Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879.

Bild:
<< vorherige Seite

heraus und zeigte sie dem Boten. "Wollt Ihr mir
Euer Wort geben?" Der Mann schlug ein und die
Goldmünzen glitten in seine rauhe Hand. Gerührt
dankte er mit einem zweiten, herzlichen Handschlag und
nahm Abschied. Er fuhr langsam weiter, neben dem
Hund ordentlich ziehend, und wir sahen noch, wie er
das Gold wieder aus der Tasche zog, betrachtete und
wieder einsteckte.

"In der Schweiz," sagte nun mein Begleiter,
"empört mich der Anblick dieser Rohheit doppelt.
Ich bin nicht zum ersten Mal in diesem glücklichen Land.
Manches hat mich da gefreut, am meisten die Scho¬
nung des Thiers; Pferd und Rind wird menschlicher
behandelt als irgendwo, und gerade da muß nun
dieser Unfug der Hundefuhren herrschen, eine der
allerschnödesten Formen der Barbarei. -- Ach, Herr,
ich komm' halt noch in's Zuchthaus, Sie werden's
sehen, denn ich lang' eben doch noch einmal einen
Thierschinder mit dem Stutzen vom Bock herunter --
schießen kann ich." --

Ich gieng neben ihm fort; eine Einladung zum
Anschluß glaubte ich nach dem Vorgefallenen und dieser
einläßlichen Gesprächseröffnung nicht erst erwarten zu
müssen. Wir zogen eine gute Weile schweigend weiter.

"Es ist heute sehr schön Wetter," fieng A. E.
endlich an.

Ich mochte nichts einwenden, wiewohl das Wetter

heraus und zeigte ſie dem Boten. „Wollt Ihr mir
Euer Wort geben?“ Der Mann ſchlug ein und die
Goldmünzen glitten in ſeine rauhe Hand. Gerührt
dankte er mit einem zweiten, herzlichen Handſchlag und
nahm Abſchied. Er fuhr langſam weiter, neben dem
Hund ordentlich ziehend, und wir ſahen noch, wie er
das Gold wieder aus der Taſche zog, betrachtete und
wieder einſteckte.

„In der Schweiz,“ ſagte nun mein Begleiter,
„empört mich der Anblick dieſer Rohheit doppelt.
Ich bin nicht zum erſten Mal in dieſem glücklichen Land.
Manches hat mich da gefreut, am meiſten die Scho¬
nung des Thiers; Pferd und Rind wird menſchlicher
behandelt als irgendwo, und gerade da muß nun
dieſer Unfug der Hundefuhren herrſchen, eine der
allerſchnödeſten Formen der Barbarei. — Ach, Herr,
ich komm' halt noch in's Zuchthaus, Sie werden's
ſehen, denn ich lang' eben doch noch einmal einen
Thierſchinder mit dem Stutzen vom Bock herunter —
ſchießen kann ich.“ —

Ich gieng neben ihm fort; eine Einladung zum
Anſchluß glaubte ich nach dem Vorgefallenen und dieſer
einläßlichen Geſprächseröffnung nicht erſt erwarten zu
müſſen. Wir zogen eine gute Weile ſchweigend weiter.

„Es iſt heute ſehr ſchön Wetter,“ fieng A. E.
endlich an.

Ich mochte nichts einwenden, wiewohl das Wetter

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0055" n="42"/>
heraus und zeigte &#x017F;ie dem Boten. &#x201E;Wollt Ihr mir<lb/>
Euer Wort geben?&#x201C; Der Mann &#x017F;chlug ein und die<lb/>
Goldmünzen glitten in &#x017F;eine rauhe Hand. Gerührt<lb/>
dankte er mit einem zweiten, herzlichen Hand&#x017F;chlag und<lb/>
nahm Ab&#x017F;chied. Er fuhr lang&#x017F;am weiter, neben dem<lb/>
Hund ordentlich ziehend, und wir &#x017F;ahen noch, wie er<lb/>
das Gold wieder aus der Ta&#x017F;che zog, betrachtete und<lb/>
wieder ein&#x017F;teckte.</p><lb/>
        <p>&#x201E;In der Schweiz,&#x201C; &#x017F;agte nun mein Begleiter,<lb/>
&#x201E;empört mich der Anblick die&#x017F;er Rohheit doppelt.<lb/>
Ich bin nicht zum er&#x017F;ten Mal in die&#x017F;em glücklichen Land.<lb/>
Manches hat mich da gefreut, am mei&#x017F;ten die Scho¬<lb/>
nung des Thiers; Pferd und Rind wird men&#x017F;chlicher<lb/>
behandelt als irgendwo, und gerade da muß nun<lb/>
die&#x017F;er Unfug der Hundefuhren herr&#x017F;chen, eine der<lb/>
aller&#x017F;chnöde&#x017F;ten Formen der Barbarei. &#x2014; Ach, Herr,<lb/>
ich komm' halt noch in's Zuchthaus, Sie werden's<lb/>
&#x017F;ehen, denn ich lang' eben doch noch einmal einen<lb/>
Thier&#x017F;chinder mit dem Stutzen vom Bock herunter &#x2014;<lb/>
&#x017F;chießen kann ich.&#x201C; &#x2014;</p><lb/>
        <p>Ich gieng neben ihm fort; eine Einladung zum<lb/>
An&#x017F;chluß glaubte ich nach dem Vorgefallenen und die&#x017F;er<lb/>
einläßlichen Ge&#x017F;prächseröffnung nicht er&#x017F;t erwarten zu<lb/>&#x017F;&#x017F;en. Wir zogen eine gute Weile &#x017F;chweigend weiter.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Es i&#x017F;t heute &#x017F;ehr &#x017F;chön Wetter,&#x201C; fieng A. E.<lb/>
endlich an.</p><lb/>
        <p>Ich mochte nichts einwenden, wiewohl das Wetter<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[42/0055] heraus und zeigte ſie dem Boten. „Wollt Ihr mir Euer Wort geben?“ Der Mann ſchlug ein und die Goldmünzen glitten in ſeine rauhe Hand. Gerührt dankte er mit einem zweiten, herzlichen Handſchlag und nahm Abſchied. Er fuhr langſam weiter, neben dem Hund ordentlich ziehend, und wir ſahen noch, wie er das Gold wieder aus der Taſche zog, betrachtete und wieder einſteckte. „In der Schweiz,“ ſagte nun mein Begleiter, „empört mich der Anblick dieſer Rohheit doppelt. Ich bin nicht zum erſten Mal in dieſem glücklichen Land. Manches hat mich da gefreut, am meiſten die Scho¬ nung des Thiers; Pferd und Rind wird menſchlicher behandelt als irgendwo, und gerade da muß nun dieſer Unfug der Hundefuhren herrſchen, eine der allerſchnödeſten Formen der Barbarei. — Ach, Herr, ich komm' halt noch in's Zuchthaus, Sie werden's ſehen, denn ich lang' eben doch noch einmal einen Thierſchinder mit dem Stutzen vom Bock herunter — ſchießen kann ich.“ — Ich gieng neben ihm fort; eine Einladung zum Anſchluß glaubte ich nach dem Vorgefallenen und dieſer einläßlichen Geſprächseröffnung nicht erſt erwarten zu müſſen. Wir zogen eine gute Weile ſchweigend weiter. „Es iſt heute ſehr ſchön Wetter,“ fieng A. E. endlich an. Ich mochte nichts einwenden, wiewohl das Wetter

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/55
Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/55>, abgerufen am 05.12.2024.