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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879.

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daß er doch ein gar zu starker Anekdotenerzähler, ein
Meidinger II. gewesen sei.

Jetzt fiel lebhaft der Assessor ein: "Haben Sie nie
bemerkt, meine Herren, daß er in dieser Richtung immer
nur dann loslegte, wenn sich Sondergespräche am Tisch
aufthaten? wenn dann auch das zu laute Sprechen
anfieng? Die Leute zu Einem Gespräch zusammen¬
bringen mit jedem Mittel, -- helfe, was helfen mag!
-- war das keine gesellige Tugend? Ist unsere Unter¬
haltung nicht harmonischer geflossen, so lang er uns
so zusammenhielt?"

"Doch jedenfalls über die Maßen nervös hat er's
getrieben," meinte der Oberförster; "das führt denn doch
weit, wenn man gar keine Theilgespräche an einem
Tisch dulden will, es hat doch so Mancher mit Dem
und Jenem etwas Besonderes zu reden."

"Nervös," sagte der andere Arzt (er hieß Volkart);
"nun, wenn man will. Oft nennt man normale
Nerven kranke, denn die der Mehrheit sind stumpf und
so erscheint ihr das Richtige als pathologische Aus¬
nahme. Bemerken Sie, wenn Abends in einer Familie
die Lampe aufgestellt wird: die Kinder halten sich die
Augen zu, die Flamme blendet sie. Das ist aber
gesunder Sehnerv und abgestumpft ist der von uns
Alten, der keine Blendung empfindet. Grellem Lichte
kommt aber doch gewiß ein Gewirre von Gesprächen
gleich."

daß er doch ein gar zu ſtarker Anekdotenerzähler, ein
Meidinger II. geweſen ſei.

Jetzt fiel lebhaft der Aſſeſſor ein: „Haben Sie nie
bemerkt, meine Herren, daß er in dieſer Richtung immer
nur dann loslegte, wenn ſich Sondergeſpräche am Tiſch
aufthaten? wenn dann auch das zu laute Sprechen
anfieng? Die Leute zu Einem Geſpräch zuſammen¬
bringen mit jedem Mittel, — helfe, was helfen mag!
— war das keine geſellige Tugend? Iſt unſere Unter¬
haltung nicht harmoniſcher gefloſſen, ſo lang er uns
ſo zuſammenhielt?“

„Doch jedenfalls über die Maßen nervös hat er's
getrieben,“ meinte der Oberförſter; „das führt denn doch
weit, wenn man gar keine Theilgeſpräche an einem
Tiſch dulden will, es hat doch ſo Mancher mit Dem
und Jenem etwas Beſonderes zu reden.“

„Nervös,“ ſagte der andere Arzt (er hieß Volkart);
„nun, wenn man will. Oft nennt man normale
Nerven kranke, denn die der Mehrheit ſind ſtumpf und
ſo erſcheint ihr das Richtige als pathologiſche Aus¬
nahme. Bemerken Sie, wenn Abends in einer Familie
die Lampe aufgeſtellt wird: die Kinder halten ſich die
Augen zu, die Flamme blendet ſie. Das iſt aber
geſunder Sehnerv und abgeſtumpft iſt der von uns
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[96/0109] daß er doch ein gar zu ſtarker Anekdotenerzähler, ein Meidinger II. geweſen ſei. Jetzt fiel lebhaft der Aſſeſſor ein: „Haben Sie nie bemerkt, meine Herren, daß er in dieſer Richtung immer nur dann loslegte, wenn ſich Sondergeſpräche am Tiſch aufthaten? wenn dann auch das zu laute Sprechen anfieng? Die Leute zu Einem Geſpräch zuſammen¬ bringen mit jedem Mittel, — helfe, was helfen mag! — war das keine geſellige Tugend? Iſt unſere Unter¬ haltung nicht harmoniſcher gefloſſen, ſo lang er uns ſo zuſammenhielt?“ „Doch jedenfalls über die Maßen nervös hat er's getrieben,“ meinte der Oberförſter; „das führt denn doch weit, wenn man gar keine Theilgeſpräche an einem Tiſch dulden will, es hat doch ſo Mancher mit Dem und Jenem etwas Beſonderes zu reden.“ „Nervös,“ ſagte der andere Arzt (er hieß Volkart); „nun, wenn man will. Oft nennt man normale Nerven kranke, denn die der Mehrheit ſind ſtumpf und ſo erſcheint ihr das Richtige als pathologiſche Aus¬ nahme. Bemerken Sie, wenn Abends in einer Familie die Lampe aufgeſtellt wird: die Kinder halten ſich die Augen zu, die Flamme blendet ſie. Das iſt aber geſunder Sehnerv und abgeſtumpft iſt der von uns Alten, der keine Blendung empfindet. Grellem Lichte kommt aber doch gewiß ein Gewirre von Geſprächen gleich.“

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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/109>, abgerufen am 22.11.2024.