Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,3. Stuttgart, 1854.
Welt wird von innen bestimmt, der Wille spannt sich zur straffen, ent- 2. Daß der Hauptstoff aller geschichtlichen Darstellung die großen Die verschiedenen Sphären des Stoffes an sich haben auch hier sich
Welt wird von innen beſtimmt, der Wille ſpannt ſich zur ſtraffen, ent- 2. Daß der Hauptſtoff aller geſchichtlichen Darſtellung die großen Die verſchiedenen Sphären des Stoffes an ſich haben auch hier ſich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p> <hi rendition="#et"><pb facs="#f0188" n="680"/> Welt wird von innen beſtimmt, der Wille ſpannt ſich zur ſtraffen, ent-<lb/> ſcheidenden That; die That ſetzt aber immer einen Boden voraus, wo<lb/> Andere anders wollen und anders handeln, alſo einen Zuſtand, worin<lb/> weltbeſtimmende Prinzipien bereit ſind, in Conflict zu treten, und ſie eben<lb/> iſt es, die dieſen Conflict hervorruft. Wir haben jedoch ebendort bereits<lb/> gezeigt, daß die Malerei als eine zwar dem Ausdruck nach bewegte, der<lb/> wirklichen Grundform nach aber an den Raum gefeſſelte, ſprachloſe Kunſt,<lb/> obwohl ſie zu dem Dramatiſchen mehr, als die Sculptur, berufen ſei,<lb/> dennoch dieſen feurigeren Geiſt in der beruhigenden Fluth des Epiſchen<lb/> kühlen müſſe (vergl. auch Hotho a. a. O. Vorl. 7). Spezieller ſahen<lb/> wir die dramatiſche Bewegung gehemmt durch das Gewicht der Mitauf-<lb/> nahme der Umgebung, der hiedurch bedingten Ausführlichkeit in der Dar-<lb/> ſtellung von Culturformen u. ſ. w., eines Gebiets, das der ſcharf durch-<lb/> ſchneidenden Natur der aus innern Tiefen ſteigenden Handlung noth-<lb/> wendig den Raum verengt. Dieſe Schwierigkeiten hindern jedoch nicht,<lb/> daß in der Malerei ein Zweig ſich bilde, der in Vergleichung mit den<lb/> andern, alſo relativ, dramatiſch iſt; nur werden wir allerdings ſogleich<lb/> ſehen, daß auch das durch die Natur der Kunſtform alſo beſchränkte Dra-<lb/> matiſche ſich nur auf einem Umwege, worin das Epiſche mit ſeiner Breite<lb/> noch einmal, dann auch das Lyriſche wieder hervortritt, zu Leben und<lb/> Recht gelangt.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">2. Daß der Hauptſtoff aller geſchichtlichen Darſtellung die großen<lb/> Momente, die Silberblicke ſind, worin die Seele der Geſchichte, die Frei-<lb/> heit, die zur concreten Verwirklichung ringt, heller durchbricht, wo dieſer<lb/> ihr Nerv ſich blos legt, iſt ſchon zu §. 341 geſagt, der jene Darſtellung<lb/> der geſchichtlichen Schönheit eröffnet, wodurch wir der Kunſtlehre umfaſſend<lb/> vorgearbeitet haben. Es ſind demnach vorzüglich die Kriſen der Geſchichte,<lb/> die Kämpfe nach innen und außen, insbeſondere die Revolutionen, nach<lb/> welchen der Geſchichtsmaler <choice><sic>greiſt</sic><corr>greift</corr></choice>. Natürlich ſteht ihm auch frei, die<lb/> Seitenverzweigungen der Geſchichte, ihre untergeordneteren, weniger be-<lb/> rühmten Gruppen zu erfaſſen, die Privatſchickſale ſind nicht ausgeſchloſſen,<lb/> wenn ſie nur mit dem geſchichtlich Bedeutenden in Zuſammenhang ſtehen,<lb/> und ein Ulrich Hutten bei Eraſmus in Baſel und von ihm abgewichen<lb/> iſt ein im beſten Sinn hiſtoriſcher Stoff. Nur was dem von der Sonne<lb/> der Ueberlieferung matter beſchienenen, von der Cultur entfernten Boden<lb/> angehört, daher auch nicht <hi rendition="#g">geläufig</hi> iſt und zu viel belehrende Notiz<lb/> vorausſetzt, muß der Geſchichtsmaler liegen laſſen.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">Die verſchiedenen Sphären des Stoffes an ſich haben auch hier ſich<lb/> nicht zu einer ſtehend gewordenen Eintheilung fixirt, aber es muß, wie in<lb/> den andern Zweigen, von der Wiſſenſchaft ein unterſcheidender Blick dar-<lb/> über hingeworfen werden. Ueberſchaut man nun jenen, im erſten Abſchnitt<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [680/0188]
Welt wird von innen beſtimmt, der Wille ſpannt ſich zur ſtraffen, ent-
ſcheidenden That; die That ſetzt aber immer einen Boden voraus, wo
Andere anders wollen und anders handeln, alſo einen Zuſtand, worin
weltbeſtimmende Prinzipien bereit ſind, in Conflict zu treten, und ſie eben
iſt es, die dieſen Conflict hervorruft. Wir haben jedoch ebendort bereits
gezeigt, daß die Malerei als eine zwar dem Ausdruck nach bewegte, der
wirklichen Grundform nach aber an den Raum gefeſſelte, ſprachloſe Kunſt,
obwohl ſie zu dem Dramatiſchen mehr, als die Sculptur, berufen ſei,
dennoch dieſen feurigeren Geiſt in der beruhigenden Fluth des Epiſchen
kühlen müſſe (vergl. auch Hotho a. a. O. Vorl. 7). Spezieller ſahen
wir die dramatiſche Bewegung gehemmt durch das Gewicht der Mitauf-
nahme der Umgebung, der hiedurch bedingten Ausführlichkeit in der Dar-
ſtellung von Culturformen u. ſ. w., eines Gebiets, das der ſcharf durch-
ſchneidenden Natur der aus innern Tiefen ſteigenden Handlung noth-
wendig den Raum verengt. Dieſe Schwierigkeiten hindern jedoch nicht,
daß in der Malerei ein Zweig ſich bilde, der in Vergleichung mit den
andern, alſo relativ, dramatiſch iſt; nur werden wir allerdings ſogleich
ſehen, daß auch das durch die Natur der Kunſtform alſo beſchränkte Dra-
matiſche ſich nur auf einem Umwege, worin das Epiſche mit ſeiner Breite
noch einmal, dann auch das Lyriſche wieder hervortritt, zu Leben und
Recht gelangt.
2. Daß der Hauptſtoff aller geſchichtlichen Darſtellung die großen
Momente, die Silberblicke ſind, worin die Seele der Geſchichte, die Frei-
heit, die zur concreten Verwirklichung ringt, heller durchbricht, wo dieſer
ihr Nerv ſich blos legt, iſt ſchon zu §. 341 geſagt, der jene Darſtellung
der geſchichtlichen Schönheit eröffnet, wodurch wir der Kunſtlehre umfaſſend
vorgearbeitet haben. Es ſind demnach vorzüglich die Kriſen der Geſchichte,
die Kämpfe nach innen und außen, insbeſondere die Revolutionen, nach
welchen der Geſchichtsmaler greift. Natürlich ſteht ihm auch frei, die
Seitenverzweigungen der Geſchichte, ihre untergeordneteren, weniger be-
rühmten Gruppen zu erfaſſen, die Privatſchickſale ſind nicht ausgeſchloſſen,
wenn ſie nur mit dem geſchichtlich Bedeutenden in Zuſammenhang ſtehen,
und ein Ulrich Hutten bei Eraſmus in Baſel und von ihm abgewichen
iſt ein im beſten Sinn hiſtoriſcher Stoff. Nur was dem von der Sonne
der Ueberlieferung matter beſchienenen, von der Cultur entfernten Boden
angehört, daher auch nicht geläufig iſt und zu viel belehrende Notiz
vorausſetzt, muß der Geſchichtsmaler liegen laſſen.
Die verſchiedenen Sphären des Stoffes an ſich haben auch hier ſich
nicht zu einer ſtehend gewordenen Eintheilung fixirt, aber es muß, wie in
den andern Zweigen, von der Wiſſenſchaft ein unterſcheidender Blick dar-
über hingeworfen werden. Ueberſchaut man nun jenen, im erſten Abſchnitt
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