Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,3. Stuttgart, 1854.
liche Vertiefung in das Umgebende, eine umständliche Auffassung nach dieser 1. Daß das Sittenbild in seinem wahren und ganzen Wesen nur 44*
liche Vertiefung in das Umgebende, eine umſtändliche Auffaſſung nach dieſer 1. Daß das Sittenbild in ſeinem wahren und ganzen Weſen nur 44*
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liche Vertiefung in das Umgebende, eine umſtändliche Auffaſſung nach dieſer
Seite mit ſich.
1. Daß das Sittenbild in ſeinem wahren und ganzen Weſen nur
da gegeben iſt, wo es ſeinen Stoff im genannten Sinn außergeſchichtlich
und zugleich nicht übermenſchlich behandelt, dieß bedarf keines Beweiſes.
Die andern Sphären bringen ein die reinen Eintheilungs-Linien durch-
kreuzendes, logiſch ſchwieriges Element herein. Ueberſehen wir nun das
Gebiet des reinen Sittenbildes, ſo liegt vor uns der ganze Stoff, der
im erſten Abſchnitte des zweiten Theils unſeres Syſtems unter C, a:
„die menſchliche Schönheit überhaupt“ aufgeführt iſt: die allgemeinen For-
men (die Geſtalt, Zuſtände und Altersſtufen, die Geſchlechter, die Liebe,
die Ehe, die Familie). Die beſondern Formen (die Nacen und Völker,
die Culturformen, das Staatsleben), die individuellen Formen (die natür-
liche, die ſittliche Beſtimmtheit des Individuums, der Charakter, Phyſiog-
nomik, Pathognomik). Die Kunſt nun miſcht die verſchiedenen Theile dieſes
Feldes ſo, daß ſie den letzten, nämlich das phyſiognomiſch und pathogno-
miſch belauſchte Individuum, getaucht in das Element der beiden erſten
(der allgemeinen und beſondern Formen) zur Darſtellung bringt. Daß
insbeſondere nun auch der Charakter im untergeordneten Sinne habitueller
kleiner Leidenſchaft u. ſ. w. die Stelle findet, die ihm §. 685 Anm. in
der Malerei eingeräumt hat, ergibt ſich aus der Natur des Sittenbilds.
Dieſem ganzen Gebiete gibt die Sittenmalerei allerdings die concrete
Färbung der geſchichtlichen Schönheit, trägt alſo den geſammten Stoff in
das Gebiet hinein, das jener Abſchnitt unter C, b. entfaltet, aber, wie
geſagt, nur ſo, daß das mit ausdrücklichen Datum bezeichnete Dieſe vom
Geſchichtlichen wegbleibt. Die ſelbſtändige Eintheilung dieſer ſo beſchaffe-
nen Sphäre als eines Zweigs der Malerei iſt nun aber erſt zu ſuchen.
Da bildet denn der Stoff, wie er ſich auf die anthropologiſchen Unter-
ſchiede: Geſchlechter, Lebensalter u. ſ. w., dann auf die Unterſchiede
der Völker gründet, ebenſo wenig eine einſchneidende Theilung, als der
Unterſchied der Zonen, Länder in der Landſchaft. Merkwürdig bezeichnend
aber iſt es für die moderne Zeit, wie die Kreiſe wachſen: italieniſches
Geſindel, Soldaten, dann holländiſche Bauern, Bürger und Vornehme
waren bei der Entſtehung des Zweigs faſt der einzige Stoff; der natur-
wiſſenſchaftliche, entdeckende, Fernenöffnende, koſmopolitiſche, jede Form des
Menſchlichen in ſein tiefes und weites Intereſſe ziehende Geiſt der Zeit
hat nun aber in raſchem Fortſchritt alle Länder Europa’s, Aſien, Afrika,
die maleriſchen Stoffe Amerika’s erſchloſſen und ſammelt in immer wei-
terem Wandertriebe, wie Herder die Stimmen der Völker, den maleriſchen
Honig aus der fernſten Blume. Dabei iſt es ein Hauptzug, daß das
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