Fleisch war hart, wie man es dort zu Lande liebt, aber A. E. arbeitete mit guten Kieferwaffen munter zu und half kräftig mit dem feurigen Veltliner nach, der uns gar wohl that nach unserem Abenteuer. Ich durfte ihn nicht stören in seinen Tischreden und hörte denn geduldig weiter.
Er bewegte sich durch das Gebiet der verschiede¬ nen Künste. Zunächst kam die Poesie daran und zwar das Drama, die Tragödie. Schiller's Tell fiel ihm wieder ein und er sagte: "Wollen Sie dagegen eine wahre Tragödie, das heißt eine solche, die den Kon¬ flikt der Konflikte, den des Menschen mit den Geistern, behandelt? Eine Tragödie, die aus der Menschenge¬ schichte den wahren Inhalt destillirt hat? Eine Tra¬ gödie, aus der wir die echte Lehre vom Mitgefühl mit dem armen Sterblichen entnehmen, die echte Hu¬ manität schöpfen sollen? Eine Tragödie, deren wahre Bedeutung doch bis heute noch gröblich verkannt ist? Ich kenne, darf ich sagen, die ganze Literatur über Shake¬ speare's Othello. Nirgends auch die blasse Spur von Ahnung der eigentlichen Intention des tiefsinnigen Dichters, zu deren Verständniß er uns doch einen so deutlichen Wink gegeben hat! Was sagt denn Othello im vierten Auftritt des dritten Akts zu Desdemona? ,Ich fühle Schmerz an meiner Stirne hier' und wie erläutert er dieß deutlicher im vierten? ,Mich plagt ein widerwärt'ger böser Schnupfen.' Beiher ist hier
Fleiſch war hart, wie man es dort zu Lande liebt, aber A. E. arbeitete mit guten Kieferwaffen munter zu und half kräftig mit dem feurigen Veltliner nach, der uns gar wohl that nach unſerem Abenteuer. Ich durfte ihn nicht ſtören in ſeinen Tiſchreden und hörte denn geduldig weiter.
Er bewegte ſich durch das Gebiet der verſchiede¬ nen Künſte. Zunächſt kam die Poeſie daran und zwar das Drama, die Tragödie. Schiller's Tell fiel ihm wieder ein und er ſagte: „Wollen Sie dagegen eine wahre Tragödie, das heißt eine ſolche, die den Kon¬ flikt der Konflikte, den des Menſchen mit den Geiſtern, behandelt? Eine Tragödie, die aus der Menſchenge¬ ſchichte den wahren Inhalt deſtillirt hat? Eine Tra¬ gödie, aus der wir die echte Lehre vom Mitgefühl mit dem armen Sterblichen entnehmen, die echte Hu¬ manität ſchöpfen ſollen? Eine Tragödie, deren wahre Bedeutung doch bis heute noch gröblich verkannt iſt? Ich kenne, darf ich ſagen, die ganze Literatur über Shake¬ ſpeare's Othello. Nirgends auch die blaſſe Spur von Ahnung der eigentlichen Intention des tiefſinnigen Dichters, zu deren Verſtändniß er uns doch einen ſo deutlichen Wink gegeben hat! Was ſagt denn Othello im vierten Auftritt des dritten Akts zu Desdemona? ‚Ich fühle Schmerz an meiner Stirne hier' und wie erläutert er dieß deutlicher im vierten? ‚Mich plagt ein widerwärt'ger böſer Schnupfen.‘ Beiher iſt hier
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Fleiſch war hart, wie man es dort zu Lande liebt, aber
A. E. arbeitete mit guten Kieferwaffen munter zu
und half kräftig mit dem feurigen Veltliner nach, der
uns gar wohl that nach unſerem Abenteuer. Ich
durfte ihn nicht ſtören in ſeinen Tiſchreden und hörte
denn geduldig weiter.
Er bewegte ſich durch das Gebiet der verſchiede¬
nen Künſte. Zunächſt kam die Poeſie daran und zwar
das Drama, die Tragödie. Schiller's Tell fiel ihm
wieder ein und er ſagte: „Wollen Sie dagegen eine
wahre Tragödie, das heißt eine ſolche, die den Kon¬
flikt der Konflikte, den des Menſchen mit den Geiſtern,
behandelt? Eine Tragödie, die aus der Menſchenge¬
ſchichte den wahren Inhalt deſtillirt hat? Eine Tra¬
gödie, aus der wir die echte Lehre vom Mitgefühl
mit dem armen Sterblichen entnehmen, die echte Hu¬
manität ſchöpfen ſollen? Eine Tragödie, deren wahre
Bedeutung doch bis heute noch gröblich verkannt iſt? Ich
kenne, darf ich ſagen, die ganze Literatur über Shake¬
ſpeare's Othello. Nirgends auch die blaſſe Spur von
Ahnung der eigentlichen Intention des tiefſinnigen
Dichters, zu deren Verſtändniß er uns doch einen ſo
deutlichen Wink gegeben hat! Was ſagt denn Othello
im vierten Auftritt des dritten Akts zu Desdemona?
‚Ich fühle Schmerz an meiner Stirne hier' und wie
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/109>, abgerufen am 05.12.2024.
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