Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879.

Bild:
<< vorherige Seite

einzuführen, stand auf, nahm seine hohe, spitze Pelz¬
mütze vom Ende eines Hirschgeweihs, das, zum Zweck
eines Aufhängegeräths sehr bequem zugerichtet, an der
Wand angebracht war, setzte sie auf und gab sich eine
Positur, wie sie seinem dreifachen, ja vierfachen
Amte entsprach. Denn er vereinigte in seiner Person
den Priester, Polizeibeamten, Richter und dazu den
Schatzmeister des aus den Abgaben schön sich mehren¬
den Kirchenguts, das in viel Vorrath an Getreide,
Fellen, Wolle und ansehnlicher Rinderzahl bestand.
Der Wächter führte jetzt Arthur herein, dieser stellte
sich schweigend vor dem Druiden auf in geneigter
Haltung und die Hände über der Brust kreuzend, denn
dieß war die Begrüßungsform, wie die Würde des
Seelenhirten sie forderte. Der ernste Beamte ließ
sich nun vom Wächter Bericht erstatten, die nie ge¬
sehenen Waffen näher vorzeigen und eröffnete dann
das Verhör mit einem Hustenanfall. Es war etwas
in dieser Aktion, wodurch sie sich fühlbar von einem
bloßen Naturereigniß unterschied; es war Takt und
Tempo, es war Rhythmus, es war etwas Feierliches,
Erhabenes darin. Arthur kannte das und verharrte
in seiner ehrerbietigen Stellung. "Woher, o Fremd¬
ling?" begann nach dieser musikalischen Einleitung
der Druide. -- "Vom See Nuburik" (-- er meint
den See, den wir jetzt den Neuenburger nennen).
-- "Was willst du hier bei uns?" -- "Den Bürger

einzuführen, ſtand auf, nahm ſeine hohe, ſpitze Pelz¬
mütze vom Ende eines Hirſchgeweihs, das, zum Zweck
eines Aufhängegeräths ſehr bequem zugerichtet, an der
Wand angebracht war, ſetzte ſie auf und gab ſich eine
Poſitur, wie ſie ſeinem dreifachen, ja vierfachen
Amte entſprach. Denn er vereinigte in ſeiner Perſon
den Prieſter, Polizeibeamten, Richter und dazu den
Schatzmeiſter des aus den Abgaben ſchön ſich mehren¬
den Kirchenguts, das in viel Vorrath an Getreide,
Fellen, Wolle und anſehnlicher Rinderzahl beſtand.
Der Wächter führte jetzt Arthur herein, dieſer ſtellte
ſich ſchweigend vor dem Druiden auf in geneigter
Haltung und die Hände über der Bruſt kreuzend, denn
dieß war die Begrüßungsform, wie die Würde des
Seelenhirten ſie forderte. Der ernſte Beamte ließ
ſich nun vom Wächter Bericht erſtatten, die nie ge¬
ſehenen Waffen näher vorzeigen und eröffnete dann
das Verhör mit einem Huſtenanfall. Es war etwas
in dieſer Aktion, wodurch ſie ſich fühlbar von einem
bloßen Naturereigniß unterſchied; es war Takt und
Tempo, es war Rhythmus, es war etwas Feierliches,
Erhabenes darin. Arthur kannte das und verharrte
in ſeiner ehrerbietigen Stellung. „Woher, o Fremd¬
ling?“ begann nach dieſer muſikaliſchen Einleitung
der Druide. — „Vom See Nuburik“ (— er meint
den See, den wir jetzt den Neuenburger nennen).
— „Was willſt du hier bei uns?“ — „Den Bürger

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0172" n="159"/>
einzuführen, &#x017F;tand auf, nahm &#x017F;eine hohe, &#x017F;pitze Pelz¬<lb/>
mütze vom Ende eines Hir&#x017F;chgeweihs, das, zum Zweck<lb/>
eines Aufhängegeräths &#x017F;ehr bequem zugerichtet, an der<lb/>
Wand angebracht war, &#x017F;etzte &#x017F;ie auf und gab &#x017F;ich eine<lb/>
Po&#x017F;itur, wie &#x017F;ie &#x017F;einem dreifachen, ja vierfachen<lb/>
Amte ent&#x017F;prach. Denn er vereinigte in &#x017F;einer Per&#x017F;on<lb/>
den Prie&#x017F;ter, Polizeibeamten, Richter und dazu den<lb/>
Schatzmei&#x017F;ter des aus den Abgaben &#x017F;chön &#x017F;ich mehren¬<lb/>
den Kirchenguts, das in viel Vorrath an Getreide,<lb/>
Fellen, Wolle und an&#x017F;ehnlicher Rinderzahl be&#x017F;tand.<lb/>
Der Wächter führte jetzt Arthur herein, die&#x017F;er &#x017F;tellte<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;chweigend vor dem Druiden auf in geneigter<lb/>
Haltung und die Hände über der Bru&#x017F;t kreuzend, denn<lb/>
dieß war die Begrüßungsform, wie die Würde des<lb/>
Seelenhirten &#x017F;ie forderte. Der ern&#x017F;te Beamte ließ<lb/>
&#x017F;ich nun vom Wächter Bericht er&#x017F;tatten, die nie ge¬<lb/>
&#x017F;ehenen Waffen näher vorzeigen und eröffnete dann<lb/>
das Verhör mit einem Hu&#x017F;tenanfall. Es war etwas<lb/>
in die&#x017F;er Aktion, wodurch &#x017F;ie &#x017F;ich fühlbar von einem<lb/>
bloßen Naturereigniß unter&#x017F;chied; es war Takt und<lb/>
Tempo, es war Rhythmus, es war etwas Feierliches,<lb/>
Erhabenes darin. Arthur kannte das und verharrte<lb/>
in &#x017F;einer ehrerbietigen Stellung. &#x201E;Woher, o Fremd¬<lb/>
ling?&#x201C; begann nach die&#x017F;er mu&#x017F;ikali&#x017F;chen Einleitung<lb/>
der Druide. &#x2014; &#x201E;Vom See Nuburik&#x201C; (&#x2014; er meint<lb/>
den See, den wir jetzt den Neuenburger nennen).<lb/>
&#x2014; &#x201E;Was will&#x017F;t du hier bei uns?&#x201C; &#x2014; &#x201E;Den Bürger<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[159/0172] einzuführen, ſtand auf, nahm ſeine hohe, ſpitze Pelz¬ mütze vom Ende eines Hirſchgeweihs, das, zum Zweck eines Aufhängegeräths ſehr bequem zugerichtet, an der Wand angebracht war, ſetzte ſie auf und gab ſich eine Poſitur, wie ſie ſeinem dreifachen, ja vierfachen Amte entſprach. Denn er vereinigte in ſeiner Perſon den Prieſter, Polizeibeamten, Richter und dazu den Schatzmeiſter des aus den Abgaben ſchön ſich mehren¬ den Kirchenguts, das in viel Vorrath an Getreide, Fellen, Wolle und anſehnlicher Rinderzahl beſtand. Der Wächter führte jetzt Arthur herein, dieſer ſtellte ſich ſchweigend vor dem Druiden auf in geneigter Haltung und die Hände über der Bruſt kreuzend, denn dieß war die Begrüßungsform, wie die Würde des Seelenhirten ſie forderte. Der ernſte Beamte ließ ſich nun vom Wächter Bericht erſtatten, die nie ge¬ ſehenen Waffen näher vorzeigen und eröffnete dann das Verhör mit einem Huſtenanfall. Es war etwas in dieſer Aktion, wodurch ſie ſich fühlbar von einem bloßen Naturereigniß unterſchied; es war Takt und Tempo, es war Rhythmus, es war etwas Feierliches, Erhabenes darin. Arthur kannte das und verharrte in ſeiner ehrerbietigen Stellung. „Woher, o Fremd¬ ling?“ begann nach dieſer muſikaliſchen Einleitung der Druide. — „Vom See Nuburik“ (— er meint den See, den wir jetzt den Neuenburger nennen). — „Was willſt du hier bei uns?“ — „Den Bürger

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/172
Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/172>, abgerufen am 05.12.2024.