zu 1358, indem nur dieser den Eindruck vollkommenen Zusammengehörens und natürlichen Aufeinanderfolgens, Entsprechens und Zusammenklingens der Töne, aus denen er besteht, hervorzubringen vermag.
§. 771.
1.
Das Tonsystem gestaltet sich zur Tonleiter, wenn unter Zugrundlegung seiner Eintheilung in Octavenabschnitte der Zwischenraum zwischen den Octaven- tönen stetig durch eine Reihenfolge neben einander liegender Töne ausgefüllt wird. Diese Reihenfolge kann von verschiedener Art und verschiedenem Charakter sein je nach der verschiedenen Stellung, welche den Halb- und Ganztönen innerhalb der Reihe angewiesen, und je nach der verschiedenen Eigenthümlichkeit, welche eben durch diese verschiedene Stellung dem ganzen Fortgange aufgeprägt wird. Der Hauptunterschied ist der zwischen Dur- und Molltonleiter; in der erstern ist der Fortgang vorherrschend ein den Charakter freien ungehemmten Fortschritts an sich tragender Fortgang durch Ganztöne, indem in ihr die Halb- töne so gelegt sind, daß sie nur die Stellung von Uebergangs- und Schluß- tönen an einzelnen Hauptabschnitten der Leiter einnehmen; in der Molltonleiter 2.dagegen findet das Umgekehrte statt. Das Prinzip des Fortgangs durch Halb- töne ist rein durchgeführt in der chromatischen Leiter, welche aber hiedurch die charakteristischen Verhältnisse der Hauptintervalle verwischt und daher nur untergeordnete Bedeutung ansprechen kann.
1. Streng genommen sollte am Anfang des §. gesagt sein, das Ton- system gestalte sich zur Tonleiter, wenn unter Zugrundlegung der Eintheilung des Tonsystems in Octavenabschnitte und der Octave in die zwei durch die Dominante gegebenen Octavenhälften der Zwischenraum zwischen Prim und Octav, sowie zwischen beiden und der Dominante stetig (also eben leiterförmig) durch Töne ausgefüllt wird. Mit der Abscheidung des Tonsystems in Octa- ven, mit dem Herausgreifen der Octavenperiode aus der ganzen Tonreihe ist die Gestaltung der Tonfolge eben an das Octavverhältniß gebunden, muß nach ihm sich richten, und so entsteht die Aufgabe, die zwischen Grundton und Octav liegenden Einzeltöne in der Art zu bilden und zu ordnen, daß ihr Fortgang einerseits den Zwischenraum in stetiger und gefälliger Mannig- faltigkeit ausfülle, andererseits in natürlicher Weise wieder zum Grundton (in der Octave), dessen Wiederkehr das Gefühl erwartet, hinführe. Soll dieß geschehen, so kann natürlich das Hauptintervall, die Dominante, in der Leiter nicht fehlen, indem mit ihr ein ebenso gefälliges als den Ueber- gang von Prim zur Octave wesentlich vermittelndes Tonelement verloren gienge; ist aber einmal die Dominante in der Leiter, so zerfällt diese durch sie in zwei Abschnitte, weil mit dem Eintreten der Dominante das Gefühl,
zu 1358, indem nur dieſer den Eindruck vollkommenen Zuſammengehörens und natürlichen Aufeinanderfolgens, Entſprechens und Zuſammenklingens der Töne, aus denen er beſteht, hervorzubringen vermag.
§. 771.
1.
Das Tonſyſtem geſtaltet ſich zur Tonleiter, wenn unter Zugrundlegung ſeiner Eintheilung in Octavenabſchnitte der Zwiſchenraum zwiſchen den Octaven- tönen ſtetig durch eine Reihenfolge neben einander liegender Töne ausgefüllt wird. Dieſe Reihenfolge kann von verſchiedener Art und verſchiedenem Charakter ſein je nach der verſchiedenen Stellung, welche den Halb- und Ganztönen innerhalb der Reihe angewieſen, und je nach der verſchiedenen Eigenthümlichkeit, welche eben durch dieſe verſchiedene Stellung dem ganzen Fortgange aufgeprägt wird. Der Hauptunterſchied iſt der zwiſchen Dur- und Molltonleiter; in der erſtern iſt der Fortgang vorherrſchend ein den Charakter freien ungehemmten Fortſchritts an ſich tragender Fortgang durch Ganztöne, indem in ihr die Halb- töne ſo gelegt ſind, daß ſie nur die Stellung von Uebergangs- und Schluß- tönen an einzelnen Hauptabſchnitten der Leiter einnehmen; in der Molltonleiter 2.dagegen findet das Umgekehrte ſtatt. Das Prinzip des Fortgangs durch Halb- töne iſt rein durchgeführt in der chromatiſchen Leiter, welche aber hiedurch die charakteriſtiſchen Verhältniſſe der Hauptintervalle verwiſcht und daher nur untergeordnete Bedeutung anſprechen kann.
1. Streng genommen ſollte am Anfang des §. geſagt ſein, das Ton- ſyſtem geſtalte ſich zur Tonleiter, wenn unter Zugrundlegung der Eintheilung des Tonſyſtems in Octavenabſchnitte und der Octave in die zwei durch die Dominante gegebenen Octavenhälften der Zwiſchenraum zwiſchen Prim und Octav, ſowie zwiſchen beiden und der Dominante ſtetig (alſo eben leiterförmig) durch Töne ausgefüllt wird. Mit der Abſcheidung des Tonſyſtems in Octa- ven, mit dem Herausgreifen der Octavenperiode aus der ganzen Tonreihe iſt die Geſtaltung der Tonfolge eben an das Octavverhältniß gebunden, muß nach ihm ſich richten, und ſo entſteht die Aufgabe, die zwiſchen Grundton und Octav liegenden Einzeltöne in der Art zu bilden und zu ordnen, daß ihr Fortgang einerſeits den Zwiſchenraum in ſtetiger und gefälliger Mannig- faltigkeit ausfülle, andererſeits in natürlicher Weiſe wieder zum Grundton (in der Octave), deſſen Wiederkehr das Gefühl erwartet, hinführe. Soll dieß geſchehen, ſo kann natürlich das Hauptintervall, die Dominante, in der Leiter nicht fehlen, indem mit ihr ein ebenſo gefälliges als den Ueber- gang von Prim zur Octave weſentlich vermittelndes Tonelement verloren gienge; iſt aber einmal die Dominante in der Leiter, ſo zerfällt dieſe durch ſie in zwei Abſchnitte, weil mit dem Eintreten der Dominante das Gefühl,
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zu 1358, indem nur dieſer den Eindruck vollkommenen Zuſammengehörens
und natürlichen Aufeinanderfolgens, Entſprechens und Zuſammenklingens
der Töne, aus denen er beſteht, hervorzubringen vermag.
§. 771.
Das Tonſyſtem geſtaltet ſich zur Tonleiter, wenn unter Zugrundlegung
ſeiner Eintheilung in Octavenabſchnitte der Zwiſchenraum zwiſchen den Octaven-
tönen ſtetig durch eine Reihenfolge neben einander liegender Töne ausgefüllt wird.
Dieſe Reihenfolge kann von verſchiedener Art und verſchiedenem Charakter ſein
je nach der verſchiedenen Stellung, welche den Halb- und Ganztönen innerhalb
der Reihe angewieſen, und je nach der verſchiedenen Eigenthümlichkeit, welche
eben durch dieſe verſchiedene Stellung dem ganzen Fortgange aufgeprägt wird.
Der Hauptunterſchied iſt der zwiſchen Dur- und Molltonleiter; in der
erſtern iſt der Fortgang vorherrſchend ein den Charakter freien ungehemmten
Fortſchritts an ſich tragender Fortgang durch Ganztöne, indem in ihr die Halb-
töne ſo gelegt ſind, daß ſie nur die Stellung von Uebergangs- und Schluß-
tönen an einzelnen Hauptabſchnitten der Leiter einnehmen; in der Molltonleiter
dagegen findet das Umgekehrte ſtatt. Das Prinzip des Fortgangs durch Halb-
töne iſt rein durchgeführt in der chromatiſchen Leiter, welche aber hiedurch
die charakteriſtiſchen Verhältniſſe der Hauptintervalle verwiſcht und daher nur
untergeordnete Bedeutung anſprechen kann.
1. Streng genommen ſollte am Anfang des §. geſagt ſein, das Ton-
ſyſtem geſtalte ſich zur Tonleiter, wenn unter Zugrundlegung der Eintheilung
des Tonſyſtems in Octavenabſchnitte und der Octave in die zwei durch die
Dominante gegebenen Octavenhälften der Zwiſchenraum zwiſchen Prim und
Octav, ſowie zwiſchen beiden und der Dominante ſtetig (alſo eben leiterförmig)
durch Töne ausgefüllt wird. Mit der Abſcheidung des Tonſyſtems in Octa-
ven, mit dem Herausgreifen der Octavenperiode aus der ganzen Tonreihe
iſt die Geſtaltung der Tonfolge eben an das Octavverhältniß gebunden, muß
nach ihm ſich richten, und ſo entſteht die Aufgabe, die zwiſchen Grundton
und Octav liegenden Einzeltöne in der Art zu bilden und zu ordnen, daß
ihr Fortgang einerſeits den Zwiſchenraum in ſtetiger und gefälliger Mannig-
faltigkeit ausfülle, andererſeits in natürlicher Weiſe wieder zum Grundton
(in der Octave), deſſen Wiederkehr das Gefühl erwartet, hinführe. Soll
dieß geſchehen, ſo kann natürlich das Hauptintervall, die Dominante, in
der Leiter nicht fehlen, indem mit ihr ein ebenſo gefälliges als den Ueber-
gang von Prim zur Octave weſentlich vermittelndes Tonelement verloren
gienge; iſt aber einmal die Dominante in der Leiter, ſo zerfällt dieſe durch
ſie in zwei Abſchnitte, weil mit dem Eintreten der Dominante das Gefühl,
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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,4. Stuttgart, 1857, S. 864. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik030204_1857/102>, abgerufen am 24.11.2024.
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