beider Hälften haben wir zwei Perioden von Ganztönen, eine zweimalige Fortschreitung durch Ganztöne (c zu d, d zu e, g zu a, a zu h); der eine Halbton schließt befriedigend das Ganze (h zu c); der zweite steht nicht, wie man etwa erwarten könnte und wie es in der sog. lydischen Tonart wirklich der Fall ist, vor der Quint (vor g), sondern er steht richtiger eine Stufe weiter zurück, zwischen Terz und Quart; er schließt diese letztere eng an die Terz an, er faßt die Quart mit der Terz und durch sie mit dem ersten Abschnitt der Octave überhaupt eng zusammen, während er sie von der Quint durch den so entstehenden Ganzton (f zu g) abtrennt; er bildet so aus Prim Secund Terz Quart Eine Periode, was ganz richtig ist, weil mit der Quint ja selbst schon eine zweite beginnt, er stellt die Quint nach dieser Seite selbständig hin und weist sie der zweiten Octavhälfte zu, der sie an sich schon angehört und die ohne sie (d. h. wenn die Quint z. B. durch die übermäßige Quart fis zur ersten Hälfte gezogen würde) zu klein ausfiele; er macht also durch seine Stellung die beiden Hälften symmetrisch, und er muß diese Stellung außerdem auch deswegen haben, weil sonst der Tonleiter das natürliche Intervall der einfachen Quart verloren gehen oder ein Widerstreit der Scala mit den Intervallverhältnissen sowie mit den auf diese gebauten Harmonieverhältnissen entstehen, die Scala eine übermäßige Quart haben, die Harmonie aber deßungeachtet auf der einfachen Quart bestehen würde. So aber wird durch diese Stellung des Halbtons der erste Abschnitt der Octave (c--f) zu einer für sich stehenden, von der zweiten deutlich geschiedenen und zugleich zu einer in sich selbst vollkommen abge- rundeten, die Momente des Anfangs, Fortgangs und Abschlusses in sich vollständig vereinigenden eigenen Periode abgeschlossen, welche eben hiedurch auf die zweite, nach demselben Gesetze gegliederte Periode (g--c) vorbereitend hinweist und mit ihr zusammen der Durscala den Charakter eines symme- trisch periodischgegliederten Ganzen verleiht. Einfaches, entschiedenes Vor- wärtsgehen oder Aufsteigen, verbunden mit wohlgefälligen Halt- und Schlußpuncten und schöner Periodicität des Ganzen ist so in Folge der hier angenommenen Stellung der Halbtöne Charakter der Durleiter, um deß willen sie als die natürlichste, heiterkräftige und schlechthin befriedigende Tonfolge erscheint. Auch bei absteigender Bewegung bleibt dieser Charakter, obwohl er in ihr nicht so scharf hervortritt; auch hier schlüpft die Bewegung über die Halbtöne, die ja hier nicht als Hemmung eines Aufstrebens, sondern nur als den Uebergang zu tiefern Tönen vermittelnde und erleich- ternde Zwischenglieder gefühlt werden können, leicht hinweg, und es scheint namentlich darin eine Befriedigung zu liegen, daß durch den Beginn mit der dem Octavton ganz nahe liegenden großen Septime dem Herabgehen sogleich der Typus des Bleibens in der Scala eben dieses Tones, aus welchem sich die Tonbewegung mittelst des Halbtons der Septime gleichsam
beider Hälften haben wir zwei Perioden von Ganztönen, eine zweimalige Fortſchreitung durch Ganztöne (c zu d, d zu e, g zu a, a zu h); der eine Halbton ſchließt befriedigend das Ganze (h zu c); der zweite ſteht nicht, wie man etwa erwarten könnte und wie es in der ſog. lydiſchen Tonart wirklich der Fall iſt, vor der Quint (vor g), ſondern er ſteht richtiger eine Stufe weiter zurück, zwiſchen Terz und Quart; er ſchließt dieſe letztere eng an die Terz an, er faßt die Quart mit der Terz und durch ſie mit dem erſten Abſchnitt der Octave überhaupt eng zuſammen, während er ſie von der Quint durch den ſo entſtehenden Ganzton (f zu g) abtrennt; er bildet ſo aus Prim Secund Terz Quart Eine Periode, was ganz richtig iſt, weil mit der Quint ja ſelbſt ſchon eine zweite beginnt, er ſtellt die Quint nach dieſer Seite ſelbſtändig hin und weist ſie der zweiten Octavhälfte zu, der ſie an ſich ſchon angehört und die ohne ſie (d. h. wenn die Quint z. B. durch die übermäßige Quart fis zur erſten Hälfte gezogen würde) zu klein ausfiele; er macht alſo durch ſeine Stellung die beiden Hälften ſymmetriſch, und er muß dieſe Stellung außerdem auch deswegen haben, weil ſonſt der Tonleiter das natürliche Intervall der einfachen Quart verloren gehen oder ein Widerſtreit der Scala mit den Intervallverhältniſſen ſowie mit den auf dieſe gebauten Harmonieverhältniſſen entſtehen, die Scala eine übermäßige Quart haben, die Harmonie aber deßungeachtet auf der einfachen Quart beſtehen würde. So aber wird durch dieſe Stellung des Halbtons der erſte Abſchnitt der Octave (c—f) zu einer für ſich ſtehenden, von der zweiten deutlich geſchiedenen und zugleich zu einer in ſich ſelbſt vollkommen abge- rundeten, die Momente des Anfangs, Fortgangs und Abſchluſſes in ſich vollſtändig vereinigenden eigenen Periode abgeſchloſſen, welche eben hiedurch auf die zweite, nach demſelben Geſetze gegliederte Periode (g—c) vorbereitend hinweist und mit ihr zuſammen der Durſcala den Charakter eines ſymme- triſch periodiſchgegliederten Ganzen verleiht. Einfaches, entſchiedenes Vor- wärtsgehen oder Aufſteigen, verbunden mit wohlgefälligen Halt- und Schlußpuncten und ſchöner Periodicität des Ganzen iſt ſo in Folge der hier angenommenen Stellung der Halbtöne Charakter der Durleiter, um deß willen ſie als die natürlichſte, heiterkräftige und ſchlechthin befriedigende Tonfolge erſcheint. Auch bei abſteigender Bewegung bleibt dieſer Charakter, obwohl er in ihr nicht ſo ſcharf hervortritt; auch hier ſchlüpft die Bewegung über die Halbtöne, die ja hier nicht als Hemmung eines Aufſtrebens, ſondern nur als den Uebergang zu tiefern Tönen vermittelnde und erleich- ternde Zwiſchenglieder gefühlt werden können, leicht hinweg, und es ſcheint namentlich darin eine Befriedigung zu liegen, daß durch den Beginn mit der dem Octavton ganz nahe liegenden großen Septime dem Herabgehen ſogleich der Typus des Bleibens in der Scala eben dieſes Tones, aus welchem ſich die Tonbewegung mittelſt des Halbtons der Septime gleichſam
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[866/0104]
beider Hälften haben wir zwei Perioden von Ganztönen, eine zweimalige
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Halbton ſchließt befriedigend das Ganze (h zu c); der zweite ſteht nicht,
wie man etwa erwarten könnte und wie es in der ſog. lydiſchen Tonart
wirklich der Fall iſt, vor der Quint (vor g), ſondern er ſteht richtiger eine
Stufe weiter zurück, zwiſchen Terz und Quart; er ſchließt dieſe letztere eng
an die Terz an, er faßt die Quart mit der Terz und durch ſie mit dem
erſten Abſchnitt der Octave überhaupt eng zuſammen, während er ſie von
der Quint durch den ſo entſtehenden Ganzton (f zu g) abtrennt; er bildet
ſo aus Prim Secund Terz Quart Eine Periode, was ganz richtig iſt,
weil mit der Quint ja ſelbſt ſchon eine zweite beginnt, er ſtellt die Quint
nach dieſer Seite ſelbſtändig hin und weist ſie der zweiten Octavhälfte zu,
der ſie an ſich ſchon angehört und die ohne ſie (d. h. wenn die Quint z. B.
durch die übermäßige Quart fis zur erſten Hälfte gezogen würde) zu klein
ausfiele; er macht alſo durch ſeine Stellung die beiden Hälften ſymmetriſch,
und er muß dieſe Stellung außerdem auch deswegen haben, weil ſonſt der
Tonleiter das natürliche Intervall der einfachen Quart verloren gehen oder
ein Widerſtreit der Scala mit den Intervallverhältniſſen ſowie mit den auf
dieſe gebauten Harmonieverhältniſſen entſtehen, die Scala eine übermäßige
Quart haben, die Harmonie aber deßungeachtet auf der einfachen Quart
beſtehen würde. So aber wird durch dieſe Stellung des Halbtons der erſte
Abſchnitt der Octave (c—f) zu einer für ſich ſtehenden, von der zweiten
deutlich geſchiedenen und zugleich zu einer in ſich ſelbſt vollkommen abge-
rundeten, die Momente des Anfangs, Fortgangs und Abſchluſſes in ſich
vollſtändig vereinigenden eigenen Periode abgeſchloſſen, welche eben hiedurch
auf die zweite, nach demſelben Geſetze gegliederte Periode (g—c) vorbereitend
hinweist und mit ihr zuſammen der Durſcala den Charakter eines ſymme-
triſch periodiſchgegliederten Ganzen verleiht. Einfaches, entſchiedenes Vor-
wärtsgehen oder Aufſteigen, verbunden mit wohlgefälligen Halt- und
Schlußpuncten und ſchöner Periodicität des Ganzen iſt ſo in Folge der hier
angenommenen Stellung der Halbtöne Charakter der Durleiter, um deß
willen ſie als die natürlichſte, heiterkräftige und ſchlechthin befriedigende
Tonfolge erſcheint. Auch bei abſteigender Bewegung bleibt dieſer Charakter,
obwohl er in ihr nicht ſo ſcharf hervortritt; auch hier ſchlüpft die Bewegung
über die Halbtöne, die ja hier nicht als Hemmung eines Aufſtrebens,
ſondern nur als den Uebergang zu tiefern Tönen vermittelnde und erleich-
ternde Zwiſchenglieder gefühlt werden können, leicht hinweg, und es ſcheint
namentlich darin eine Befriedigung zu liegen, daß durch den Beginn mit
der dem Octavton ganz nahe liegenden großen Septime dem Herabgehen
ſogleich der Typus des Bleibens in der Scala eben dieſes Tones, aus
welchem ſich die Tonbewegung mittelſt des Halbtons der Septime gleichſam
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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,4. Stuttgart, 1857, S. 866. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik030204_1857/104>, abgerufen am 23.11.2024.
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