fliegt wieder nach mir hin, dann beginnt sie, während der Wind in ihren Goldlocken wühlt, daß sie bald langgezogen in der Luft spielen, bald wellig mit auf¬ schimmernden Lichtern das stolzgehobene Haupt um¬ wogen. Stimme gegen Alt hin, düstre Melodie:
"Herr Olaf reitet im weichen Sand, Im Wellenschaum am Meeresstrand. Merk' auf, Herr Olaf!
Die Woge spritzet, die Woge rauscht. Was klinget dazwischen? Herr Olaf lauscht. Merk' auf, Herr Olaf!
,Komm', Olaf, zu mir, komm', steige vom Roß! Komm' zu mir herab in mein grünes Schloß!' Merk' auf, Herr Olaf!
Es singet so süß, es locket so laut. Er vergißt zu Hause die treue Braut. Merk' auf, Herr Olaf!
Er spornt seinen Rappen in's Meer hinein. Die Sonne geht unter in rothem Schein. Merk' auf, Herr Olaf!"
Sie ruhte einen Augenblick. Die letzten Töne hallten lang nach an den Felswänden. Weithin hörte man das Rauschen der schäumenden Brandungen. Mitten aus ihnen schien mir jetzt die verhallende Menschen¬ stimme entgegenzukommen, ein Geisterlaut. Mir schwin¬ delte in tiefster Seele. Sie schaute zurück und ihr
Vischer, Auch Einer. II. 10
fliegt wieder nach mir hin, dann beginnt ſie, während der Wind in ihren Goldlocken wühlt, daß ſie bald langgezogen in der Luft ſpielen, bald wellig mit auf¬ ſchimmernden Lichtern das ſtolzgehobene Haupt um¬ wogen. Stimme gegen Alt hin, düſtre Melodie:
„Herr Olaf reitet im weichen Sand, Im Wellenſchaum am Meeresſtrand. Merk' auf, Herr Olaf!
Die Woge ſpritzet, die Woge rauſcht. Was klinget dazwiſchen? Herr Olaf lauſcht. Merk' auf, Herr Olaf!
‚Komm', Olaf, zu mir, komm', ſteige vom Roß! Komm' zu mir herab in mein grünes Schloß!' Merk' auf, Herr Olaf!
Es ſinget ſo ſüß, es locket ſo laut. Er vergißt zu Hauſe die treue Braut. Merk' auf, Herr Olaf!
Er ſpornt ſeinen Rappen in's Meer hinein. Die Sonne geht unter in rothem Schein. Merk' auf, Herr Olaf!“
Sie ruhte einen Augenblick. Die letzten Töne hallten lang nach an den Felswänden. Weithin hörte man das Rauſchen der ſchäumenden Brandungen. Mitten aus ihnen ſchien mir jetzt die verhallende Menſchen¬ ſtimme entgegenzukommen, ein Geiſterlaut. Mir ſchwin¬ delte in tiefſter Seele. Sie ſchaute zurück und ihr
Viſcher, Auch Einer. II. 10
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fliegt wieder nach mir hin, dann beginnt ſie, während
der Wind in ihren Goldlocken wühlt, daß ſie bald
langgezogen in der Luft ſpielen, bald wellig mit auf¬
ſchimmernden Lichtern das ſtolzgehobene Haupt um¬
wogen. Stimme gegen Alt hin, düſtre Melodie:
„Herr Olaf reitet im weichen Sand,
Im Wellenſchaum am Meeresſtrand.
Merk' auf, Herr Olaf!
Die Woge ſpritzet, die Woge rauſcht.
Was klinget dazwiſchen? Herr Olaf lauſcht.
Merk' auf, Herr Olaf!
‚Komm', Olaf, zu mir, komm', ſteige vom Roß!
Komm' zu mir herab in mein grünes Schloß!'
Merk' auf, Herr Olaf!
Es ſinget ſo ſüß, es locket ſo laut.
Er vergißt zu Hauſe die treue Braut.
Merk' auf, Herr Olaf!
Er ſpornt ſeinen Rappen in's Meer hinein.
Die Sonne geht unter in rothem Schein.
Merk' auf, Herr Olaf!“
Sie ruhte einen Augenblick. Die letzten Töne
hallten lang nach an den Felswänden. Weithin hörte
man das Rauſchen der ſchäumenden Brandungen. Mitten
aus ihnen ſchien mir jetzt die verhallende Menſchen¬
ſtimme entgegenzukommen, ein Geiſterlaut. Mir ſchwin¬
delte in tiefſter Seele. Sie ſchaute zurück und ihr
Viſcher, Auch Einer. II. 10
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/158>, abgerufen am 16.02.2025.
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