Der Hochmuth und der Sklavensinn, Die sind in Einer Schublad' drin.
Den ersten habe ich zu wenig bekämpft, den zweiten nie benützen mögen. Ach, in der Liebe, meint man ja, gelte nur Ein Gesetz: unendlich gut sein!
Vertrakte Zufälle führen mich ganz gegen meinen Sinn und Geschmack an eine Table d'hote. Rede nach Gewohnheit, weil ich in der Jugend für meine Zu¬ thulichkeit gar so schwer Lehrgeld gegeben, am Wirths¬ tisch überhaupt nichts, außer wenn Nachbarn mit mir anfangen. Alles schweigt, nur da und dort kurze ge¬ dämpfte Gespräche. Dauert zwei Stunden, hab's Eine ausgehalten, weil erst nach einer Stunde das Stückchen Braten kam, das gesunde Nahrung. Dann fort. -- Unendlich rohe und gemeine Sitte, zwei Stunden lang stumm fressen, den Magen vollstopfen. Kuh an der Raufe frißt gebildeter.
Wieder hinaus in die Berge. Etwas erfrischt. Rothmützige, dunkelbraune, schmalaugige Lappen ge¬ sehen, Rennthiere weidend. Die haben's gut, still bei den stillen Thieren mit den sanften Augen. Fressen auch beide an keiner Table d'hote.
Der Hochmuth und der Sklavenſinn, Die ſind in Einer Schublad' drin.
Den erſten habe ich zu wenig bekämpft, den zweiten nie benützen mögen. Ach, in der Liebe, meint man ja, gelte nur Ein Geſetz: unendlich gut ſein!
Vertrakte Zufälle führen mich ganz gegen meinen Sinn und Geſchmack an eine Table d'hôte. Rede nach Gewohnheit, weil ich in der Jugend für meine Zu¬ thulichkeit gar ſo ſchwer Lehrgeld gegeben, am Wirths¬ tiſch überhaupt nichts, außer wenn Nachbarn mit mir anfangen. Alles ſchweigt, nur da und dort kurze ge¬ dämpfte Geſpräche. Dauert zwei Stunden, hab's Eine ausgehalten, weil erſt nach einer Stunde das Stückchen Braten kam, das geſunde Nahrung. Dann fort. — Unendlich rohe und gemeine Sitte, zwei Stunden lang ſtumm freſſen, den Magen vollſtopfen. Kuh an der Raufe frißt gebildeter.
Wieder hinaus in die Berge. Etwas erfriſcht. Rothmützige, dunkelbraune, ſchmalaugige Lappen ge¬ ſehen, Rennthiere weidend. Die haben's gut, ſtill bei den ſtillen Thieren mit den ſanften Augen. Freſſen auch beide an keiner Table d'hôte.
<TEI><text><body><div><pbfacs="#f0192"n="179"/><lgtype="poem"><l>Der Hochmuth und der Sklavenſinn,</l><lb/><l>Die ſind in Einer Schublad' drin.</l><lb/></lg><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Den erſten habe ich zu wenig bekämpft, den zweiten<lb/>
nie benützen mögen. Ach, in der Liebe, meint man<lb/>
ja, gelte nur Ein Geſetz: unendlich gut ſein!</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Vertrakte Zufälle führen mich ganz gegen meinen<lb/>
Sinn und Geſchmack an eine Table d'h<hirendition="#aq">ô</hi>te. Rede nach<lb/>
Gewohnheit, weil ich in der Jugend für meine Zu¬<lb/>
thulichkeit gar ſo ſchwer Lehrgeld gegeben, am Wirths¬<lb/>
tiſch überhaupt nichts, außer wenn Nachbarn mit mir<lb/>
anfangen. Alles ſchweigt, nur da und dort kurze ge¬<lb/>
dämpfte Geſpräche. Dauert zwei Stunden, hab's Eine<lb/>
ausgehalten, weil erſt nach einer Stunde das Stückchen<lb/>
Braten kam, das geſunde Nahrung. Dann fort. —<lb/>
Unendlich rohe und gemeine Sitte, zwei Stunden lang<lb/>ſtumm freſſen, den Magen vollſtopfen. Kuh an der<lb/>
Raufe frißt gebildeter.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Wieder hinaus in die Berge. Etwas erfriſcht.<lb/>
Rothmützige, dunkelbraune, ſchmalaugige Lappen ge¬<lb/>ſehen, Rennthiere weidend. Die haben's gut, ſtill bei<lb/>
den ſtillen Thieren mit den ſanften Augen. Freſſen<lb/>
auch beide an keiner Table d'h<hirendition="#aq">ô</hi>te.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></body></text></TEI>
[179/0192]
Der Hochmuth und der Sklavenſinn,
Die ſind in Einer Schublad' drin.
Den erſten habe ich zu wenig bekämpft, den zweiten
nie benützen mögen. Ach, in der Liebe, meint man
ja, gelte nur Ein Geſetz: unendlich gut ſein!
Vertrakte Zufälle führen mich ganz gegen meinen
Sinn und Geſchmack an eine Table d'hôte. Rede nach
Gewohnheit, weil ich in der Jugend für meine Zu¬
thulichkeit gar ſo ſchwer Lehrgeld gegeben, am Wirths¬
tiſch überhaupt nichts, außer wenn Nachbarn mit mir
anfangen. Alles ſchweigt, nur da und dort kurze ge¬
dämpfte Geſpräche. Dauert zwei Stunden, hab's Eine
ausgehalten, weil erſt nach einer Stunde das Stückchen
Braten kam, das geſunde Nahrung. Dann fort. —
Unendlich rohe und gemeine Sitte, zwei Stunden lang
ſtumm freſſen, den Magen vollſtopfen. Kuh an der
Raufe frißt gebildeter.
Wieder hinaus in die Berge. Etwas erfriſcht.
Rothmützige, dunkelbraune, ſchmalaugige Lappen ge¬
ſehen, Rennthiere weidend. Die haben's gut, ſtill bei
den ſtillen Thieren mit den ſanften Augen. Freſſen
auch beide an keiner Table d'hôte.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/192>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.