stürzen, die blitzende Waffe ist ihm in die Hüfte ge¬ fahren, ein Blutstrahl spritzt aus der Wunde, der Schreck weckt mich auf und erwacht meine ich noch mein Stöhnen im Traume zu hören.
Am Morgen darauf hatte ich eine kleine Reise anzutreten in der Richtung gegen Süden. Ich stand auf dem Perron eines Bahnhofs und sah die Leute in einen Zug einsteigen, der, von oben kommend, einen kurzen Halt gemacht hatte. Das Zeichen zur Weiter¬ fahrt war schon gegeben, als ich einen Mann, der sich etwas verspätet hatte, dem Wagen zueilen sah. Er erreichte ihn noch, blieb aber mit der Brusttasche seines nur umgeworfnen Ueberrocks im Griff der Wagenthüre hängen; ich hörte einen heftigen Fluch und sah zugleich, wie der Fremde einen zornigen, so gewaltsamen Ruck mit seinem Kleide that, daß die Tasche rieß: man hörte trotz dem Prusten des Dampfrohrs die Nähte krachen und der Inhalt rollte über den Wagentritt auf die Schienen und über sie hinweg bis an die Grenze des Perrons. Inzwischen war der Mann im Wagen ver¬ schwunden und der Zug fortgesaust. Ich war seiner nur von hinten ansichtig geworden, aber Gestalt und Bewegung waren mir bekannt vorgekommen, die Stimme, der Fluch und das ungeduldige Reißen kamen mir noch bekannter vor; jetzt beeilte ich mich, die Sachen aufzu¬ nehmen; es war eine Brieftasche und eine Cigarren¬ spitze; mit dem ersten Blick erkannte ich diese Dinge
ſtürzen, die blitzende Waffe iſt ihm in die Hüfte ge¬ fahren, ein Blutſtrahl ſpritzt aus der Wunde, der Schreck weckt mich auf und erwacht meine ich noch mein Stöhnen im Traume zu hören.
Am Morgen darauf hatte ich eine kleine Reiſe anzutreten in der Richtung gegen Süden. Ich ſtand auf dem Perron eines Bahnhofs und ſah die Leute in einen Zug einſteigen, der, von oben kommend, einen kurzen Halt gemacht hatte. Das Zeichen zur Weiter¬ fahrt war ſchon gegeben, als ich einen Mann, der ſich etwas verſpätet hatte, dem Wagen zueilen ſah. Er erreichte ihn noch, blieb aber mit der Bruſttaſche ſeines nur umgeworfnen Ueberrocks im Griff der Wagenthüre hängen; ich hörte einen heftigen Fluch und ſah zugleich, wie der Fremde einen zornigen, ſo gewaltſamen Ruck mit ſeinem Kleide that, daß die Taſche rieß: man hörte trotz dem Pruſten des Dampfrohrs die Nähte krachen und der Inhalt rollte über den Wagentritt auf die Schienen und über ſie hinweg bis an die Grenze des Perrons. Inzwiſchen war der Mann im Wagen ver¬ ſchwunden und der Zug fortgeſauſt. Ich war ſeiner nur von hinten anſichtig geworden, aber Geſtalt und Bewegung waren mir bekannt vorgekommen, die Stimme, der Fluch und das ungeduldige Reißen kamen mir noch bekannter vor; jetzt beeilte ich mich, die Sachen aufzu¬ nehmen; es war eine Brieftaſche und eine Cigarren¬ ſpitze; mit dem erſten Blick erkannte ich dieſe Dinge
<TEI><text><body><p><pbfacs="#f0020"n="7"/>ſtürzen, die blitzende Waffe iſt ihm in die Hüfte ge¬<lb/>
fahren, ein Blutſtrahl ſpritzt aus der Wunde, der<lb/>
Schreck weckt mich auf und erwacht meine ich noch<lb/>
mein Stöhnen im Traume zu hören.</p><lb/><p>Am Morgen darauf hatte ich eine kleine Reiſe<lb/>
anzutreten in der Richtung gegen Süden. Ich ſtand<lb/>
auf dem Perron eines Bahnhofs und ſah die Leute<lb/>
in einen Zug einſteigen, der, von oben kommend, einen<lb/>
kurzen Halt gemacht hatte. Das Zeichen zur Weiter¬<lb/>
fahrt war ſchon gegeben, als ich einen Mann, der ſich<lb/>
etwas verſpätet hatte, dem Wagen zueilen ſah. Er<lb/>
erreichte ihn noch, blieb aber mit der Bruſttaſche ſeines<lb/>
nur umgeworfnen Ueberrocks im Griff der Wagenthüre<lb/>
hängen; ich hörte einen heftigen Fluch und ſah zugleich,<lb/>
wie der Fremde einen zornigen, ſo gewaltſamen Ruck<lb/>
mit ſeinem Kleide that, daß die Taſche rieß: man hörte<lb/>
trotz dem Pruſten des Dampfrohrs die Nähte krachen<lb/>
und der Inhalt rollte über den Wagentritt auf die<lb/>
Schienen und über ſie hinweg bis an die Grenze des<lb/>
Perrons. Inzwiſchen war der Mann im Wagen ver¬<lb/>ſchwunden und der Zug fortgeſauſt. Ich war ſeiner<lb/>
nur von hinten anſichtig geworden, aber Geſtalt und<lb/>
Bewegung waren mir bekannt vorgekommen, die Stimme,<lb/>
der Fluch und das ungeduldige Reißen kamen mir noch<lb/>
bekannter vor; jetzt beeilte ich mich, die Sachen aufzu¬<lb/>
nehmen; es war eine Brieftaſche und eine Cigarren¬<lb/>ſpitze; mit dem erſten Blick erkannte ich dieſe Dinge<lb/></p></body></text></TEI>
[7/0020]
ſtürzen, die blitzende Waffe iſt ihm in die Hüfte ge¬
fahren, ein Blutſtrahl ſpritzt aus der Wunde, der
Schreck weckt mich auf und erwacht meine ich noch
mein Stöhnen im Traume zu hören.
Am Morgen darauf hatte ich eine kleine Reiſe
anzutreten in der Richtung gegen Süden. Ich ſtand
auf dem Perron eines Bahnhofs und ſah die Leute
in einen Zug einſteigen, der, von oben kommend, einen
kurzen Halt gemacht hatte. Das Zeichen zur Weiter¬
fahrt war ſchon gegeben, als ich einen Mann, der ſich
etwas verſpätet hatte, dem Wagen zueilen ſah. Er
erreichte ihn noch, blieb aber mit der Bruſttaſche ſeines
nur umgeworfnen Ueberrocks im Griff der Wagenthüre
hängen; ich hörte einen heftigen Fluch und ſah zugleich,
wie der Fremde einen zornigen, ſo gewaltſamen Ruck
mit ſeinem Kleide that, daß die Taſche rieß: man hörte
trotz dem Pruſten des Dampfrohrs die Nähte krachen
und der Inhalt rollte über den Wagentritt auf die
Schienen und über ſie hinweg bis an die Grenze des
Perrons. Inzwiſchen war der Mann im Wagen ver¬
ſchwunden und der Zug fortgeſauſt. Ich war ſeiner
nur von hinten anſichtig geworden, aber Geſtalt und
Bewegung waren mir bekannt vorgekommen, die Stimme,
der Fluch und das ungeduldige Reißen kamen mir noch
bekannter vor; jetzt beeilte ich mich, die Sachen aufzu¬
nehmen; es war eine Brieftaſche und eine Cigarren¬
ſpitze; mit dem erſten Blick erkannte ich dieſe Dinge
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/20>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.