichtanbruchs nicht aus: der Rückfall war da. Erik's Kunſt und Sorgfalt hat auch dieß überwunden; doch nicht allein — ihm ſtand jetzt eine Gehülfin zur Seite. Es war ſeine junge Frau, es war meine Tochter Cordelia. Ich hatte mein liebes Kind dem Harrenden herübergebracht. Auf einen dunkeln Grund war nun freilich das junge Glück der Neuvermählten geſetzt. Aber nur um ſo reiner ſtrahlte der Edelſtein dieſes braven Gemüthes. Sie war ein¬ geweiht, hatte geſchaudert, begriffen, verziehen, denn das Element ihrer Seele war das Mitleid. Von den Tagen an, wo der Kranke wieder bei klarem Bewußt¬ ſein war, aber noch ſehr matt niederlag, machte ſie tägliche Beſuche bei ihm im Nebenhaus. Es war zu

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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/217>, abgerufen am 24.11.2024.