Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879.

Bild:
<< vorherige Seite

den Dolmen bildend, dunkle Gerüchte giengen um,
daß sie bei verwandten Völkern gegen Abend in ganzen
langen Doppelreihen, bis zu hunderten, ja zu tausenden
stehen. Einige meinten, sie seien zum Andenken tapferer
und verdienter Männer einst hergewälzt und gesetzt,
Andere bezweifelten das und riethen auf dunkle Reli¬
gionsgeheimnisse, die Meisten dachten gar nichts, Alle
aber betrachteten sie mit dunkler Scheu und Ehrfurcht.

Der Zug verweilt jetzt vor dem Pfeiler mit der
unförmlichen Molchgestalt; der Druide betrachtet dieß
Gebilde mit Schauder, macht mit beiden Händen eine
Geberde, die ein Abweisen, eine Scheue ausdrückt, be¬
schreibt hierauf mit dem Daumen eine Schlangenlinie
auf der Brust, verbeugt sich dann tief und auch diese
Bewegungen werden von sämmtlichen Theilnehmern
des Zuges nachgeahmt. Hierauf schwenkt derselbe links¬
um in der Richtung des Dolmen ab, auf ihn stellt
Urhixidur feierlich ihren großen Topf, sein Inhalt
muß hochbedeutend sein, wenn er an diesem Orte
ruhen darf; ihr gegenüber setzt der Greis, der im
Zuge neben ihr gieng, seinen Napf auf das andere
Ende des Steintischs, zieht das Holzhalfter aus dem
Gürtel und nimmt daraus einige dünne, kurze, spitze
weiße Beinchen, die er pünktlich nebeneinander auflegt.
Beide bleiben neben dem Altare stehen, die Kinder
stellen sich ihm gegenüber in einem Halbkreis auf und
inmitten des freien Raums ernst und feierlich der

den Dolmen bildend, dunkle Gerüchte giengen um,
daß ſie bei verwandten Völkern gegen Abend in ganzen
langen Doppelreihen, bis zu hunderten, ja zu tauſenden
ſtehen. Einige meinten, ſie ſeien zum Andenken tapferer
und verdienter Männer einſt hergewälzt und geſetzt,
Andere bezweifelten das und riethen auf dunkle Reli¬
gionsgeheimniſſe, die Meiſten dachten gar nichts, Alle
aber betrachteten ſie mit dunkler Scheu und Ehrfurcht.

Der Zug verweilt jetzt vor dem Pfeiler mit der
unförmlichen Molchgeſtalt; der Druide betrachtet dieß
Gebilde mit Schauder, macht mit beiden Händen eine
Geberde, die ein Abweiſen, eine Scheue ausdrückt, be¬
ſchreibt hierauf mit dem Daumen eine Schlangenlinie
auf der Bruſt, verbeugt ſich dann tief und auch dieſe
Bewegungen werden von ſämmtlichen Theilnehmern
des Zuges nachgeahmt. Hierauf ſchwenkt derſelbe links¬
um in der Richtung des Dolmen ab, auf ihn ſtellt
Urhixidur feierlich ihren großen Topf, ſein Inhalt
muß hochbedeutend ſein, wenn er an dieſem Orte
ruhen darf; ihr gegenüber ſetzt der Greis, der im
Zuge neben ihr gieng, ſeinen Napf auf das andere
Ende des Steintiſchs, zieht das Holzhalfter aus dem
Gürtel und nimmt daraus einige dünne, kurze, ſpitze
weiße Beinchen, die er pünktlich nebeneinander auflegt.
Beide bleiben neben dem Altare ſtehen, die Kinder
ſtellen ſich ihm gegenüber in einem Halbkreis auf und
inmitten des freien Raums ernſt und feierlich der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0213" n="200"/>
den Dolmen bildend, dunkle Gerüchte giengen um,<lb/>
daß &#x017F;ie bei verwandten Völkern gegen Abend in ganzen<lb/>
langen Doppelreihen, bis zu hunderten, ja zu tau&#x017F;enden<lb/>
&#x017F;tehen. Einige meinten, &#x017F;ie &#x017F;eien zum Andenken tapferer<lb/>
und verdienter Männer ein&#x017F;t hergewälzt und ge&#x017F;etzt,<lb/>
Andere bezweifelten das und riethen auf dunkle Reli¬<lb/>
gionsgeheimni&#x017F;&#x017F;e, die Mei&#x017F;ten dachten gar nichts, Alle<lb/>
aber betrachteten &#x017F;ie mit dunkler Scheu und Ehrfurcht.</p><lb/>
        <p>Der Zug verweilt jetzt vor dem Pfeiler mit der<lb/>
unförmlichen Molchge&#x017F;talt; der Druide betrachtet dieß<lb/>
Gebilde mit Schauder, macht mit beiden Händen eine<lb/>
Geberde, die ein Abwei&#x017F;en, eine Scheue ausdrückt, be¬<lb/>
&#x017F;chreibt hierauf mit dem Daumen eine Schlangenlinie<lb/>
auf der Bru&#x017F;t, verbeugt &#x017F;ich dann tief und auch die&#x017F;e<lb/>
Bewegungen werden von &#x017F;ämmtlichen Theilnehmern<lb/>
des Zuges nachgeahmt. Hierauf &#x017F;chwenkt der&#x017F;elbe links¬<lb/>
um in der Richtung des Dolmen ab, auf ihn &#x017F;tellt<lb/>
Urhixidur feierlich ihren großen Topf, &#x017F;ein Inhalt<lb/>
muß hochbedeutend &#x017F;ein, wenn er an die&#x017F;em Orte<lb/>
ruhen darf; ihr gegenüber &#x017F;etzt der Greis, der im<lb/>
Zuge neben ihr gieng, &#x017F;einen Napf auf das andere<lb/>
Ende des Steinti&#x017F;chs, zieht das Holzhalfter aus dem<lb/>
Gürtel und nimmt daraus einige dünne, kurze, &#x017F;pitze<lb/>
weiße Beinchen, die er pünktlich nebeneinander auflegt.<lb/>
Beide bleiben neben dem Altare &#x017F;tehen, die Kinder<lb/>
&#x017F;tellen &#x017F;ich ihm gegenüber in einem Halbkreis auf und<lb/>
inmitten des freien Raums ern&#x017F;t und feierlich der<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[200/0213] den Dolmen bildend, dunkle Gerüchte giengen um, daß ſie bei verwandten Völkern gegen Abend in ganzen langen Doppelreihen, bis zu hunderten, ja zu tauſenden ſtehen. Einige meinten, ſie ſeien zum Andenken tapferer und verdienter Männer einſt hergewälzt und geſetzt, Andere bezweifelten das und riethen auf dunkle Reli¬ gionsgeheimniſſe, die Meiſten dachten gar nichts, Alle aber betrachteten ſie mit dunkler Scheu und Ehrfurcht. Der Zug verweilt jetzt vor dem Pfeiler mit der unförmlichen Molchgeſtalt; der Druide betrachtet dieß Gebilde mit Schauder, macht mit beiden Händen eine Geberde, die ein Abweiſen, eine Scheue ausdrückt, be¬ ſchreibt hierauf mit dem Daumen eine Schlangenlinie auf der Bruſt, verbeugt ſich dann tief und auch dieſe Bewegungen werden von ſämmtlichen Theilnehmern des Zuges nachgeahmt. Hierauf ſchwenkt derſelbe links¬ um in der Richtung des Dolmen ab, auf ihn ſtellt Urhixidur feierlich ihren großen Topf, ſein Inhalt muß hochbedeutend ſein, wenn er an dieſem Orte ruhen darf; ihr gegenüber ſetzt der Greis, der im Zuge neben ihr gieng, ſeinen Napf auf das andere Ende des Steintiſchs, zieht das Holzhalfter aus dem Gürtel und nimmt daraus einige dünne, kurze, ſpitze weiße Beinchen, die er pünktlich nebeneinander auflegt. Beide bleiben neben dem Altare ſtehen, die Kinder ſtellen ſich ihm gegenüber in einem Halbkreis auf und inmitten des freien Raums ernſt und feierlich der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/213
Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/213>, abgerufen am 05.12.2024.