mehr wurde sein Lächeln von den Vielen mißdeutet, die es bemerkten. Das hätte man vielleicht vergessen, als aber die Gemeinde mit den Kindern heimzog, ent¬ fiel ihm ein sehr unbedachtes Wort; die Brust war ihm zu voll, er konnte nicht schweigen. Gwalchmai gieng gerade neben ihm, den er als einen der aufge¬ weckteren Köpfe des Pfahldorfs schon kannte. "Arme Kinder!" sagte er zu ihm, "ich denke, die Heidelbeeren werden ihnen gesünder sein, als der Blödsinn! Wie ist es nur möglich, daß er noch besteht! Kann man damit noch ein Volk erziehen? Ist dieß ein Stab und Schild für den Eintritt in die Welt? Und es wär' so ein schöner Brauch, einen starken Einschnitt in die junge Seele zu machen an diesem Wendepunkt! Was hätt' ich drum gegeben, hätt' mir Einer zu der Zeit eindringlich, aber einfach gesagt, wo das wahre Glück zu suchen ist! Und der unbekannte Gott, nun, was den betrifft --" Er brach ab, er wußte wohl nicht weiter. Er gieng vorwärts, ohne eine Antwort abzuwarten, still vor sich niederblickend wie ein Mann, in welchem Gedanken gähren und langsam reifen. Wer außer Gwalchmai seine Worte noch vernommen, hatte er nicht bemerkt. Es war Alpin, zugleich aber noch ein Anderer, von dem wir hören werden.
Jetzt kam mit einem Trupp Kamerädinnen Sigune vorüber, ohne Alpin gewahr zu werden; sie holten Arthur ein, Sigune nahm ihn an der Hand und
mehr wurde ſein Lächeln von den Vielen mißdeutet, die es bemerkten. Das hätte man vielleicht vergeſſen, als aber die Gemeinde mit den Kindern heimzog, ent¬ fiel ihm ein ſehr unbedachtes Wort; die Bruſt war ihm zu voll, er konnte nicht ſchweigen. Gwalchmai gieng gerade neben ihm, den er als einen der aufge¬ weckteren Köpfe des Pfahldorfs ſchon kannte. „Arme Kinder!“ ſagte er zu ihm, „ich denke, die Heidelbeeren werden ihnen geſünder ſein, als der Blödſinn! Wie iſt es nur möglich, daß er noch beſteht! Kann man damit noch ein Volk erziehen? Iſt dieß ein Stab und Schild für den Eintritt in die Welt? Und es wär' ſo ein ſchöner Brauch, einen ſtarken Einſchnitt in die junge Seele zu machen an dieſem Wendepunkt! Was hätt' ich drum gegeben, hätt' mir Einer zu der Zeit eindringlich, aber einfach geſagt, wo das wahre Glück zu ſuchen iſt! Und der unbekannte Gott, nun, was den betrifft —“ Er brach ab, er wußte wohl nicht weiter. Er gieng vorwärts, ohne eine Antwort abzuwarten, ſtill vor ſich niederblickend wie ein Mann, in welchem Gedanken gähren und langſam reifen. Wer außer Gwalchmai ſeine Worte noch vernommen, hatte er nicht bemerkt. Es war Alpin, zugleich aber noch ein Anderer, von dem wir hören werden.
Jetzt kam mit einem Trupp Kamerädinnen Sigune vorüber, ohne Alpin gewahr zu werden; ſie holten Arthur ein, Sigune nahm ihn an der Hand und
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mehr wurde ſein Lächeln von den Vielen mißdeutet,
die es bemerkten. Das hätte man vielleicht vergeſſen,
als aber die Gemeinde mit den Kindern heimzog, ent¬
fiel ihm ein ſehr unbedachtes Wort; die Bruſt war
ihm zu voll, er konnte nicht ſchweigen. Gwalchmai
gieng gerade neben ihm, den er als einen der aufge¬
weckteren Köpfe des Pfahldorfs ſchon kannte. „Arme
Kinder!“ ſagte er zu ihm, „ich denke, die Heidelbeeren
werden ihnen geſünder ſein, als der Blödſinn! Wie
iſt es nur möglich, daß er noch beſteht! Kann man
damit noch ein Volk erziehen? Iſt dieß ein Stab und
Schild für den Eintritt in die Welt? Und es wär'
ſo ein ſchöner Brauch, einen ſtarken Einſchnitt in die
junge Seele zu machen an dieſem Wendepunkt!
Was hätt' ich drum gegeben, hätt' mir Einer zu der
Zeit eindringlich, aber einfach geſagt, wo das wahre
Glück zu ſuchen iſt! Und der unbekannte Gott, nun,
was den betrifft —“ Er brach ab, er wußte wohl
nicht weiter. Er gieng vorwärts, ohne eine Antwort
abzuwarten, ſtill vor ſich niederblickend wie ein Mann,
in welchem Gedanken gähren und langſam reifen.
Wer außer Gwalchmai ſeine Worte noch vernommen,
hatte er nicht bemerkt. Es war Alpin, zugleich
aber noch ein Anderer, von dem wir hören werden.
Jetzt kam mit einem Trupp Kamerädinnen Sigune
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/229>, abgerufen am 05.12.2024.
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