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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,4. Stuttgart, 1857.

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Werke sei ebenso sehr noch eine Behaftung mit der Natur, ein Bedürfen des
gegebenen Glieds in der Antithese; mit dem "Zurückschlingen der Welt in
das Herz," das jene subjective Kunst zu vollziehen haben werde, sei die
Klarheit des Gegenschlags, aber auch diese Behaftung mit dem Object auf-
gehoben und eine Wiederherstellung des letzteren vorbereitet, welche von
ungleich hellerem Bewußtsein begleitet sein werde. Von den zwei Seiten,
welche in diesen Sätzen hervortreten, ist zuerst schlechthin diejenige zu betonen,
von welcher dieser neue Schritt der Kunst als unendlicher Fortschritt er-
scheint. Die Kunst muß jetzt den Standpunct des subjectiven Idealismus
einnehmen und sie wird sein Unrecht theilen, aber hier gilt vorerst sein Recht.
Die Philosophie mußte den Realismus zerstören und erst die Wahrheit, daß
das Subject Inhalt, Maaß und Ziel aller Dinge ist, bis zu der Spitze
treiben, wo es unmöglich war, aus dem Subject, das allen Gegenstand
verschlungen hatte, wieder ein Object zu construiren, ehe sie den Weg zum
Wiederaufbau der Welt, zum Ideal-Realismus fand; ebenso muß die Kunst,
nachdem sie in der bildenden Form das Object dem Geiste gegenüber hin-
gestellt und stehen gelassen, die Wahrheit, daß alles Object nur so viel ist,
als es für den Geist ist, erst dahin treiben, daß sie dasselbe völlig aufzehrt,
ehe sie es aus diesem Grab und Schacht neugeboren, vom Geiste gesetzt
und durchdrungen wieder zu Tage bringt. Allerdings aber läßt sich dieß
gar nicht aufstellen, ohne daß sogleich auch das Unrecht dieses Standpuncts
ausgesprochen wird. Auch der §. sagt daher bereits, daß der Eintritt der
Kunst in das Prinzip der reinen Subjectivität ein nothwendiger Durchgang
zu einem höheren Dritten sei, und behauptet dieß als Forderung des Be-
griffs des Schönen und seiner Begründung im Lebensgesetze selbst. Das
Schöne ist die Idee in begrenzter Erscheinung; alle Erscheinung der Idee ist
aber wesentlich Erscheinung in der Form des Sichtbaren. Die Idee ist
das Leben, das Leben aber ist die Bewegung der Kräfte, welche in Körpern
Gestalt haben; das Dasein der Idee ist daher vor Allem Verkörperung.
In dem organischen Körper blitzt aus der feinsten Bildung der Materie der
Geist auf, der unendlich mehr, als alle Materie, richtiger die Wahrheit aller
Materie ist, aber nicht anders, als so, daß sie seine Basis, sein Organ bleibt.
Die Kunst wird daher das Sichtbare der Körperwelt nun verlassen dürfen,
um es wieder zu suchen, sie wird es nicht getilgt, sondern in Wahrheit
nur verborgen haben und daraus folgt, daß diejenige Kunstform, welche
sich auf diesen Standpunct stellt, einen eigenthümlich zweiseitigen, ebenso-
sehr weiter, nach einer höheren Stufe, weisenden, als für sich berechtigten
und selbständigen Charakter tragen wird: ein Begriff, der im Folgenden zu
entwickeln und dann mit dem ganzen Gewichte der Ausdrücklichkeit heraus-
zustellen ist. Jede Kunst zeigt durch ihre Mängel hinüber auf die andern,
keine so fühlbar, so schwebend, wie die Musik.


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Werke ſei ebenſo ſehr noch eine Behaftung mit der Natur, ein Bedürfen des
gegebenen Glieds in der Antitheſe; mit dem „Zurückſchlingen der Welt in
das Herz,“ das jene ſubjective Kunſt zu vollziehen haben werde, ſei die
Klarheit des Gegenſchlags, aber auch dieſe Behaftung mit dem Object auf-
gehoben und eine Wiederherſtellung des letzteren vorbereitet, welche von
ungleich hellerem Bewußtſein begleitet ſein werde. Von den zwei Seiten,
welche in dieſen Sätzen hervortreten, iſt zuerſt ſchlechthin diejenige zu betonen,
von welcher dieſer neue Schritt der Kunſt als unendlicher Fortſchritt er-
ſcheint. Die Kunſt muß jetzt den Standpunct des ſubjectiven Idealiſmus
einnehmen und ſie wird ſein Unrecht theilen, aber hier gilt vorerſt ſein Recht.
Die Philoſophie mußte den Realiſmus zerſtören und erſt die Wahrheit, daß
das Subject Inhalt, Maaß und Ziel aller Dinge iſt, bis zu der Spitze
treiben, wo es unmöglich war, aus dem Subject, das allen Gegenſtand
verſchlungen hatte, wieder ein Object zu conſtruiren, ehe ſie den Weg zum
Wiederaufbau der Welt, zum Ideal-Realiſmus fand; ebenſo muß die Kunſt,
nachdem ſie in der bildenden Form das Object dem Geiſte gegenüber hin-
geſtellt und ſtehen gelaſſen, die Wahrheit, daß alles Object nur ſo viel iſt,
als es für den Geiſt iſt, erſt dahin treiben, daß ſie daſſelbe völlig aufzehrt,
ehe ſie es aus dieſem Grab und Schacht neugeboren, vom Geiſte geſetzt
und durchdrungen wieder zu Tage bringt. Allerdings aber läßt ſich dieß
gar nicht aufſtellen, ohne daß ſogleich auch das Unrecht dieſes Standpuncts
ausgeſprochen wird. Auch der §. ſagt daher bereits, daß der Eintritt der
Kunſt in das Prinzip der reinen Subjectivität ein nothwendiger Durchgang
zu einem höheren Dritten ſei, und behauptet dieß als Forderung des Be-
griffs des Schönen und ſeiner Begründung im Lebensgeſetze ſelbſt. Das
Schöne iſt die Idee in begrenzter Erſcheinung; alle Erſcheinung der Idee iſt
aber weſentlich Erſcheinung in der Form des Sichtbaren. Die Idee iſt
das Leben, das Leben aber iſt die Bewegung der Kräfte, welche in Körpern
Geſtalt haben; das Daſein der Idee iſt daher vor Allem Verkörperung.
In dem organiſchen Körper blitzt aus der feinſten Bildung der Materie der
Geiſt auf, der unendlich mehr, als alle Materie, richtiger die Wahrheit aller
Materie iſt, aber nicht anders, als ſo, daß ſie ſeine Baſis, ſein Organ bleibt.
Die Kunſt wird daher das Sichtbare der Körperwelt nun verlaſſen dürfen,
um es wieder zu ſuchen, ſie wird es nicht getilgt, ſondern in Wahrheit
nur verborgen haben und daraus folgt, daß diejenige Kunſtform, welche
ſich auf dieſen Standpunct ſtellt, einen eigenthümlich zweiſeitigen, ebenſo-
ſehr weiter, nach einer höheren Stufe, weiſenden, als für ſich berechtigten
und ſelbſtändigen Charakter tragen wird: ein Begriff, der im Folgenden zu
entwickeln und dann mit dem ganzen Gewichte der Ausdrücklichkeit heraus-
zuſtellen iſt. Jede Kunſt zeigt durch ihre Mängel hinüber auf die andern,
keine ſo fühlbar, ſo ſchwebend, wie die Muſik.


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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,4. Stuttgart, 1857, S. 777. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik030204_1857/15>, abgerufen am 11.12.2024.