Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879.

Bild:
<< vorherige Seite

Draußen am Lerfoß gewesen, eine Gesellschaft ge¬
troffen aus Christiania, wobei ein Prachtweib, groß,
durchaus stylvoll gebaut. Weg, will nichts davon!
Will kein Rasseweib mehr sehen! Es ist ein Elend,
daß unser Einem kein Weibesgebild gefallen kann,
wo der Teig sitzen geblieben; bei den Rasseweibern ist
er gut gegangen, aber der Teufel hat den Herd
geheizt.


Sammlung wächst, wenn ich nicht ganz irre.
Glaube mich auch gewappnet gegen die heißen und
plastischen Weiber in Italien. Muß nun doch bald
hin, dort Heilung vollenden. Noch eine, zwei Wochen
vorher lateinische Klassiker lesen, wird gut thun. Ob¬
jektive Sprache; wird kühlen. Dann auf und hin
zum Süden!


Die Träume sind mir doch noch gefährlich. Diese
Nacht vor Einschlafen surrt mir der letzte Vers des
Gewittergedichts im Ohr. Träumt mir, das getränkte
Erdreich öffne sich und ihm entsteige ein nacktes Pracht¬
gebilde. "Dieß ist nicht das Meer," sage ich, "du
bist nicht Anadyomene." Sie nickt, ich meine das
schöne Weib zu erkennen, das ich draußen am Lerfoß
gesehen. "Laß mich!" rufe ich. "Komm'," flüstert sie,

Draußen am Lerfoß geweſen, eine Geſellſchaft ge¬
troffen aus Chriſtiania, wobei ein Prachtweib, groß,
durchaus ſtylvoll gebaut. Weg, will nichts davon!
Will kein Raſſeweib mehr ſehen! Es iſt ein Elend,
daß unſer Einem kein Weibesgebild gefallen kann,
wo der Teig ſitzen geblieben; bei den Raſſeweibern iſt
er gut gegangen, aber der Teufel hat den Herd
geheizt.


Sammlung wächst, wenn ich nicht ganz irre.
Glaube mich auch gewappnet gegen die heißen und
plaſtiſchen Weiber in Italien. Muß nun doch bald
hin, dort Heilung vollenden. Noch eine, zwei Wochen
vorher lateiniſche Klaſſiker leſen, wird gut thun. Ob¬
jektive Sprache; wird kühlen. Dann auf und hin
zum Süden!


Die Träume ſind mir doch noch gefährlich. Dieſe
Nacht vor Einſchlafen ſurrt mir der letzte Vers des
Gewittergedichts im Ohr. Träumt mir, das getränkte
Erdreich öffne ſich und ihm entſteige ein nacktes Pracht¬
gebilde. „Dieß iſt nicht das Meer,“ ſage ich, „du
biſt nicht Anadyomene.“ Sie nickt, ich meine das
ſchöne Weib zu erkennen, das ich draußen am Lerfoß
geſehen. „Laß mich!“ rufe ich. „Komm',“ flüſtert ſie,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <pb facs="#f0198" n="185"/>
        <p>Draußen am Lerfoß gewe&#x017F;en, eine Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft ge¬<lb/>
troffen aus Chri&#x017F;tiania, wobei ein Prachtweib, groß,<lb/>
durchaus &#x017F;tylvoll gebaut. Weg, will nichts davon!<lb/>
Will kein Ra&#x017F;&#x017F;eweib mehr &#x017F;ehen! Es i&#x017F;t ein Elend,<lb/>
daß un&#x017F;er Einem kein Weibesgebild gefallen kann,<lb/>
wo der Teig &#x017F;itzen geblieben; bei den Ra&#x017F;&#x017F;eweibern i&#x017F;t<lb/>
er gut gegangen, aber der Teufel hat den Herd<lb/>
geheizt.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p>Sammlung wächst, wenn ich nicht ganz irre.<lb/>
Glaube mich auch gewappnet gegen die heißen und<lb/>
pla&#x017F;ti&#x017F;chen Weiber in Italien. Muß nun doch bald<lb/>
hin, dort Heilung vollenden. Noch eine, zwei Wochen<lb/>
vorher lateini&#x017F;che Kla&#x017F;&#x017F;iker le&#x017F;en, wird gut thun. Ob¬<lb/>
jektive Sprache; wird kühlen. Dann auf und hin<lb/>
zum Süden!</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p>Die Träume &#x017F;ind mir doch noch gefährlich. Die&#x017F;e<lb/>
Nacht vor Ein&#x017F;chlafen &#x017F;urrt mir der letzte Vers des<lb/>
Gewittergedichts im Ohr. Träumt mir, das getränkte<lb/>
Erdreich öffne &#x017F;ich und ihm ent&#x017F;teige ein nacktes Pracht¬<lb/>
gebilde. &#x201E;Dieß i&#x017F;t nicht das Meer,&#x201C; &#x017F;age ich, &#x201E;du<lb/>
bi&#x017F;t nicht Anadyomene.&#x201C; Sie nickt, ich meine das<lb/>
&#x017F;chöne Weib zu erkennen, das ich draußen am Lerfoß<lb/>
ge&#x017F;ehen. &#x201E;Laß mich!&#x201C; rufe ich. &#x201E;Komm',&#x201C; flü&#x017F;tert &#x017F;ie,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[185/0198] Draußen am Lerfoß geweſen, eine Geſellſchaft ge¬ troffen aus Chriſtiania, wobei ein Prachtweib, groß, durchaus ſtylvoll gebaut. Weg, will nichts davon! Will kein Raſſeweib mehr ſehen! Es iſt ein Elend, daß unſer Einem kein Weibesgebild gefallen kann, wo der Teig ſitzen geblieben; bei den Raſſeweibern iſt er gut gegangen, aber der Teufel hat den Herd geheizt. Sammlung wächst, wenn ich nicht ganz irre. Glaube mich auch gewappnet gegen die heißen und plaſtiſchen Weiber in Italien. Muß nun doch bald hin, dort Heilung vollenden. Noch eine, zwei Wochen vorher lateiniſche Klaſſiker leſen, wird gut thun. Ob¬ jektive Sprache; wird kühlen. Dann auf und hin zum Süden! Die Träume ſind mir doch noch gefährlich. Dieſe Nacht vor Einſchlafen ſurrt mir der letzte Vers des Gewittergedichts im Ohr. Träumt mir, das getränkte Erdreich öffne ſich und ihm entſteige ein nacktes Pracht¬ gebilde. „Dieß iſt nicht das Meer,“ ſage ich, „du biſt nicht Anadyomene.“ Sie nickt, ich meine das ſchöne Weib zu erkennen, das ich draußen am Lerfoß geſehen. „Laß mich!“ rufe ich. „Komm',“ flüſtert ſie,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/198
Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/198>, abgerufen am 23.11.2024.