man von jetzt an in vielen tausend Jahren sein wird, und daß all' ihr Reichthum und ihre Pracht und feinen Werke dann in Wildniß versunken sind, und daß über dem Schutt die Menschen wieder haben vorn anfangen müssen. Wär' es so gegangen, so hätten wir also einen Weg, auf dem die Wesen ziehen und wandern, der gienge nicht immer bergauf, sondern auch bergab und bergauf. Aber hin wie her, es ist eben ein Weg, eine Bahn, eine Bewegung!
"Und jetzt laßt mich auf die Zeit zurückkommen und noch einmal fragen: was ist die Zeit? Die Zeit geht weiter. Sie läuft immer, immer fort. Wir haben das Wort Zeit erfunden dafür, daß Alles immer wech¬ selt. Wenn Alles immer wechselt, ist sich im Wechseln Alles gleich. Ist also eigentlich nur Eines, das immer wechselt. (Gähnen. Eine Stimme: ,Er wird lang¬ weilig.' Eine andere: ,Sehr unverständlich.') Ja, ja! habt Recht! Es ist mir eigentlich ebenfalls langweilig. (Er gähnt). Die Zeit ist eben langweilig. Darum sollte man in der Zeit aus der Zeit hinaus! Ich will mich verbessern. Es findet da etwas Eigenes statt, was mir natürlich eben auch sehr unverständlich ist. Denkt euch einen Zapfen, woran eine Schnur mit einem Steingewicht hängt. Treibt die Schnur, daß sie auf und ab schwingt, endlich in ganzem Kreise. Denkt euch nun, sie brauche nicht getrieben zu werden, sondern schwinge von selbst immer fort. Das ist die
man von jetzt an in vielen tauſend Jahren ſein wird, und daß all' ihr Reichthum und ihre Pracht und feinen Werke dann in Wildniß verſunken ſind, und daß über dem Schutt die Menſchen wieder haben vorn anfangen müſſen. Wär' es ſo gegangen, ſo hätten wir alſo einen Weg, auf dem die Weſen ziehen und wandern, der gienge nicht immer bergauf, ſondern auch bergab und bergauf. Aber hin wie her, es iſt eben ein Weg, eine Bahn, eine Bewegung!
„Und jetzt laßt mich auf die Zeit zurückkommen und noch einmal fragen: was iſt die Zeit? Die Zeit geht weiter. Sie läuft immer, immer fort. Wir haben das Wort Zeit erfunden dafür, daß Alles immer wech¬ ſelt. Wenn Alles immer wechſelt, iſt ſich im Wechſeln Alles gleich. Iſt alſo eigentlich nur Eines, das immer wechſelt. (Gähnen. Eine Stimme: ‚Er wird lang¬ weilig.‘ Eine andere: ‚Sehr unverſtändlich.‘) Ja, ja! habt Recht! Es iſt mir eigentlich ebenfalls langweilig. (Er gähnt). Die Zeit iſt eben langweilig. Darum ſollte man in der Zeit aus der Zeit hinaus! Ich will mich verbeſſern. Es findet da etwas Eigenes ſtatt, was mir natürlich eben auch ſehr unverſtändlich iſt. Denkt euch einen Zapfen, woran eine Schnur mit einem Steingewicht hängt. Treibt die Schnur, daß ſie auf und ab ſchwingt, endlich in ganzem Kreiſe. Denkt euch nun, ſie brauche nicht getrieben zu werden, ſondern ſchwinge von ſelbſt immer fort. Das iſt die
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man von jetzt an in vielen tauſend Jahren ſein wird,
und daß all' ihr Reichthum und ihre Pracht und feinen
Werke dann in Wildniß verſunken ſind, und daß über
dem Schutt die Menſchen wieder haben vorn anfangen
müſſen. Wär' es ſo gegangen, ſo hätten wir alſo
einen Weg, auf dem die Weſen ziehen und wandern,
der gienge nicht immer bergauf, ſondern auch bergab
und bergauf. Aber hin wie her, es iſt eben ein Weg,
eine Bahn, eine Bewegung!
„Und jetzt laßt mich auf die Zeit zurückkommen
und noch einmal fragen: was iſt die Zeit? Die Zeit
geht weiter. Sie läuft immer, immer fort. Wir haben
das Wort Zeit erfunden dafür, daß Alles immer wech¬
ſelt. Wenn Alles immer wechſelt, iſt ſich im Wechſeln
Alles gleich. Iſt alſo eigentlich nur Eines, das immer
wechſelt. (Gähnen. Eine Stimme: ‚Er wird lang¬
weilig.‘ Eine andere: ‚Sehr unverſtändlich.‘) Ja, ja!
habt Recht! Es iſt mir eigentlich ebenfalls langweilig.
(Er gähnt). Die Zeit iſt eben langweilig. Darum
ſollte man in der Zeit aus der Zeit hinaus! Ich will
mich verbeſſern. Es findet da etwas Eigenes ſtatt,
was mir natürlich eben auch ſehr unverſtändlich iſt.
Denkt euch einen Zapfen, woran eine Schnur mit
einem Steingewicht hängt. Treibt die Schnur, daß
ſie auf und ab ſchwingt, endlich in ganzem Kreiſe.
Denkt euch nun, ſie brauche nicht getrieben zu werden,
ſondern ſchwinge von ſelbſt immer fort. Das iſt die
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/285>, abgerufen am 23.12.2024.
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