Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879.

Bild:
<< vorherige Seite

Breite er sich zu gefallen schien, ganz ruhig geworden
und fuhr gelassen fort:

"Jetzt das Uebrige! Die übrige Geschichte dieser
schwarzen Morgenstunde!

"Zuerst springen an drei Hemden die Knöpfchen
ab, da ich sie anziehen will. Ja, ja, so ein Hemd¬
knopf! Ein Bär stellt sich ehrlich zum Kampf; ich
weiß, was ich zu thun, wie ich meine Waffe anzu¬
wenden habe; einen hundertjährigen Eichbaum kann
ich mit Kraft und Ausdauer umhauen; aber der Knirps!
Ich soll Kraft anwenden, denn die Bestie will absolut
nicht durch's Knopfloch, und ich soll sie zugleich ebenso
sehr gar nicht anwenden, sondern ganz fein und leicht
mit den Fingerspitzen arbeiten, und indem ich mich
placke, schinde, abrackere, foltere, tödte, das Wider¬
sprechende zu leisten, -- o lustig! springt die Schmach¬
canaille erst recht ab! Die Teufel nehmen Besitz vom
Weibe, uns dieß Scheusliche zu bereiten. Ich habe
es von glaubwürdigen, wahrheitliebenden und beson¬
nenen Ehemännern: wegen der Hemdknöpfchen heirathet
man und dann ist es erst recht nichts damit. -- Weiter!
-- Nur im Vorbeigehen will ich anführen, daß mich
zuerst beim Ankleiden ein höchst ränkesüchtiges Armloch
gute fünf Minuten lang insultirt hat, -- dabei blieb
ich aber noch ganz ruhig -- denn ich kann mich be¬
herrschen, mein Herr! Nun aber sehen Sie diesen
Schlüssel" -- er zog einen kleinen Schlüssel hervor,

Breite er ſich zu gefallen ſchien, ganz ruhig geworden
und fuhr gelaſſen fort:

„Jetzt das Uebrige! Die übrige Geſchichte dieſer
ſchwarzen Morgenſtunde!

„Zuerſt ſpringen an drei Hemden die Knöpfchen
ab, da ich ſie anziehen will. Ja, ja, ſo ein Hemd¬
knopf! Ein Bär ſtellt ſich ehrlich zum Kampf; ich
weiß, was ich zu thun, wie ich meine Waffe anzu¬
wenden habe; einen hundertjährigen Eichbaum kann
ich mit Kraft und Ausdauer umhauen; aber der Knirps!
Ich ſoll Kraft anwenden, denn die Beſtie will abſolut
nicht durch's Knopfloch, und ich ſoll ſie zugleich ebenſo
ſehr gar nicht anwenden, ſondern ganz fein und leicht
mit den Fingerſpitzen arbeiten, und indem ich mich
placke, ſchinde, abrackere, foltere, tödte, das Wider¬
ſprechende zu leiſten, — o luſtig! ſpringt die Schmach¬
canaille erſt recht ab! Die Teufel nehmen Beſitz vom
Weibe, uns dieß Scheusliche zu bereiten. Ich habe
es von glaubwürdigen, wahrheitliebenden und beſon¬
nenen Ehemännern: wegen der Hemdknöpfchen heirathet
man und dann iſt es erſt recht nichts damit. — Weiter!
— Nur im Vorbeigehen will ich anführen, daß mich
zuerſt beim Ankleiden ein höchſt ränkeſüchtiges Armloch
gute fünf Minuten lang inſultirt hat, — dabei blieb
ich aber noch ganz ruhig — denn ich kann mich be¬
herrſchen, mein Herr! Nun aber ſehen Sie dieſen
Schlüſſel“ — er zog einen kleinen Schlüſſel hervor,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0036" n="23"/>
Breite er &#x017F;ich zu gefallen &#x017F;chien, ganz ruhig geworden<lb/>
und fuhr gela&#x017F;&#x017F;en fort:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Jetzt das Uebrige! Die übrige Ge&#x017F;chichte die&#x017F;er<lb/>
&#x017F;chwarzen Morgen&#x017F;tunde!</p><lb/>
        <p>&#x201E;Zuer&#x017F;t &#x017F;pringen an drei Hemden die Knöpfchen<lb/>
ab, da ich &#x017F;ie anziehen will. Ja, ja, &#x017F;o ein Hemd¬<lb/>
knopf! Ein Bär &#x017F;tellt &#x017F;ich ehrlich zum Kampf; ich<lb/>
weiß, was ich zu thun, wie ich meine Waffe anzu¬<lb/>
wenden habe; einen hundertjährigen Eichbaum kann<lb/>
ich mit Kraft und Ausdauer umhauen; aber der Knirps!<lb/>
Ich &#x017F;oll Kraft anwenden, denn die Be&#x017F;tie will ab&#x017F;olut<lb/>
nicht durch's Knopfloch, und ich &#x017F;oll &#x017F;ie zugleich eben&#x017F;o<lb/>
&#x017F;ehr gar nicht anwenden, &#x017F;ondern ganz fein und leicht<lb/>
mit den Finger&#x017F;pitzen arbeiten, und indem ich mich<lb/>
placke, &#x017F;chinde, abrackere, foltere, tödte, das Wider¬<lb/>
&#x017F;prechende zu lei&#x017F;ten, &#x2014; o lu&#x017F;tig! &#x017F;pringt die Schmach¬<lb/>
canaille er&#x017F;t recht ab! Die Teufel nehmen Be&#x017F;itz vom<lb/>
Weibe, uns dieß Scheusliche zu bereiten. Ich habe<lb/>
es von glaubwürdigen, wahrheitliebenden und be&#x017F;on¬<lb/>
nenen Ehemännern: wegen der Hemdknöpfchen heirathet<lb/>
man und dann i&#x017F;t es er&#x017F;t recht nichts damit. &#x2014; Weiter!<lb/>
&#x2014; Nur im Vorbeigehen will ich anführen, daß mich<lb/>
zuer&#x017F;t beim Ankleiden ein höch&#x017F;t ränke&#x017F;üchtiges Armloch<lb/>
gute fünf Minuten lang in&#x017F;ultirt hat, &#x2014; dabei blieb<lb/>
ich aber noch ganz ruhig &#x2014; denn ich kann mich be¬<lb/>
herr&#x017F;chen, mein Herr! Nun aber &#x017F;ehen Sie die&#x017F;en<lb/>
Schlü&#x017F;&#x017F;el&#x201C; &#x2014; er zog einen kleinen Schlü&#x017F;&#x017F;el hervor,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[23/0036] Breite er ſich zu gefallen ſchien, ganz ruhig geworden und fuhr gelaſſen fort: „Jetzt das Uebrige! Die übrige Geſchichte dieſer ſchwarzen Morgenſtunde! „Zuerſt ſpringen an drei Hemden die Knöpfchen ab, da ich ſie anziehen will. Ja, ja, ſo ein Hemd¬ knopf! Ein Bär ſtellt ſich ehrlich zum Kampf; ich weiß, was ich zu thun, wie ich meine Waffe anzu¬ wenden habe; einen hundertjährigen Eichbaum kann ich mit Kraft und Ausdauer umhauen; aber der Knirps! Ich ſoll Kraft anwenden, denn die Beſtie will abſolut nicht durch's Knopfloch, und ich ſoll ſie zugleich ebenſo ſehr gar nicht anwenden, ſondern ganz fein und leicht mit den Fingerſpitzen arbeiten, und indem ich mich placke, ſchinde, abrackere, foltere, tödte, das Wider¬ ſprechende zu leiſten, — o luſtig! ſpringt die Schmach¬ canaille erſt recht ab! Die Teufel nehmen Beſitz vom Weibe, uns dieß Scheusliche zu bereiten. Ich habe es von glaubwürdigen, wahrheitliebenden und beſon¬ nenen Ehemännern: wegen der Hemdknöpfchen heirathet man und dann iſt es erſt recht nichts damit. — Weiter! — Nur im Vorbeigehen will ich anführen, daß mich zuerſt beim Ankleiden ein höchſt ränkeſüchtiges Armloch gute fünf Minuten lang inſultirt hat, — dabei blieb ich aber noch ganz ruhig — denn ich kann mich be¬ herrſchen, mein Herr! Nun aber ſehen Sie dieſen Schlüſſel“ — er zog einen kleinen Schlüſſel hervor,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/36
Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/36>, abgerufen am 04.12.2024.