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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,5. Stuttgart, 1857.

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züglich auf das Epitheton. Im indirecten Verfahren, noch abgesehen von
der Herbeiziehung eines Subjects aus anderer Sphäre, vertauscht sie die Be-
griffsmomente in verschiedener Weise, selbst in derjenigen, daß sie das Abstracte
für das Concrete setzt, jedoch so, daß sie hier zur Verwandlung des Begriffs
in eine Person übergeht; alle Mittel der Veranschaulichung drängen als beseelend
wesentlich zur Personification hin.

1. Der vorh. §. hat zu der hier aufgestellten Unterscheidung bereits den
Grund gelegt. Es versteht sich jedoch, daß sie nur relativ ist: die bildlichen
Mittel stellen der Phantasie ein Objectives gegenüber, sie fließen aber natürlich
auch aus erhöhter Stimmung und erregen solche, und umgekehrt, die bele-
bende Stimmung fördert natürlich auch die Kraft der innern Anschauung.
Tropen und Figuren als Formen der Anschaulichkeit und der Lebhaftigkeit,
der Einbildungskraft und des Gefühls, als malerisch und musikalisch zu
unterscheiden ist also unter diesem Vorbehalte richtig. Uebrigens bringt die
gewöhnliche Aufzählung unter den Figuren Solches, was, auch den Vor-
behalt angenommen, doch entschieden vielmehr unter die Formen der An-
schaulichkeit gehört; hat man doch sogar die Personification und Comparation
unter jene gestellt. Eher konnte man die Sermocination (die eine Person
oder Personification außerhalb des Drama's redend einführt) als Ausdruck
der wärmsten Belebung einer übrigens der Veranschaulichung angehörigen
Form, und ähnlich die Hyperbel als eine wesentlich auf der Stimmung
ruhende Steigerung der Metapher zu den Figuren herüberziehen. Uebrigens
fällt die Unterscheidung von Mitteln der Anschaulichkeit und der Lebhaftigkeit
dem Umfange nach mit den Tropen und Figuren nicht zusammen; Tropus
bedeutet Vertauschung des Subjects, indirecte Bezeichnung in verschiedenen
Weisen und [...]Graden; die Theorie der poetischen Ausdrucksformen hat
keinen allgemeinen Namen für den anschaulichen Ausdruck, der unbildlich
ist, d. h. keine zweite Anschauung zur Beleuchtung eines gegebenen Inhalts
herbeibringt, und dieß ist der stärkste Beweis dafür, daß sie bisher ihre
Aufgabe für die Poetik gar nicht begriffen, nicht geahnt hat, wie es sich
hier von einem Grundgesetze der Dichtkunst, dem der Individualisirung über-
haupt, handelt, wovon das tropische Verfahren nur ein Theil ist.

Der §. stellt nun zuerst eine allgemeine negative Bestimmung über das
ganze vorliegende Gebiet voran, die nämlich, daß die Poesie im Ausdrucke nichts
Halbes, blos Limitirendes, Vorbehaltendes, Theilendes duldet. Weil in
ihr Alles leben soll, soll auch Alles ganz sein, lieber kühn bis in's Un-
glaubliche, als beschnitten. Ausdrücke wie "ziemlich, einigermaaßen, theil-
weise, insofern, so zu sagen" erkälten augenblicklich, legen sich wie Mehlthau
auf den poetischen Zusammenhang. Vom bildlichen Verfahren kann hier
anticipirt werden, daß aus diesem Grunde die Metapher poetischer ist, als

züglich auf das Epitheton. Im indirecten Verfahren, noch abgeſehen von
der Herbeiziehung eines Subjects aus anderer Sphäre, vertauſcht ſie die Be-
griffsmomente in verſchiedener Weiſe, ſelbſt in derjenigen, daß ſie das Abſtracte
für das Concrete ſetzt, jedoch ſo, daß ſie hier zur Verwandlung des Begriffs
in eine Perſon übergeht; alle Mittel der Veranſchaulichung drängen als beſeelend
weſentlich zur Perſonification hin.

1. Der vorh. §. hat zu der hier aufgeſtellten Unterſcheidung bereits den
Grund gelegt. Es verſteht ſich jedoch, daß ſie nur relativ iſt: die bildlichen
Mittel ſtellen der Phantaſie ein Objectives gegenüber, ſie fließen aber natürlich
auch aus erhöhter Stimmung und erregen ſolche, und umgekehrt, die bele-
bende Stimmung fördert natürlich auch die Kraft der innern Anſchauung.
Tropen und Figuren als Formen der Anſchaulichkeit und der Lebhaftigkeit,
der Einbildungskraft und des Gefühls, als maleriſch und muſikaliſch zu
unterſcheiden iſt alſo unter dieſem Vorbehalte richtig. Uebrigens bringt die
gewöhnliche Aufzählung unter den Figuren Solches, was, auch den Vor-
behalt angenommen, doch entſchieden vielmehr unter die Formen der An-
ſchaulichkeit gehört; hat man doch ſogar die Perſonification und Comparation
unter jene geſtellt. Eher konnte man die Sermocination (die eine Perſon
oder Perſonification außerhalb des Drama’s redend einführt) als Ausdruck
der wärmſten Belebung einer übrigens der Veranſchaulichung angehörigen
Form, und ähnlich die Hyperbel als eine weſentlich auf der Stimmung
ruhende Steigerung der Metapher zu den Figuren herüberziehen. Uebrigens
fällt die Unterſcheidung von Mitteln der Anſchaulichkeit und der Lebhaftigkeit
dem Umfange nach mit den Tropen und Figuren nicht zuſammen; Tropus
bedeutet Vertauſchung des Subjects, indirecte Bezeichnung in verſchiedenen
Weiſen und […]Graden; die Theorie der poetiſchen Ausdrucksformen hat
keinen allgemeinen Namen für den anſchaulichen Ausdruck, der unbildlich
iſt, d. h. keine zweite Anſchauung zur Beleuchtung eines gegebenen Inhalts
herbeibringt, und dieß iſt der ſtärkſte Beweis dafür, daß ſie bisher ihre
Aufgabe für die Poetik gar nicht begriffen, nicht geahnt hat, wie es ſich
hier von einem Grundgeſetze der Dichtkunſt, dem der Individualiſirung über-
haupt, handelt, wovon das tropiſche Verfahren nur ein Theil iſt.

Der §. ſtellt nun zuerſt eine allgemeine negative Beſtimmung über das
ganze vorliegende Gebiet voran, die nämlich, daß die Poeſie im Ausdrucke nichts
Halbes, blos Limitirendes, Vorbehaltendes, Theilendes duldet. Weil in
ihr Alles leben ſoll, ſoll auch Alles ganz ſein, lieber kühn bis in’s Un-
glaubliche, als beſchnitten. Ausdrücke wie „ziemlich, einigermaaßen, theil-
weiſe, inſofern, ſo zu ſagen“ erkälten augenblicklich, legen ſich wie Mehlthau
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anticipirt werden, daß aus dieſem Grunde die Metapher poetiſcher iſt, als

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[1220/0084] züglich auf das Epitheton. Im indirecten Verfahren, noch abgeſehen von der Herbeiziehung eines Subjects aus anderer Sphäre, vertauſcht ſie die Be- griffsmomente in verſchiedener Weiſe, ſelbſt in derjenigen, daß ſie das Abſtracte für das Concrete ſetzt, jedoch ſo, daß ſie hier zur Verwandlung des Begriffs in eine Perſon übergeht; alle Mittel der Veranſchaulichung drängen als beſeelend weſentlich zur Perſonification hin. 1. Der vorh. §. hat zu der hier aufgeſtellten Unterſcheidung bereits den Grund gelegt. Es verſteht ſich jedoch, daß ſie nur relativ iſt: die bildlichen Mittel ſtellen der Phantaſie ein Objectives gegenüber, ſie fließen aber natürlich auch aus erhöhter Stimmung und erregen ſolche, und umgekehrt, die bele- bende Stimmung fördert natürlich auch die Kraft der innern Anſchauung. Tropen und Figuren als Formen der Anſchaulichkeit und der Lebhaftigkeit, der Einbildungskraft und des Gefühls, als maleriſch und muſikaliſch zu unterſcheiden iſt alſo unter dieſem Vorbehalte richtig. Uebrigens bringt die gewöhnliche Aufzählung unter den Figuren Solches, was, auch den Vor- behalt angenommen, doch entſchieden vielmehr unter die Formen der An- ſchaulichkeit gehört; hat man doch ſogar die Perſonification und Comparation unter jene geſtellt. Eher konnte man die Sermocination (die eine Perſon oder Perſonification außerhalb des Drama’s redend einführt) als Ausdruck der wärmſten Belebung einer übrigens der Veranſchaulichung angehörigen Form, und ähnlich die Hyperbel als eine weſentlich auf der Stimmung ruhende Steigerung der Metapher zu den Figuren herüberziehen. Uebrigens fällt die Unterſcheidung von Mitteln der Anſchaulichkeit und der Lebhaftigkeit dem Umfange nach mit den Tropen und Figuren nicht zuſammen; Tropus bedeutet Vertauſchung des Subjects, indirecte Bezeichnung in verſchiedenen Weiſen und Graden; die Theorie der poetiſchen Ausdrucksformen hat keinen allgemeinen Namen für den anſchaulichen Ausdruck, der unbildlich iſt, d. h. keine zweite Anſchauung zur Beleuchtung eines gegebenen Inhalts herbeibringt, und dieß iſt der ſtärkſte Beweis dafür, daß ſie bisher ihre Aufgabe für die Poetik gar nicht begriffen, nicht geahnt hat, wie es ſich hier von einem Grundgeſetze der Dichtkunſt, dem der Individualiſirung über- haupt, handelt, wovon das tropiſche Verfahren nur ein Theil iſt. Der §. ſtellt nun zuerſt eine allgemeine negative Beſtimmung über das ganze vorliegende Gebiet voran, die nämlich, daß die Poeſie im Ausdrucke nichts Halbes, blos Limitirendes, Vorbehaltendes, Theilendes duldet. Weil in ihr Alles leben ſoll, ſoll auch Alles ganz ſein, lieber kühn bis in’s Un- glaubliche, als beſchnitten. Ausdrücke wie „ziemlich, einigermaaßen, theil- weiſe, inſofern, ſo zu ſagen“ erkälten augenblicklich, legen ſich wie Mehlthau auf den poetiſchen Zuſammenhang. Vom bildlichen Verfahren kann hier anticipirt werden, daß aus dieſem Grunde die Metapher poetiſcher iſt, als

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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,5. Stuttgart, 1857, S. 1220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik030205_1857/84>, abgerufen am 24.11.2024.