wissen und thun. Es thut Niemand gut, der nicht nachdenkt; recht thun heißt, gemäß der Wahrheit han¬ deln, nachdem man sie durch ordentliches Denken heraus¬ gebracht. Wer nicht nachdenkt, kommt herunter. Man findet aber die Wahrheit nicht im Schlaf, da muß man arg geschüttelt werden. Aller guten Dinge sind drei. Drei gute Dinge sind: strenge Erziehung, heil¬ same Stöße des Schicksals und Durst nach Wahrheit. Man darf wohl fröhlich sein; drei Dinge sind schön: ein wohlgethaner Mann, ein wohlgethan, hold Weib und der blaue, lichte Himmel. Drei Dinge sind schöner: Gesang, edle Sitten und gutes Gespräch. Drei Dinge sind die schönsten: Erkenntniß, Thätigkeit und selbstlose Liebe. Drei Dinge sind klein: ein Floh, ein Zwerg und der Mensch, der nicht sterben will den Tod des Ich. Drei Dinge sind häßlich: eine Kröte, die dumpfe Lust und die Angst vor dem Geistlicht.
"Und jetzt laßt mich ein Wörtlein sagen vom hä߬ lichen Knirps Gwyon und von der Fee Coridwen."
(Gelächter. Man hört Summen von mehreren Stimmen: -- Gwyon, dieser kleine Tropf -- dieses Zwergelein -- Häsulein -- Hündin schnell -- im Nu ein Fisch -- Otterthier -- Finkenfalk -- Waizen¬ korn -- wird eine Henn', Coridwen, Coridwen --.)
"Weiß schon, daß ihr's gern singt, ihr Kindsköpfe! Ein Kindermärchen ist euch die heilige Ueberlieferung geworden, was sie will, habt ihr rein vergessen und
wiſſen und thun. Es thut Niemand gut, der nicht nachdenkt; recht thun heißt, gemäß der Wahrheit han¬ deln, nachdem man ſie durch ordentliches Denken heraus¬ gebracht. Wer nicht nachdenkt, kommt herunter. Man findet aber die Wahrheit nicht im Schlaf, da muß man arg geſchüttelt werden. Aller guten Dinge ſind drei. Drei gute Dinge ſind: ſtrenge Erziehung, heil¬ ſame Stöße des Schickſals und Durſt nach Wahrheit. Man darf wohl fröhlich ſein; drei Dinge ſind ſchön: ein wohlgethaner Mann, ein wohlgethan, hold Weib und der blaue, lichte Himmel. Drei Dinge ſind ſchöner: Geſang, edle Sitten und gutes Geſpräch. Drei Dinge ſind die ſchönſten: Erkenntniß, Thätigkeit und ſelbſtloſe Liebe. Drei Dinge ſind klein: ein Floh, ein Zwerg und der Menſch, der nicht ſterben will den Tod des Ich. Drei Dinge ſind häßlich: eine Kröte, die dumpfe Luſt und die Angſt vor dem Geiſtlicht.
„Und jetzt laßt mich ein Wörtlein ſagen vom hä߬ lichen Knirps Gwyon und von der Fee Coridwen.“
(Gelächter. Man hört Summen von mehreren Stimmen: — Gwyon, dieſer kleine Tropf — dieſes Zwergelein — Häſulein — Hündin ſchnell — im Nu ein Fiſch — Otterthier — Finkenfalk — Waizen¬ korn — wird eine Henn', Coridwen, Coridwen —.)
„Weiß ſchon, daß ihr's gern ſingt, ihr Kindsköpfe! Ein Kindermärchen iſt euch die heilige Ueberlieferung geworden, was ſie will, habt ihr rein vergeſſen und
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0291"n="278"/>
wiſſen und thun. Es thut Niemand gut, der nicht<lb/>
nachdenkt; recht thun heißt, gemäß der Wahrheit han¬<lb/>
deln, nachdem man ſie durch ordentliches Denken heraus¬<lb/>
gebracht. Wer nicht nachdenkt, kommt herunter. Man<lb/>
findet aber die Wahrheit nicht im Schlaf, da muß<lb/>
man arg geſchüttelt werden. Aller guten Dinge ſind<lb/>
drei. Drei gute Dinge ſind: ſtrenge Erziehung, heil¬<lb/>ſame Stöße des Schickſals und Durſt nach Wahrheit.<lb/>
Man darf wohl fröhlich ſein; drei Dinge ſind ſchön:<lb/>
ein wohlgethaner Mann, ein wohlgethan, hold Weib<lb/>
und der blaue, lichte Himmel. Drei Dinge ſind<lb/>ſchöner: Geſang, edle Sitten und gutes Geſpräch.<lb/>
Drei Dinge ſind die ſchönſten: Erkenntniß, Thätigkeit<lb/>
und ſelbſtloſe Liebe. Drei Dinge ſind klein: ein Floh,<lb/>
ein Zwerg und der Menſch, der nicht ſterben will den<lb/>
Tod des Ich. Drei Dinge ſind häßlich: eine Kröte,<lb/>
die dumpfe Luſt und die Angſt vor dem Geiſtlicht.</p><lb/><p>„Und jetzt laßt mich ein Wörtlein ſagen vom hä߬<lb/>
lichen Knirps Gwyon und von der Fee Coridwen.“</p><lb/><p>(Gelächter. Man hört Summen von mehreren<lb/>
Stimmen: — Gwyon, dieſer kleine Tropf — dieſes<lb/>
Zwergelein — Häſulein — Hündin ſchnell — im<lb/>
Nu ein Fiſch — Otterthier — Finkenfalk — Waizen¬<lb/>
korn — wird eine Henn', Coridwen, Coridwen —.)</p><lb/><p>„Weiß ſchon, daß ihr's gern ſingt, ihr Kindsköpfe!<lb/>
Ein Kindermärchen iſt euch die heilige Ueberlieferung<lb/>
geworden, was ſie will, habt ihr rein vergeſſen und<lb/></p></div></body></text></TEI>
[278/0291]
wiſſen und thun. Es thut Niemand gut, der nicht
nachdenkt; recht thun heißt, gemäß der Wahrheit han¬
deln, nachdem man ſie durch ordentliches Denken heraus¬
gebracht. Wer nicht nachdenkt, kommt herunter. Man
findet aber die Wahrheit nicht im Schlaf, da muß
man arg geſchüttelt werden. Aller guten Dinge ſind
drei. Drei gute Dinge ſind: ſtrenge Erziehung, heil¬
ſame Stöße des Schickſals und Durſt nach Wahrheit.
Man darf wohl fröhlich ſein; drei Dinge ſind ſchön:
ein wohlgethaner Mann, ein wohlgethan, hold Weib
und der blaue, lichte Himmel. Drei Dinge ſind
ſchöner: Geſang, edle Sitten und gutes Geſpräch.
Drei Dinge ſind die ſchönſten: Erkenntniß, Thätigkeit
und ſelbſtloſe Liebe. Drei Dinge ſind klein: ein Floh,
ein Zwerg und der Menſch, der nicht ſterben will den
Tod des Ich. Drei Dinge ſind häßlich: eine Kröte,
die dumpfe Luſt und die Angſt vor dem Geiſtlicht.
„Und jetzt laßt mich ein Wörtlein ſagen vom hä߬
lichen Knirps Gwyon und von der Fee Coridwen.“
(Gelächter. Man hört Summen von mehreren
Stimmen: — Gwyon, dieſer kleine Tropf — dieſes
Zwergelein — Häſulein — Hündin ſchnell — im
Nu ein Fiſch — Otterthier — Finkenfalk — Waizen¬
korn — wird eine Henn', Coridwen, Coridwen —.)
„Weiß ſchon, daß ihr's gern ſingt, ihr Kindsköpfe!
Ein Kindermärchen iſt euch die heilige Ueberlieferung
geworden, was ſie will, habt ihr rein vergeſſen und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/291>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.