vielleicht erleben wir's, geben Sie Acht, -- und nun nichts mehr zu sehnen ist, so werden sie frivol werden, die Hände reiben und sagen: unsere Heere haben's ja besorgt, seien wir jetzt recht gemeine Genuß- und Geldhunde mit ausgestreckter Zunge --"
Ich erschrack, wollte es nicht glauben, und erschrack doch.
Und an dieser Stelle angelangt, erlaube mir der Leser eine kurze Unterbrechung. Seit es nach und nach kam, wie es nun gekommen, seit Unehrlichkeit, Betrug, Fäl¬ schung, Fäulniß so mancher Art tiefer und tiefer in das Blut unserer Nation sich einfrißt, muß ich täglich dieser Prophetenworte gedenken. Ja ich bekenne, vielleicht hätte ich trotz meinem Vorsatz es doch unterlassen, den unbe¬ quemen Sonderling zu schildern, wenn nicht diese Weis¬ sagung zu melden wäre, die so leidig eingetroffen ist.
A. E. legte mir, den er sehr nachdenklich sah, jetzt die Hand auf den Arm und sagte: "Nehmen wir's auch nicht zu schwer; eine anständige Minorität wird bleiben, eine Nation kann so was überdauern; es be¬ darf dann ein großes Unglück und das wird kommen in einem neuen Krieg, dann werden wir uns aufraffen müssen, die letzte Faser daran setzen und dann wird's wieder besser und recht werden."
Ob auch dieß in Erfüllung gehen wird?
A. E. wurde, als dieser schwer lastende Ernst heraus war, wirklich munter, er gerieth, redselig auf¬
vielleicht erleben wir's, geben Sie Acht, — und nun nichts mehr zu ſehnen iſt, ſo werden ſie frivol werden, die Hände reiben und ſagen: unſere Heere haben's ja beſorgt, ſeien wir jetzt recht gemeine Genuß- und Geldhunde mit ausgeſtreckter Zunge —“
Ich erſchrack, wollte es nicht glauben, und erſchrack doch.
Und an dieſer Stelle angelangt, erlaube mir der Leſer eine kurze Unterbrechung. Seit es nach und nach kam, wie es nun gekommen, ſeit Unehrlichkeit, Betrug, Fäl¬ ſchung, Fäulniß ſo mancher Art tiefer und tiefer in das Blut unſerer Nation ſich einfrißt, muß ich täglich dieſer Prophetenworte gedenken. Ja ich bekenne, vielleicht hätte ich trotz meinem Vorſatz es doch unterlaſſen, den unbe¬ quemen Sonderling zu ſchildern, wenn nicht dieſe Weiſ¬ ſagung zu melden wäre, die ſo leidig eingetroffen iſt.
A. E. legte mir, den er ſehr nachdenklich ſah, jetzt die Hand auf den Arm und ſagte: „Nehmen wir's auch nicht zu ſchwer; eine anſtändige Minorität wird bleiben, eine Nation kann ſo was überdauern; es be¬ darf dann ein großes Unglück und das wird kommen in einem neuen Krieg, dann werden wir uns aufraffen müſſen, die letzte Faſer daran ſetzen und dann wird's wieder beſſer und recht werden.“
Ob auch dieß in Erfüllung gehen wird?
A. E. wurde, als dieſer ſchwer laſtende Ernſt heraus war, wirklich munter, er gerieth, redſelig auf¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0101"n="88"/>
vielleicht erleben wir's, geben Sie Acht, — und nun<lb/>
nichts mehr zu ſehnen iſt, ſo werden ſie frivol werden,<lb/>
die Hände reiben und ſagen: unſere Heere haben's<lb/>
ja beſorgt, ſeien wir jetzt recht gemeine Genuß- und<lb/>
Geldhunde mit ausgeſtreckter Zunge —“</p><lb/><p>Ich erſchrack, wollte es nicht glauben, und erſchrack<lb/>
doch.</p><lb/><p>Und an dieſer Stelle angelangt, erlaube mir der<lb/>
Leſer eine kurze Unterbrechung. Seit es nach und nach kam,<lb/>
wie es nun gekommen, ſeit Unehrlichkeit, Betrug, Fäl¬<lb/>ſchung, Fäulniß ſo mancher Art tiefer und tiefer in das<lb/>
Blut unſerer Nation ſich einfrißt, muß ich täglich dieſer<lb/>
Prophetenworte gedenken. Ja ich bekenne, vielleicht hätte<lb/>
ich trotz meinem Vorſatz es doch unterlaſſen, den unbe¬<lb/>
quemen Sonderling zu ſchildern, wenn nicht dieſe Weiſ¬<lb/>ſagung zu melden wäre, die ſo leidig eingetroffen iſt.</p><lb/><p>A. E. legte mir, den er ſehr nachdenklich ſah, jetzt<lb/>
die Hand auf den Arm und ſagte: „Nehmen wir's<lb/>
auch nicht zu ſchwer; eine anſtändige Minorität wird<lb/>
bleiben, eine Nation kann ſo was überdauern; es be¬<lb/>
darf dann ein großes Unglück und das wird kommen<lb/>
in einem neuen Krieg, dann werden wir uns aufraffen<lb/>
müſſen, die letzte Faſer daran ſetzen und dann wird's<lb/>
wieder beſſer und recht werden.“</p><lb/><p>Ob auch dieß in Erfüllung gehen wird?</p><lb/><p>A. E. wurde, als dieſer ſchwer laſtende Ernſt<lb/>
heraus war, wirklich munter, er gerieth, redſelig auf¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[88/0101]
vielleicht erleben wir's, geben Sie Acht, — und nun
nichts mehr zu ſehnen iſt, ſo werden ſie frivol werden,
die Hände reiben und ſagen: unſere Heere haben's
ja beſorgt, ſeien wir jetzt recht gemeine Genuß- und
Geldhunde mit ausgeſtreckter Zunge —“
Ich erſchrack, wollte es nicht glauben, und erſchrack
doch.
Und an dieſer Stelle angelangt, erlaube mir der
Leſer eine kurze Unterbrechung. Seit es nach und nach kam,
wie es nun gekommen, ſeit Unehrlichkeit, Betrug, Fäl¬
ſchung, Fäulniß ſo mancher Art tiefer und tiefer in das
Blut unſerer Nation ſich einfrißt, muß ich täglich dieſer
Prophetenworte gedenken. Ja ich bekenne, vielleicht hätte
ich trotz meinem Vorſatz es doch unterlaſſen, den unbe¬
quemen Sonderling zu ſchildern, wenn nicht dieſe Weiſ¬
ſagung zu melden wäre, die ſo leidig eingetroffen iſt.
A. E. legte mir, den er ſehr nachdenklich ſah, jetzt
die Hand auf den Arm und ſagte: „Nehmen wir's
auch nicht zu ſchwer; eine anſtändige Minorität wird
bleiben, eine Nation kann ſo was überdauern; es be¬
darf dann ein großes Unglück und das wird kommen
in einem neuen Krieg, dann werden wir uns aufraffen
müſſen, die letzte Faſer daran ſetzen und dann wird's
wieder beſſer und recht werden.“
Ob auch dieß in Erfüllung gehen wird?
A. E. wurde, als dieſer ſchwer laſtende Ernſt
heraus war, wirklich munter, er gerieth, redſelig auf¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/101>, abgerufen am 05.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.