Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879.

Bild:
<< vorherige Seite

Ernst, und derlei mehr. Ich sag' ihr, das Wort
habe sie aus einem Brief Wilh. Schlegel's aufge¬
schnappt, der sei aber auch schon tief genug im Lügen¬
quark gesteckt, nahe genug am Versinken, verlogenes
Pack sei das ganze Gelichter gewesen -- Wahrhaftig¬
keit, rufe ich, Wahrhaftigkeit! mit gehobenem Finger.
Sie wird schnell bös, fährt vom Sessel auf, ruft mit
Furienblick: Prediger! -- und dabei in der kurzen
Bewegung ein Rauschen der Kleider, so stark wie bei
sausendem Fluge. -- Wenn das Stachelschwein drohen
will, so treibt es den Wald seiner Kiele auf, man
vernimmt dabei ein Rauschen, viel zu stark, als daß
es aus dem Aneinanderschlagen der vielen Hornspieße
erklärt werden könnte, das Thier vermag Luft in die
Röhren dieser Organe zu treiben, um durch den winds¬
brautähnlichen Ton den Feind zu schrecken. Eine ähn¬
liche Vorrichtung müssen die dämonischen Weiber in
den Poren haben, um bei heftigem Aufzucken Luft in
ihre Gewänder zu pumpen, daß sie geisterhaft rauschen
und sausen. -- Sie wird mir physiologisch unheim¬
lich, monströs. Und der Zorn, weil ich an Wahr¬
haftigkeit mahne! Weiß, warum so beleidigt. Dieß
Weib ist nicht wahr.


Tagelang wieder gemieden. Gestern Nacht am
Haus hin und her gestreift. Sie sang. Das Olaf's¬

Ernſt, und derlei mehr. Ich ſag' ihr, das Wort
habe ſie aus einem Brief Wilh. Schlegel's aufge¬
ſchnappt, der ſei aber auch ſchon tief genug im Lügen¬
quark geſteckt, nahe genug am Verſinken, verlogenes
Pack ſei das ganze Gelichter geweſen — Wahrhaftig¬
keit, rufe ich, Wahrhaftigkeit! mit gehobenem Finger.
Sie wird ſchnell bös, fährt vom Seſſel auf, ruft mit
Furienblick: Prediger! — und dabei in der kurzen
Bewegung ein Rauſchen der Kleider, ſo ſtark wie bei
ſauſendem Fluge. — Wenn das Stachelſchwein drohen
will, ſo treibt es den Wald ſeiner Kiele auf, man
vernimmt dabei ein Rauſchen, viel zu ſtark, als daß
es aus dem Aneinanderſchlagen der vielen Hornſpieße
erklärt werden könnte, das Thier vermag Luft in die
Röhren dieſer Organe zu treiben, um durch den winds¬
brautähnlichen Ton den Feind zu ſchrecken. Eine ähn¬
liche Vorrichtung müſſen die dämoniſchen Weiber in
den Poren haben, um bei heftigem Aufzucken Luft in
ihre Gewänder zu pumpen, daß ſie geiſterhaft rauſchen
und ſauſen. — Sie wird mir phyſiologiſch unheim¬
lich, monſtrös. Und der Zorn, weil ich an Wahr¬
haftigkeit mahne! Weiß, warum ſo beleidigt. Dieß
Weib iſt nicht wahr.


Tagelang wieder gemieden. Geſtern Nacht am
Haus hin und her geſtreift. Sie ſang. Das Olaf's¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0184" n="171"/>
Ern&#x017F;t, und derlei mehr. Ich &#x017F;ag' ihr, das Wort<lb/>
habe &#x017F;ie aus einem Brief Wilh. Schlegel's aufge¬<lb/>
&#x017F;chnappt, der &#x017F;ei aber auch &#x017F;chon tief genug im Lügen¬<lb/>
quark ge&#x017F;teckt, nahe genug am Ver&#x017F;inken, verlogenes<lb/>
Pack &#x017F;ei das ganze Gelichter gewe&#x017F;en &#x2014; Wahrhaftig¬<lb/>
keit, rufe ich, Wahrhaftigkeit! mit gehobenem Finger.<lb/>
Sie wird &#x017F;chnell bös, fährt vom Se&#x017F;&#x017F;el auf, ruft mit<lb/>
Furienblick: Prediger! &#x2014; und dabei in der kurzen<lb/>
Bewegung ein Rau&#x017F;chen der Kleider, &#x017F;o &#x017F;tark wie bei<lb/>
&#x017F;au&#x017F;endem Fluge. &#x2014; Wenn das Stachel&#x017F;chwein drohen<lb/>
will, &#x017F;o treibt es den Wald &#x017F;einer Kiele auf, man<lb/>
vernimmt dabei ein Rau&#x017F;chen, viel zu &#x017F;tark, als daß<lb/>
es aus dem Aneinander&#x017F;chlagen der vielen Horn&#x017F;pieße<lb/>
erklärt werden könnte, das Thier vermag Luft in die<lb/>
Röhren die&#x017F;er Organe zu treiben, um durch den winds¬<lb/>
brautähnlichen Ton den Feind zu &#x017F;chrecken. Eine ähn¬<lb/>
liche Vorrichtung mü&#x017F;&#x017F;en die dämoni&#x017F;chen Weiber in<lb/>
den Poren haben, um bei heftigem Aufzucken Luft in<lb/>
ihre Gewänder zu pumpen, daß &#x017F;ie gei&#x017F;terhaft rau&#x017F;chen<lb/>
und &#x017F;au&#x017F;en. &#x2014; Sie wird mir phy&#x017F;iologi&#x017F;ch unheim¬<lb/>
lich, mon&#x017F;trös. Und der Zorn, weil ich an Wahr¬<lb/>
haftigkeit mahne! Weiß, warum &#x017F;o beleidigt. Dieß<lb/>
Weib i&#x017F;t nicht wahr.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p>Tagelang wieder gemieden. Ge&#x017F;tern Nacht am<lb/>
Haus hin und her ge&#x017F;treift. Sie &#x017F;ang. Das Olaf's¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[171/0184] Ernſt, und derlei mehr. Ich ſag' ihr, das Wort habe ſie aus einem Brief Wilh. Schlegel's aufge¬ ſchnappt, der ſei aber auch ſchon tief genug im Lügen¬ quark geſteckt, nahe genug am Verſinken, verlogenes Pack ſei das ganze Gelichter geweſen — Wahrhaftig¬ keit, rufe ich, Wahrhaftigkeit! mit gehobenem Finger. Sie wird ſchnell bös, fährt vom Seſſel auf, ruft mit Furienblick: Prediger! — und dabei in der kurzen Bewegung ein Rauſchen der Kleider, ſo ſtark wie bei ſauſendem Fluge. — Wenn das Stachelſchwein drohen will, ſo treibt es den Wald ſeiner Kiele auf, man vernimmt dabei ein Rauſchen, viel zu ſtark, als daß es aus dem Aneinanderſchlagen der vielen Hornſpieße erklärt werden könnte, das Thier vermag Luft in die Röhren dieſer Organe zu treiben, um durch den winds¬ brautähnlichen Ton den Feind zu ſchrecken. Eine ähn¬ liche Vorrichtung müſſen die dämoniſchen Weiber in den Poren haben, um bei heftigem Aufzucken Luft in ihre Gewänder zu pumpen, daß ſie geiſterhaft rauſchen und ſauſen. — Sie wird mir phyſiologiſch unheim¬ lich, monſtrös. Und der Zorn, weil ich an Wahr¬ haftigkeit mahne! Weiß, warum ſo beleidigt. Dieß Weib iſt nicht wahr. Tagelang wieder gemieden. Geſtern Nacht am Haus hin und her geſtreift. Sie ſang. Das Olaf's¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/184
Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/184>, abgerufen am 22.11.2024.