Trost bei der Bibel zu suchen, ich sage: wenn ich nur wüßte, ob es eine Bibel gibt.
Wenn aber Nichts ist, ist doch Schlechtes so wenig, als Gutes.
Der Unsinn mit dem Nichts kommt nur daher, daß man zuerst verlangt, die Einheit aller Dinge solle neben den Dingen auch Etwas sein, und dann sich darüber erzürnt, daß sie Nichts ist, wenn man die Dinge, deren Einheit sie ist, von ihr wegdenkt. Es ist latenter Theismus. Davon kommt Alles her. Man sieht große Uebel in der Welt, negirt einen persönlichen Gott, meint aber doch Jemand verantwortlich machen zu müssen, und stürzt in die Narrheit, ihn heimlich zu glauben, aber für einen schlechten Kerl zu halten. Fällt mir der Krämer in Brackniz ein, Dilettant im Atheismus. Hatte ein Lädchen zu ebener Erde, zwei Stufen unter der Richthöhe der Straße. Wenn der Bach anschwoll, lief ihm das Wasser herein, er mußte dann mit dem ganzen Kram in den ersten Stock ziehen. Pflegte, wenn's lang regnete und das Uebel drohte, zum Himmel hinaufzusehen und boshaft zu sagen: "nun ja, ich kann dir ja den Gefallen thun, wenn es durchaus sein soll!" Einmal, als er hinauf¬
Troſt bei der Bibel zu ſuchen, ich ſage: wenn ich nur wüßte, ob es eine Bibel gibt.
Wenn aber Nichts iſt, iſt doch Schlechtes ſo wenig, als Gutes.
Der Unſinn mit dem Nichts kommt nur daher, daß man zuerſt verlangt, die Einheit aller Dinge ſolle neben den Dingen auch Etwas ſein, und dann ſich darüber erzürnt, daß ſie Nichts iſt, wenn man die Dinge, deren Einheit ſie iſt, von ihr wegdenkt. Es iſt latenter Theismus. Davon kommt Alles her. Man ſieht große Uebel in der Welt, negirt einen perſönlichen Gott, meint aber doch Jemand verantwortlich machen zu müſſen, und ſtürzt in die Narrheit, ihn heimlich zu glauben, aber für einen ſchlechten Kerl zu halten. Fällt mir der Krämer in Brackniz ein, Dilettant im Atheismus. Hatte ein Lädchen zu ebener Erde, zwei Stufen unter der Richthöhe der Straße. Wenn der Bach anſchwoll, lief ihm das Waſſer herein, er mußte dann mit dem ganzen Kram in den erſten Stock ziehen. Pflegte, wenn's lang regnete und das Uebel drohte, zum Himmel hinaufzuſehen und boshaft zu ſagen: „nun ja, ich kann dir ja den Gefallen thun, wenn es durchaus ſein ſoll!“ Einmal, als er hinauf¬
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Troſt bei der Bibel zu ſuchen, ich ſage: wenn ich nur
wüßte, ob es eine Bibel gibt.
Wenn aber Nichts iſt, iſt doch Schlechtes ſo wenig,
als Gutes.
Der Unſinn mit dem Nichts kommt nur daher,
daß man zuerſt verlangt, die Einheit aller Dinge ſolle
neben den Dingen auch Etwas ſein, und dann ſich
darüber erzürnt, daß ſie Nichts iſt, wenn man die
Dinge, deren Einheit ſie iſt, von ihr wegdenkt. Es
iſt latenter Theismus. Davon kommt Alles her. Man
ſieht große Uebel in der Welt, negirt einen perſönlichen
Gott, meint aber doch Jemand verantwortlich machen
zu müſſen, und ſtürzt in die Narrheit, ihn heimlich zu
glauben, aber für einen ſchlechten Kerl zu halten.
Fällt mir der Krämer in Brackniz ein, Dilettant im
Atheismus. Hatte ein Lädchen zu ebener Erde, zwei
Stufen unter der Richthöhe der Straße. Wenn der
Bach anſchwoll, lief ihm das Waſſer herein, er mußte
dann mit dem ganzen Kram in den erſten Stock
ziehen. Pflegte, wenn's lang regnete und das Uebel
drohte, zum Himmel hinaufzuſehen und boshaft zu
ſagen: „nun ja, ich kann dir ja den Gefallen thun,
wenn es durchaus ſein ſoll!“ Einmal, als er hinauf¬
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/125>, abgerufen am 24.11.2024.
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