gesehen, die müden Thiere wurden jetzt aus Spielern Zuschauer und unter behaglichem Gucken erlabten sie mit kräftigen Methzügen die durstige Kehle und die vielgebrauchten Glieder; der Drache soff beträchtlich.
"Wo steckt denn Alpin?" fragte ein Bursche Sigu¬ nen, die theilnahmlos, gedankenvoll unter den Mädchen stand. "Weiß nicht," versetzte sie, "er wird beim Tisch¬ zurichten helfen." -- "Nun, komm' her, so tanz' mit mir," sagte der Frager und bot ihr den Arm, bekam aber einen Korb und unter dem Vorwand, nach dem kleinen Schwesterchen sehen zu müssen, gieng sie nach Hause. Auch Gwennywar hatte lang nach dem Ver¬ mißten umgeschaut, jetzt aber vergaß das junge Queck¬ silber Alles im Arm ihres bewunderten Tänzers.
Die Greise, mit Ausnahme der erwähnten paar lustigen alten Knaben, auch die Mehrzahl der Männer hatte sich nach dem Ende der Aufführung verlaufen, und diese Müßigen hatten zuerst wieder Zeit, des Gefangenen zu gedenken, den man unter Schützenfest, Morgenimbiß und Tanzspiel fast vergessen hatte. Der Druide, der sonst an Festen beim Schaustück auf seinem Ehrensitze so behaglich lachend bis zum Schluß ver¬ weilte, wie wohl einst der hohe Priester des Dionysos auf seiner Marmorbank im Theater zu Athen, er war dießmal bald nach Beginn verschwunden. Heimgekehrte fanden sein Haus geschlossen. Es hieß, man habe die Gemeindeältesten hineingehen sehen. Man munkelte
geſehen, die müden Thiere wurden jetzt aus Spielern Zuſchauer und unter behaglichem Gucken erlabten ſie mit kräftigen Methzügen die durſtige Kehle und die vielgebrauchten Glieder; der Drache ſoff beträchtlich.
„Wo ſteckt denn Alpin?“ fragte ein Burſche Sigu¬ nen, die theilnahmlos, gedankenvoll unter den Mädchen ſtand. „Weiß nicht,“ verſetzte ſie, „er wird beim Tiſch¬ zurichten helfen.“ — „Nun, komm' her, ſo tanz' mit mir,“ ſagte der Frager und bot ihr den Arm, bekam aber einen Korb und unter dem Vorwand, nach dem kleinen Schweſterchen ſehen zu müſſen, gieng ſie nach Hauſe. Auch Gwennywar hatte lang nach dem Ver¬ mißten umgeſchaut, jetzt aber vergaß das junge Queck¬ ſilber Alles im Arm ihres bewunderten Tänzers.
Die Greiſe, mit Ausnahme der erwähnten paar luſtigen alten Knaben, auch die Mehrzahl der Männer hatte ſich nach dem Ende der Aufführung verlaufen, und dieſe Müßigen hatten zuerſt wieder Zeit, des Gefangenen zu gedenken, den man unter Schützenfeſt, Morgenimbiß und Tanzſpiel faſt vergeſſen hatte. Der Druide, der ſonſt an Feſten beim Schauſtück auf ſeinem Ehrenſitze ſo behaglich lachend bis zum Schluß ver¬ weilte, wie wohl einſt der hohe Prieſter des Dionyſos auf ſeiner Marmorbank im Theater zu Athen, er war dießmal bald nach Beginn verſchwunden. Heimgekehrte fanden ſein Haus geſchloſſen. Es hieß, man habe die Gemeindeälteſten hineingehen ſehen. Man munkelte
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0369"n="356"/>
geſehen, die müden Thiere wurden jetzt aus Spielern<lb/>
Zuſchauer und unter behaglichem Gucken erlabten ſie<lb/>
mit kräftigen Methzügen die durſtige Kehle und die<lb/>
vielgebrauchten Glieder; der Drache ſoff beträchtlich.</p><lb/><p>„Wo ſteckt denn Alpin?“ fragte ein Burſche Sigu¬<lb/>
nen, die theilnahmlos, gedankenvoll unter den Mädchen<lb/>ſtand. „Weiß nicht,“ verſetzte ſie, „er wird beim Tiſch¬<lb/>
zurichten helfen.“—„Nun, komm' her, ſo tanz' mit<lb/>
mir,“ſagte der Frager und bot ihr den Arm, bekam<lb/>
aber einen Korb und unter dem Vorwand, nach dem<lb/>
kleinen Schweſterchen ſehen zu müſſen, gieng ſie nach<lb/>
Hauſe. Auch Gwennywar hatte lang nach dem Ver¬<lb/>
mißten umgeſchaut, jetzt aber vergaß das junge Queck¬<lb/>ſilber Alles im Arm ihres bewunderten Tänzers.</p><lb/><p>Die Greiſe, mit Ausnahme der erwähnten paar<lb/>
luſtigen alten Knaben, auch die Mehrzahl der Männer<lb/>
hatte ſich nach dem Ende der Aufführung verlaufen,<lb/>
und dieſe Müßigen hatten zuerſt wieder Zeit, des<lb/>
Gefangenen zu gedenken, den man unter Schützenfeſt,<lb/>
Morgenimbiß und Tanzſpiel faſt vergeſſen hatte. Der<lb/>
Druide, der ſonſt an Feſten beim Schauſtück auf ſeinem<lb/>
Ehrenſitze ſo behaglich lachend bis zum Schluß ver¬<lb/>
weilte, wie wohl einſt der hohe Prieſter des Dionyſos<lb/>
auf ſeiner Marmorbank im Theater zu Athen, er war<lb/>
dießmal bald nach Beginn verſchwunden. Heimgekehrte<lb/>
fanden ſein Haus geſchloſſen. Es hieß, man habe<lb/>
die Gemeindeälteſten hineingehen ſehen. Man munkelte<lb/></p></div></body></text></TEI>
[356/0369]
geſehen, die müden Thiere wurden jetzt aus Spielern
Zuſchauer und unter behaglichem Gucken erlabten ſie
mit kräftigen Methzügen die durſtige Kehle und die
vielgebrauchten Glieder; der Drache ſoff beträchtlich.
„Wo ſteckt denn Alpin?“ fragte ein Burſche Sigu¬
nen, die theilnahmlos, gedankenvoll unter den Mädchen
ſtand. „Weiß nicht,“ verſetzte ſie, „er wird beim Tiſch¬
zurichten helfen.“ — „Nun, komm' her, ſo tanz' mit
mir,“ ſagte der Frager und bot ihr den Arm, bekam
aber einen Korb und unter dem Vorwand, nach dem
kleinen Schweſterchen ſehen zu müſſen, gieng ſie nach
Hauſe. Auch Gwennywar hatte lang nach dem Ver¬
mißten umgeſchaut, jetzt aber vergaß das junge Queck¬
ſilber Alles im Arm ihres bewunderten Tänzers.
Die Greiſe, mit Ausnahme der erwähnten paar
luſtigen alten Knaben, auch die Mehrzahl der Männer
hatte ſich nach dem Ende der Aufführung verlaufen,
und dieſe Müßigen hatten zuerſt wieder Zeit, des
Gefangenen zu gedenken, den man unter Schützenfeſt,
Morgenimbiß und Tanzſpiel faſt vergeſſen hatte. Der
Druide, der ſonſt an Feſten beim Schauſtück auf ſeinem
Ehrenſitze ſo behaglich lachend bis zum Schluß ver¬
weilte, wie wohl einſt der hohe Prieſter des Dionyſos
auf ſeiner Marmorbank im Theater zu Athen, er war
dießmal bald nach Beginn verſchwunden. Heimgekehrte
fanden ſein Haus geſchloſſen. Es hieß, man habe
die Gemeindeälteſten hineingehen ſehen. Man munkelte
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/369>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.