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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879.

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Tage lang; will sichtbar mich doch eifersüchtig machen.
Wie hat sie gestern Dyring's Locken gestreichelt, mit
Arnhelm geäugelt!


Größere gewählte Gesellschaft in ihren Zimmern.
Verehrer, einige Damen. Ihr Wesen vornehm, takt¬
voll unbefangen, das ganze Benehmen jene gesellige
Kunst, die Natur ist. -- Singt alte Balladen, auch
die Olafballade wieder. Dabei Blick nach mir her,
wie damals, Blitz im Auge. Dann Vorlesung aus
Antigone. Dann Odyssee: Gesang von der Nausikaa.
Sie hat nach deutschen Uebersetzungen mit Dyring's
Hülfe gut in's Schwedische übersetzt. Liest abwechselnd
mit ihm vor. Er singend, langweilig, sie mit
ganzem Kothurngefühl, und wie mächtig das Leiden¬
schaftliche in der Tragödie, wie rein und gehalten das
Gefühlte im Epos! -- Dann Tanz. Der Arnhelm
nimmt sie doch sehr eng um den Leib. Sie tanzt
auf Verlangen Solo. Pompejanische Tänzerin, --
man meint, wie damals in Hardanger, sie werde jetzt
aufschweben. Ich muß mich abwenden, mir wird
unheimlich. Jetzt heißer und heißer, wieder die sau¬
senden Tarantellakreise. Klatschen, Beifallstumult --
inzwischen -- sollte ich mich getäuscht haben? -- wie
sie athmend stillsteht, -- ein Blick zu Dyring hinüber,
der am Klavier sitzt -- von ihm herüber -- über

Tage lang; will ſichtbar mich doch eiferſüchtig machen.
Wie hat ſie geſtern Dyring's Locken geſtreichelt, mit
Arnhelm geäugelt!


Größere gewählte Geſellſchaft in ihren Zimmern.
Verehrer, einige Damen. Ihr Weſen vornehm, takt¬
voll unbefangen, das ganze Benehmen jene geſellige
Kunſt, die Natur iſt. — Singt alte Balladen, auch
die Olafballade wieder. Dabei Blick nach mir her,
wie damals, Blitz im Auge. Dann Vorleſung aus
Antigone. Dann Odyſſee: Geſang von der Nauſikaa.
Sie hat nach deutſchen Ueberſetzungen mit Dyring's
Hülfe gut in's Schwediſche überſetzt. Liest abwechſelnd
mit ihm vor. Er ſingend, langweilig, ſie mit
ganzem Kothurngefühl, und wie mächtig das Leiden¬
ſchaftliche in der Tragödie, wie rein und gehalten das
Gefühlte im Epos! — Dann Tanz. Der Arnhelm
nimmt ſie doch ſehr eng um den Leib. Sie tanzt
auf Verlangen Solo. Pompejaniſche Tänzerin, —
man meint, wie damals in Hardanger, ſie werde jetzt
aufſchweben. Ich muß mich abwenden, mir wird
unheimlich. Jetzt heißer und heißer, wieder die ſau¬
ſenden Tarantellakreiſe. Klatſchen, Beifallstumult —
inzwiſchen — ſollte ich mich getäuſcht haben? — wie
ſie athmend ſtillſteht, — ein Blick zu Dyring hinüber,
der am Klavier ſitzt — von ihm herüber — über

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[165/0178] Tage lang; will ſichtbar mich doch eiferſüchtig machen. Wie hat ſie geſtern Dyring's Locken geſtreichelt, mit Arnhelm geäugelt! Größere gewählte Geſellſchaft in ihren Zimmern. Verehrer, einige Damen. Ihr Weſen vornehm, takt¬ voll unbefangen, das ganze Benehmen jene geſellige Kunſt, die Natur iſt. — Singt alte Balladen, auch die Olafballade wieder. Dabei Blick nach mir her, wie damals, Blitz im Auge. Dann Vorleſung aus Antigone. Dann Odyſſee: Geſang von der Nauſikaa. Sie hat nach deutſchen Ueberſetzungen mit Dyring's Hülfe gut in's Schwediſche überſetzt. Liest abwechſelnd mit ihm vor. Er ſingend, langweilig, ſie mit ganzem Kothurngefühl, und wie mächtig das Leiden¬ ſchaftliche in der Tragödie, wie rein und gehalten das Gefühlte im Epos! — Dann Tanz. Der Arnhelm nimmt ſie doch ſehr eng um den Leib. Sie tanzt auf Verlangen Solo. Pompejaniſche Tänzerin, — man meint, wie damals in Hardanger, ſie werde jetzt aufſchweben. Ich muß mich abwenden, mir wird unheimlich. Jetzt heißer und heißer, wieder die ſau¬ ſenden Tarantellakreiſe. Klatſchen, Beifallstumult — inzwiſchen — ſollte ich mich getäuſcht haben? — wie ſie athmend ſtillſteht, — ein Blick zu Dyring hinüber, der am Klavier ſitzt — von ihm herüber — über

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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/178>, abgerufen am 28.11.2024.