Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,3. Stuttgart, 1854.
bereits im Schluß d. Anm. zu §. 531 berührt. Es verhält sich also mit a. Die Malerei des Alterthums. §. 716. 1. Nachdem der Orient auf der unreifen Vorstufe der nur mit einfacher 1. Das Wesentliche der orientalischen Malerei ist in Anm. 1
bereits im Schluß d. Anm. zu §. 531 berührt. Es verhält ſich alſo mit α. Die Malerei des Alterthums. §. 716. 1. Nachdem der Orient auf der unreifen Vorſtufe der nur mit einfacher 1. Das Weſentliche der orientaliſchen Malerei iſt in Anm. 1 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p> <hi rendition="#et"><pb facs="#f0202" n="694"/> bereits im Schluß d. Anm. zu §. 531 berührt. Es verhält ſich alſo mit<lb/> den Stoffen, wie mit den Stylen: wer das Aufkommen der ſog. welt-<lb/> lichen Stoffe beklagt, der muß auch den Sieg des ächt maleriſchen Styls<lb/> als Ausdruck des Verfalls beurtheilen, wer dagegen dort naturgemäße<lb/> Entwicklung ſieht, der findet auch hier nichts Anderes, als eine Erhebung<lb/> der Malerei zu der Form, die ihrem eigentſten Weſen entſpricht.</hi> </p> </div><lb/> <div n="3"> <head><hi rendition="#i">α</hi>. Die Malerei des Alterthums.</head><lb/> <div n="4"> <head>§. 716.</head><lb/> <note place="left"> <hi rendition="#b">1.</hi> </note> <p> <hi rendition="#fr">Nachdem der <hi rendition="#g">Orient</hi> auf der unreifen Vorſtufe der nur mit einfacher<lb/> Farbe ausgefüllten, das Aeußerliche menſchlicher Formen, Zuſtände und Thätig-<lb/> keiten zwar ſcharf charakteriſirenden, Umriſſe-Zeichnung ohne Kenntniß der<lb/><note place="left">2.</note>Perſpective ſtehen geblieben war, entwickelte ſich bei den <hi rendition="#g">Griechen</hi> die<lb/> Malerei zur höchſten Vollkommenheit, welche innerhalb eines Standpuncts mög-<lb/> lich iſt, auf welchem der plaſtiſche Geiſt in dem ausſchließend engen Sinne als<lb/> beſtimmendes Prinzip herrſcht, daß die Farbengebung nur der Schönheit der Form<lb/> dient. In dieſe Grenze eingeſchloſſen tritt zwar auch hier zugleich mit dem<lb/> Unterſchiede der Entwicklungsſtufen des Styls (§. 531) eine relativ mehr<lb/> maleriſche nach einer großartig plaſtiſchen Richtung auf und mit ihr gelangen,<lb/> insbeſondere nach der Verpflanzung der griechiſchen Kunſt in das <hi rendition="#g">römiſche</hi><lb/> Reich, in naturgemäßem Kreislauf mehr und mehr die rein auf die urſprüng-<lb/> liche Stoffwelt gegründeten Zweige zum Anbau; aber dieſe Wendung iſt hier<lb/> Ausdruck des beginnenden Verfalls.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">1. Das Weſentliche der <hi rendition="#g">orientaliſchen</hi> Malerei iſt in Anm. <hi rendition="#sub">1</hi><lb/> zu §. 649 bereits bezeichnet und bedarf für unſeren Zweck nur noch<lb/> weniger Erläuterung, wobei wir uns an die <hi rendition="#g">ägyptiſche</hi> Malerei halten,<lb/> denn ſie iſt die ausgebildetſte und bekannteſte. Wir wiederholen nicht,<lb/> wie der ſymboliſche Standpunct mit ſeinen Fratzenbildungen und die ſtrenge<lb/> Herrſchaft des Typus in ſämmtlichen Künſten aller Entwicklung zur<lb/> freieren Schönheit im Wege ſtehen mußte, ſondern heben zunächſt hervor,<lb/> was dieſe Malerei trotz allen Mängeln wirklich leiſtete. Die Zeichnung<lb/> zeigt denn daſſelbe tiefe Verſtändniß der Formen und Grundverhältniſſe<lb/> des Körpers wie die Plaſtik (in Indien iſt ſie auch hier weicher und<lb/> bewegter, in Aegypten ſtrenger gemeſſen); aber auch Haltung, Gebärde,<lb/> Bewegung iſt fein und ſcharf der Natur abgelauſcht und fließend wieder-<lb/> gegeben; hier kommt die freie Ausdehnung über das ſittenbildliche Gebiet,<lb/> Landbau, Handwerk, Jagd, Schifffahrt, Spiel, Kampf u. ſ. w. dem übrigens<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [694/0202]
bereits im Schluß d. Anm. zu §. 531 berührt. Es verhält ſich alſo mit
den Stoffen, wie mit den Stylen: wer das Aufkommen der ſog. welt-
lichen Stoffe beklagt, der muß auch den Sieg des ächt maleriſchen Styls
als Ausdruck des Verfalls beurtheilen, wer dagegen dort naturgemäße
Entwicklung ſieht, der findet auch hier nichts Anderes, als eine Erhebung
der Malerei zu der Form, die ihrem eigentſten Weſen entſpricht.
α. Die Malerei des Alterthums.
§. 716.
Nachdem der Orient auf der unreifen Vorſtufe der nur mit einfacher
Farbe ausgefüllten, das Aeußerliche menſchlicher Formen, Zuſtände und Thätig-
keiten zwar ſcharf charakteriſirenden, Umriſſe-Zeichnung ohne Kenntniß der
Perſpective ſtehen geblieben war, entwickelte ſich bei den Griechen die
Malerei zur höchſten Vollkommenheit, welche innerhalb eines Standpuncts mög-
lich iſt, auf welchem der plaſtiſche Geiſt in dem ausſchließend engen Sinne als
beſtimmendes Prinzip herrſcht, daß die Farbengebung nur der Schönheit der Form
dient. In dieſe Grenze eingeſchloſſen tritt zwar auch hier zugleich mit dem
Unterſchiede der Entwicklungsſtufen des Styls (§. 531) eine relativ mehr
maleriſche nach einer großartig plaſtiſchen Richtung auf und mit ihr gelangen,
insbeſondere nach der Verpflanzung der griechiſchen Kunſt in das römiſche
Reich, in naturgemäßem Kreislauf mehr und mehr die rein auf die urſprüng-
liche Stoffwelt gegründeten Zweige zum Anbau; aber dieſe Wendung iſt hier
Ausdruck des beginnenden Verfalls.
1. Das Weſentliche der orientaliſchen Malerei iſt in Anm. 1
zu §. 649 bereits bezeichnet und bedarf für unſeren Zweck nur noch
weniger Erläuterung, wobei wir uns an die ägyptiſche Malerei halten,
denn ſie iſt die ausgebildetſte und bekannteſte. Wir wiederholen nicht,
wie der ſymboliſche Standpunct mit ſeinen Fratzenbildungen und die ſtrenge
Herrſchaft des Typus in ſämmtlichen Künſten aller Entwicklung zur
freieren Schönheit im Wege ſtehen mußte, ſondern heben zunächſt hervor,
was dieſe Malerei trotz allen Mängeln wirklich leiſtete. Die Zeichnung
zeigt denn daſſelbe tiefe Verſtändniß der Formen und Grundverhältniſſe
des Körpers wie die Plaſtik (in Indien iſt ſie auch hier weicher und
bewegter, in Aegypten ſtrenger gemeſſen); aber auch Haltung, Gebärde,
Bewegung iſt fein und ſcharf der Natur abgelauſcht und fließend wieder-
gegeben; hier kommt die freie Ausdehnung über das ſittenbildliche Gebiet,
Landbau, Handwerk, Jagd, Schifffahrt, Spiel, Kampf u. ſ. w. dem übrigens
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