Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879.

Bild:
<< vorherige Seite

Reden waren gerade nicht sehr nach seinem Geschmack,
ohne daß er sich übrigens darüber empört fühlte; er
liebte sich eben eine gewisse Ruhe und Stille, daher
gefiel ihm die Gesinnung Massikomur's, und da seine
Worte sichtbar wirkten, so wagte er sich in der Pause, die
entstanden war, seinerseits mit einem Vorschlag heraus.

"Ich meine," sagte er, "wir könnten bei der Ge¬
legenheit auch einen Filea, natürlich auch einen Meister,
einen Pencerdd, bitten, daß er uns zum Fest ein recht
schönes Lied dichte. Ich kenne einen aus der edlen
Sängerzunft der Barden, er heißt Guffrud Kullur, ist
erfahren in allen Weisen der Dichtkunst und Musik,
er baut gar so schöne Lieder, die schönsten Reimge¬
setzel und singt sie mit Cwlwm und Mwchwl, daß es
eine Pracht ist!" Seine Zuhörer wußten besser, als
unsere Leser, daß die zwei niedlichen Wörter musika¬
lische Sätze und Weisen bedeuteten; Alpin fuhr fort:
"Die Mädel hier singen auch gar so ein schönes Lied
von ihm; ihr müßt's schon gehört haben." Es machte
ihm kein Beschwer, zu wissen, daß die Zuhörer gleich
auf Sigunen rathen mußten, denn Keine sang so schön.
Er war verschämt mit seiner Liebe und doch auch stolz
darauf; wir sind ja, wie sich der Leser erinnert, um
einige Wochen zurückgegangen, es stand noch harmloser
zwischen den Beiden. Alpin hörte denn nicht ungern,
daß Massikomur sagte: "Ja, Sigune singt so etwas
gar Schönes, hab's öfter gehört; ist das von dem

Reden waren gerade nicht ſehr nach ſeinem Geſchmack,
ohne daß er ſich übrigens darüber empört fühlte; er
liebte ſich eben eine gewiſſe Ruhe und Stille, daher
gefiel ihm die Geſinnung Maſſikomur's, und da ſeine
Worte ſichtbar wirkten, ſo wagte er ſich in der Pauſe, die
entſtanden war, ſeinerſeits mit einem Vorſchlag heraus.

„Ich meine,“ ſagte er, „wir könnten bei der Ge¬
legenheit auch einen Filea, natürlich auch einen Meiſter,
einen Pencerdd, bitten, daß er uns zum Feſt ein recht
ſchönes Lied dichte. Ich kenne einen aus der edlen
Sängerzunft der Barden, er heißt Guffrud Kullur, iſt
erfahren in allen Weiſen der Dichtkunſt und Muſik,
er baut gar ſo ſchöne Lieder, die ſchönſten Reimge¬
ſetzel und ſingt ſie mit Cwlwm und Mwchwl, daß es
eine Pracht iſt!“ Seine Zuhörer wußten beſſer, als
unſere Leſer, daß die zwei niedlichen Wörter muſika¬
liſche Sätze und Weiſen bedeuteten; Alpin fuhr fort:
„Die Mädel hier ſingen auch gar ſo ein ſchönes Lied
von ihm; ihr müßt's ſchon gehört haben.“ Es machte
ihm kein Beſchwer, zu wiſſen, daß die Zuhörer gleich
auf Sigunen rathen mußten, denn Keine ſang ſo ſchön.
Er war verſchämt mit ſeiner Liebe und doch auch ſtolz
darauf; wir ſind ja, wie ſich der Leſer erinnert, um
einige Wochen zurückgegangen, es ſtand noch harmloſer
zwiſchen den Beiden. Alpin hörte denn nicht ungern,
daß Maſſikomur ſagte: „Ja, Sigune ſingt ſo etwas
gar Schönes, hab's öfter gehört; iſt das von dem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0196" n="183"/>
Reden waren gerade nicht &#x017F;ehr nach &#x017F;einem Ge&#x017F;chmack,<lb/>
ohne daß er &#x017F;ich übrigens darüber empört fühlte; er<lb/>
liebte &#x017F;ich eben eine gewi&#x017F;&#x017F;e Ruhe und Stille, daher<lb/>
gefiel ihm die Ge&#x017F;innung Ma&#x017F;&#x017F;ikomur's, und da &#x017F;eine<lb/>
Worte &#x017F;ichtbar wirkten, &#x017F;o wagte er &#x017F;ich in der Pau&#x017F;e, die<lb/>
ent&#x017F;tanden war, &#x017F;einer&#x017F;eits mit einem Vor&#x017F;chlag heraus.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich meine,&#x201C; &#x017F;agte er, &#x201E;wir könnten bei der Ge¬<lb/>
legenheit auch einen Filea, natürlich auch einen Mei&#x017F;ter,<lb/>
einen Pencerdd, bitten, daß er uns zum Fe&#x017F;t ein recht<lb/>
&#x017F;chönes Lied dichte. Ich kenne einen aus der edlen<lb/>
Sängerzunft der Barden, er heißt Guffrud Kullur, i&#x017F;t<lb/>
erfahren in allen Wei&#x017F;en der Dichtkun&#x017F;t und Mu&#x017F;ik,<lb/>
er baut gar &#x017F;o &#x017F;chöne Lieder, die &#x017F;chön&#x017F;ten Reimge¬<lb/>
&#x017F;etzel und &#x017F;ingt &#x017F;ie mit Cwlwm und Mwchwl, daß es<lb/>
eine Pracht i&#x017F;t!&#x201C; Seine Zuhörer wußten be&#x017F;&#x017F;er, als<lb/>
un&#x017F;ere Le&#x017F;er, daß die zwei niedlichen Wörter mu&#x017F;ika¬<lb/>
li&#x017F;che Sätze und Wei&#x017F;en bedeuteten; Alpin fuhr fort:<lb/>
&#x201E;Die Mädel hier &#x017F;ingen auch gar &#x017F;o ein &#x017F;chönes Lied<lb/>
von ihm; ihr müßt's &#x017F;chon gehört haben.&#x201C; Es machte<lb/>
ihm kein Be&#x017F;chwer, zu wi&#x017F;&#x017F;en, daß die Zuhörer gleich<lb/>
auf Sigunen rathen mußten, denn Keine &#x017F;ang &#x017F;o &#x017F;chön.<lb/>
Er war ver&#x017F;chämt mit &#x017F;einer Liebe und doch auch &#x017F;tolz<lb/>
darauf; wir &#x017F;ind ja, wie &#x017F;ich der Le&#x017F;er erinnert, um<lb/>
einige Wochen zurückgegangen, es &#x017F;tand noch harmlo&#x017F;er<lb/>
zwi&#x017F;chen den Beiden. Alpin hörte denn nicht ungern,<lb/>
daß Ma&#x017F;&#x017F;ikomur &#x017F;agte: &#x201E;Ja, Sigune &#x017F;ingt &#x017F;o etwas<lb/>
gar Schönes, hab's öfter gehört; i&#x017F;t das von dem<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[183/0196] Reden waren gerade nicht ſehr nach ſeinem Geſchmack, ohne daß er ſich übrigens darüber empört fühlte; er liebte ſich eben eine gewiſſe Ruhe und Stille, daher gefiel ihm die Geſinnung Maſſikomur's, und da ſeine Worte ſichtbar wirkten, ſo wagte er ſich in der Pauſe, die entſtanden war, ſeinerſeits mit einem Vorſchlag heraus. „Ich meine,“ ſagte er, „wir könnten bei der Ge¬ legenheit auch einen Filea, natürlich auch einen Meiſter, einen Pencerdd, bitten, daß er uns zum Feſt ein recht ſchönes Lied dichte. Ich kenne einen aus der edlen Sängerzunft der Barden, er heißt Guffrud Kullur, iſt erfahren in allen Weiſen der Dichtkunſt und Muſik, er baut gar ſo ſchöne Lieder, die ſchönſten Reimge¬ ſetzel und ſingt ſie mit Cwlwm und Mwchwl, daß es eine Pracht iſt!“ Seine Zuhörer wußten beſſer, als unſere Leſer, daß die zwei niedlichen Wörter muſika¬ liſche Sätze und Weiſen bedeuteten; Alpin fuhr fort: „Die Mädel hier ſingen auch gar ſo ein ſchönes Lied von ihm; ihr müßt's ſchon gehört haben.“ Es machte ihm kein Beſchwer, zu wiſſen, daß die Zuhörer gleich auf Sigunen rathen mußten, denn Keine ſang ſo ſchön. Er war verſchämt mit ſeiner Liebe und doch auch ſtolz darauf; wir ſind ja, wie ſich der Leſer erinnert, um einige Wochen zurückgegangen, es ſtand noch harmloſer zwiſchen den Beiden. Alpin hörte denn nicht ungern, daß Maſſikomur ſagte: „Ja, Sigune ſingt ſo etwas gar Schönes, hab's öfter gehört; iſt das von dem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/196
Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/196>, abgerufen am 05.12.2024.