und gieng zurück, anfangs langsam, dann schneller, dann ward der Gang ein Laufen, endlich ein keuchen¬ des Jagen, so kam er an bei Odgals Hütte und stand an demselben Fenster, durch das er gestern Si¬ gunen belauscht, geneckt, herzlich begrüßt hatte.
Was mußte er sehen! Arthur saß neben Sigunen, den Arm um ihren Nacken und sah mit glänzenden Augen zu, wie sie einen blinkenden Gegenstand in der Hand wiegte. Es war eine Halsschnur, wie er sie noch nie gesehen; ein zartes Geflechte von gewundenen Erzfäden wechselte mit Kugeln fein gegliederter und verzierter Gestalt von demselben Metall und von Stelle zu Stelle mit ebensolchen Formen aus durchsichtigem Bernstein. Entzückt betrachtete sie den wunderneuen Schmuck und ließ seinen Glanz in der Morgensonne spielen. Und was dem Armen noch einen rechten Stich in's Herz geben mußte: daneben auf dem Tisch lag unbeachtet das Werk seines Fleißes, seines Schweißes, die Halskette aus Bergkrystall. Zugleich bemerkte er, daß der Geber des Geschenks einen ähnlichen Schmuck selbst trug; zwar einfacher: ein Erzgeflechte ohne Zu¬ that, doch vornehm und prächtig schimmernd auf der bräunlichen Haut des schlank geschwungenen Halses. Es war allgemeine Sitte der Männer, einen Halsring zu tragen, aber um den Hals Alpin's zog sich nur ein Reif aus geschlungenen gelben Wollfäden: ein Schmuck, der ihm jetzt gar trocken und ärmlich vor¬
und gieng zurück, anfangs langſam, dann ſchneller, dann ward der Gang ein Laufen, endlich ein keuchen¬ des Jagen, ſo kam er an bei Odgals Hütte und ſtand an demſelben Fenſter, durch das er geſtern Si¬ gunen belauſcht, geneckt, herzlich begrüßt hatte.
Was mußte er ſehen! Arthur ſaß neben Sigunen, den Arm um ihren Nacken und ſah mit glänzenden Augen zu, wie ſie einen blinkenden Gegenſtand in der Hand wiegte. Es war eine Halsſchnur, wie er ſie noch nie geſehen; ein zartes Geflechte von gewundenen Erzfäden wechſelte mit Kugeln fein gegliederter und verzierter Geſtalt von demſelben Metall und von Stelle zu Stelle mit ebenſolchen Formen aus durchſichtigem Bernſtein. Entzückt betrachtete ſie den wunderneuen Schmuck und ließ ſeinen Glanz in der Morgenſonne ſpielen. Und was dem Armen noch einen rechten Stich in's Herz geben mußte: daneben auf dem Tiſch lag unbeachtet das Werk ſeines Fleißes, ſeines Schweißes, die Halskette aus Bergkryſtall. Zugleich bemerkte er, daß der Geber des Geſchenks einen ähnlichen Schmuck ſelbſt trug; zwar einfacher: ein Erzgeflechte ohne Zu¬ that, doch vornehm und prächtig ſchimmernd auf der bräunlichen Haut des ſchlank geſchwungenen Halſes. Es war allgemeine Sitte der Männer, einen Halsring zu tragen, aber um den Hals Alpin's zog ſich nur ein Reif aus geſchlungenen gelben Wollfäden: ein Schmuck, der ihm jetzt gar trocken und ärmlich vor¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0180"n="167"/>
und gieng zurück, anfangs langſam, dann ſchneller,<lb/>
dann ward der Gang ein Laufen, endlich ein keuchen¬<lb/>
des Jagen, ſo kam er an bei Odgals Hütte und<lb/>ſtand an demſelben Fenſter, durch das er geſtern Si¬<lb/>
gunen belauſcht, geneckt, herzlich begrüßt hatte.</p><lb/><p>Was mußte er ſehen! Arthur ſaß neben Sigunen,<lb/>
den Arm um ihren Nacken und ſah mit glänzenden<lb/>
Augen zu, wie ſie einen blinkenden Gegenſtand in der<lb/>
Hand wiegte. Es war eine Halsſchnur, wie er ſie<lb/>
noch nie geſehen; ein zartes Geflechte von gewundenen<lb/>
Erzfäden wechſelte mit Kugeln fein gegliederter und<lb/>
verzierter Geſtalt von demſelben Metall und von Stelle<lb/>
zu Stelle mit ebenſolchen Formen aus durchſichtigem<lb/>
Bernſtein. Entzückt betrachtete ſie den wunderneuen<lb/>
Schmuck und ließ ſeinen Glanz in der Morgenſonne<lb/>ſpielen. Und was dem Armen noch einen rechten<lb/>
Stich in's Herz geben mußte: daneben auf dem Tiſch<lb/>
lag unbeachtet das Werk ſeines Fleißes, ſeines Schweißes,<lb/>
die Halskette aus Bergkryſtall. Zugleich bemerkte er,<lb/>
daß der Geber des Geſchenks einen ähnlichen Schmuck<lb/>ſelbſt trug; zwar einfacher: ein Erzgeflechte ohne Zu¬<lb/>
that, doch vornehm und prächtig ſchimmernd auf der<lb/>
bräunlichen Haut des ſchlank geſchwungenen Halſes.<lb/>
Es war allgemeine Sitte der Männer, einen Halsring<lb/>
zu tragen, aber um den Hals Alpin's zog ſich nur<lb/>
ein Reif aus geſchlungenen gelben Wollfäden: ein<lb/>
Schmuck, der ihm jetzt gar trocken und ärmlich vor¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[167/0180]
und gieng zurück, anfangs langſam, dann ſchneller,
dann ward der Gang ein Laufen, endlich ein keuchen¬
des Jagen, ſo kam er an bei Odgals Hütte und
ſtand an demſelben Fenſter, durch das er geſtern Si¬
gunen belauſcht, geneckt, herzlich begrüßt hatte.
Was mußte er ſehen! Arthur ſaß neben Sigunen,
den Arm um ihren Nacken und ſah mit glänzenden
Augen zu, wie ſie einen blinkenden Gegenſtand in der
Hand wiegte. Es war eine Halsſchnur, wie er ſie
noch nie geſehen; ein zartes Geflechte von gewundenen
Erzfäden wechſelte mit Kugeln fein gegliederter und
verzierter Geſtalt von demſelben Metall und von Stelle
zu Stelle mit ebenſolchen Formen aus durchſichtigem
Bernſtein. Entzückt betrachtete ſie den wunderneuen
Schmuck und ließ ſeinen Glanz in der Morgenſonne
ſpielen. Und was dem Armen noch einen rechten
Stich in's Herz geben mußte: daneben auf dem Tiſch
lag unbeachtet das Werk ſeines Fleißes, ſeines Schweißes,
die Halskette aus Bergkryſtall. Zugleich bemerkte er,
daß der Geber des Geſchenks einen ähnlichen Schmuck
ſelbſt trug; zwar einfacher: ein Erzgeflechte ohne Zu¬
that, doch vornehm und prächtig ſchimmernd auf der
bräunlichen Haut des ſchlank geſchwungenen Halſes.
Es war allgemeine Sitte der Männer, einen Halsring
zu tragen, aber um den Hals Alpin's zog ſich nur
ein Reif aus geſchlungenen gelben Wollfäden: ein
Schmuck, der ihm jetzt gar trocken und ärmlich vor¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/180>, abgerufen am 05.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.