Herzens in kindlich naiver Weise ausspricht, so thut es das Horn mit der tiefern Gemüthsstimmung in ernstdurchdrungener, bewegterer, aber allerdings in ähnlich treuherziger Art, weil so ganz und gar nichts Zurückhaltendes in ihm, sondern der ganze, reine, volle Erguß und Aushall des Tones sein Wesen ist; sein Ton trägt eben dieß, daß er aus voller Brust kommt, an sich und ist eben dadurch so ganz eigenthümlich gemüthreicher Natur. Männlicher, heller und zugleich wie die Oboe schärfer, spitziger, subjectiver als das Horn ist die Trompete; sie repräsentirt vorzugsweise die Kraft, das Siegesgewisse, Schwunghafte, Gehobene, Eindringendenergische, sie ist nicht zunächst für das Ernste und Weiche, sondern für Töne des Muthes und Triumphes, der Freude und Freiheit vorhanden; aber auch sie hat doch nebendem eine wesentliche Beziehung zum Gemüth, sie ist auch schmetternd, erbebenmachend, sie hat auch das romantische, in weite Fernen winkende Austönen des Klanges, sowie sein offenes Heraus- und Herantreten, und sie kann daher auch für ruhigere, innigere, nur nicht eben gerade sentimen- tale Herzensempfindungen höchst wirksam angewendet werden, wie z. B. in dem schönen Andante der kleinern C dur-Symphonie Mozart's. Weniger äußerlich schmetternd, aber um so intensiver erschütternd, gehaltener, tiefer, nachdrücklicher, breitern, vollern Klanges ist die Posaune; sie ist weder so empfindsam wie das Horn noch so subjectiv energisch wie die Trompete, sie hat (wie die Clarinetteninstrumente) einen vermittelnden Charakter, eine das subjective Moment weniger durchhören lassende, zudem hauptsächlich langgezogene Töne begünstigende Spielart, einen weder sanft hallenden noch scharf stoßenden, sondern wieder etwas mehr gebundenen, straffen, ruhigen, aber gedrungenen mächtigen Klang; durch diese an sich haltende Ruhe im Verein mit ihrer Nachdrücklichkeit und Tonfülle hat sie eine Hoheit, Pracht, Majestät, Feierlichkeit, einen tiefen, ergreifenden Ernst, der auch in den höhern Lagen bleibt, so daß sie das idealste und in der Idealität zugleich effectreichste aller Instrumente ist, das freilich nur da diesem seinem Charakter gemäß wirkt, wo es nicht äußerlich zu bloßem Klangeffect gemißbraucht wird. Jeder Styl und jeder Stimmungskreis hat ein ihm eigenthümlich entsprechendes Instrument, aber vergeblich ist es deßungeachtet, durch das Instrument allein einer Tonbewegung einen Ausdruck und Charakter, sei es nun der Hoheit oder der Kraft oder der wahrhaft gefühlvollen Weichheit verleihen zu wollen; das Instrument macht den Ausdruck nur vollständig und vollkommen, aber es bleibt unwirksam, wo der musikalische Gedanke mit dem durch das Instrument beabsichtigten Ausdruck im Mißverhältniß oder gar im Widerspruche steht.
2. Die directe Verwandtschaft mit der Menschenstimme trat bei den Blechinstrumenten bereits entschieden zurück, sie greifen über das, was der Stimme möglich ist, schon sehr weit hinaus, sie reproduciren sie nicht mehr,
Herzens in kindlich naiver Weiſe ausſpricht, ſo thut es das Horn mit der tiefern Gemüthsſtimmung in ernſtdurchdrungener, bewegterer, aber allerdings in ähnlich treuherziger Art, weil ſo ganz und gar nichts Zurückhaltendes in ihm, ſondern der ganze, reine, volle Erguß und Aushall des Tones ſein Weſen iſt; ſein Ton trägt eben dieß, daß er aus voller Bruſt kommt, an ſich und iſt eben dadurch ſo ganz eigenthümlich gemüthreicher Natur. Männlicher, heller und zugleich wie die Oboe ſchärfer, ſpitziger, ſubjectiver als das Horn iſt die Trompete; ſie repräſentirt vorzugsweiſe die Kraft, das Siegesgewiſſe, Schwunghafte, Gehobene, Eindringendenergiſche, ſie iſt nicht zunächſt für das Ernſte und Weiche, ſondern für Töne des Muthes und Triumphes, der Freude und Freiheit vorhanden; aber auch ſie hat doch nebendem eine weſentliche Beziehung zum Gemüth, ſie iſt auch ſchmetternd, erbebenmachend, ſie hat auch das romantiſche, in weite Fernen winkende Austönen des Klanges, ſowie ſein offenes Heraus- und Herantreten, und ſie kann daher auch für ruhigere, innigere, nur nicht eben gerade ſentimen- tale Herzensempfindungen höchſt wirkſam angewendet werden, wie z. B. in dem ſchönen Andante der kleinern C dur-Symphonie Mozart’s. Weniger äußerlich ſchmetternd, aber um ſo intenſiver erſchütternd, gehaltener, tiefer, nachdrücklicher, breitern, vollern Klanges iſt die Poſaune; ſie iſt weder ſo empfindſam wie das Horn noch ſo ſubjectiv energiſch wie die Trompete, ſie hat (wie die Clarinetteninſtrumente) einen vermittelnden Charakter, eine das ſubjective Moment weniger durchhören laſſende, zudem hauptſächlich langgezogene Töne begünſtigende Spielart, einen weder ſanft hallenden noch ſcharf ſtoßenden, ſondern wieder etwas mehr gebundenen, ſtraffen, ruhigen, aber gedrungenen mächtigen Klang; durch dieſe an ſich haltende Ruhe im Verein mit ihrer Nachdrücklichkeit und Tonfülle hat ſie eine Hoheit, Pracht, Majeſtät, Feierlichkeit, einen tiefen, ergreifenden Ernſt, der auch in den höhern Lagen bleibt, ſo daß ſie das idealſte und in der Idealität zugleich effectreichſte aller Inſtrumente iſt, das freilich nur da dieſem ſeinem Charakter gemäß wirkt, wo es nicht äußerlich zu bloßem Klangeffect gemißbraucht wird. Jeder Styl und jeder Stimmungskreis hat ein ihm eigenthümlich entſprechendes Inſtrument, aber vergeblich iſt es deßungeachtet, durch das Inſtrument allein einer Tonbewegung einen Ausdruck und Charakter, ſei es nun der Hoheit oder der Kraft oder der wahrhaft gefühlvollen Weichheit verleihen zu wollen; das Inſtrument macht den Ausdruck nur vollſtändig und vollkommen, aber es bleibt unwirkſam, wo der muſikaliſche Gedanke mit dem durch das Inſtrument beabſichtigten Ausdruck im Mißverhältniß oder gar im Widerſpruche ſteht.
2. Die directe Verwandtſchaft mit der Menſchenſtimme trat bei den Blechinſtrumenten bereits entſchieden zurück, ſie greifen über das, was der Stimme möglich iſt, ſchon ſehr weit hinaus, ſie reproduciren ſie nicht mehr,
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an ſich und iſt eben dadurch ſo ganz eigenthümlich gemüthreicher Natur.
Männlicher, heller und zugleich wie die Oboe ſchärfer, ſpitziger, ſubjectiver
als das Horn iſt die Trompete; ſie repräſentirt vorzugsweiſe die Kraft,
das Siegesgewiſſe, Schwunghafte, Gehobene, Eindringendenergiſche, ſie iſt
nicht zunächſt für das Ernſte und Weiche, ſondern für Töne des Muthes
und Triumphes, der Freude und Freiheit vorhanden; aber auch ſie hat doch
nebendem eine weſentliche Beziehung zum Gemüth, ſie iſt auch ſchmetternd,
erbebenmachend, ſie hat auch das romantiſche, in weite Fernen winkende
Austönen des Klanges, ſowie ſein offenes Heraus- und Herantreten, und
ſie kann daher auch für ruhigere, innigere, nur nicht eben gerade ſentimen-
tale Herzensempfindungen höchſt wirkſam angewendet werden, wie z. B. in
dem ſchönen Andante der kleinern C dur-Symphonie Mozart’s. Weniger
äußerlich ſchmetternd, aber um ſo intenſiver erſchütternd, gehaltener, tiefer,
nachdrücklicher, breitern, vollern Klanges iſt die Poſaune; ſie iſt weder
ſo empfindſam wie das Horn noch ſo ſubjectiv energiſch wie die Trompete,
ſie hat (wie die Clarinetteninſtrumente) einen vermittelnden Charakter, eine
das ſubjective Moment weniger durchhören laſſende, zudem hauptſächlich
langgezogene Töne begünſtigende Spielart, einen weder ſanft hallenden noch
ſcharf ſtoßenden, ſondern wieder etwas mehr gebundenen, ſtraffen, ruhigen,
aber gedrungenen mächtigen Klang; durch dieſe an ſich haltende Ruhe im
Verein mit ihrer Nachdrücklichkeit und Tonfülle hat ſie eine Hoheit, Pracht,
Majeſtät, Feierlichkeit, einen tiefen, ergreifenden Ernſt, der auch in den
höhern Lagen bleibt, ſo daß ſie das idealſte und in der Idealität zugleich
effectreichſte aller Inſtrumente iſt, das freilich nur da dieſem ſeinem Charakter
gemäß wirkt, wo es nicht äußerlich zu bloßem Klangeffect gemißbraucht
wird. Jeder Styl und jeder Stimmungskreis hat ein ihm eigenthümlich
entſprechendes Inſtrument, aber vergeblich iſt es deßungeachtet, durch das
Inſtrument allein einer Tonbewegung einen Ausdruck und Charakter, ſei
es nun der Hoheit oder der Kraft oder der wahrhaft gefühlvollen Weichheit
verleihen zu wollen; das Inſtrument macht den Ausdruck nur vollſtändig
und vollkommen, aber es bleibt unwirkſam, wo der muſikaliſche Gedanke
mit dem durch das Inſtrument beabſichtigten Ausdruck im Mißverhältniß
oder gar im Widerſpruche ſteht.
2. Die directe Verwandtſchaft mit der Menſchenſtimme trat bei den
Blechinſtrumenten bereits entſchieden zurück, ſie greifen über das, was der
Stimme möglich iſt, ſchon ſehr weit hinaus, ſie reproduciren ſie nicht mehr,
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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,4. Stuttgart, 1857, S. 1029. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik030204_1857/267>, abgerufen am 22.11.2024.
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