Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,3. Stuttgart, 1854.
Gruppen ebenso auch auf die untergeordneten werfen und man wird
Gruppen ebenſo auch auf die untergeordneten werfen und man wird <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p> <hi rendition="#et"><pb facs="#f0138" n="630"/> Gruppen ebenſo auch auf die untergeordneten werfen und man wird<lb/> daher bei zahlloſen trefflichen Compoſitionen eine größere mittlere Pyramide<lb/> von kleineren, die etwa ſelbſt wieder in Größen-Unterſchiede ſich theilen,<lb/> mit mehr oder weniger Unterbrechung durch gerade Linien, ſich umgeben<lb/> ſehen. Nun aber kann dieß Verhältniß in verſchiedener Weiſe ſich ver-<lb/> ändern. Hauptperſon oder Hauptgruppe fällt an das eine Ende einer<lb/> Länge-Compoſition und ragt durch Höhe hervor: dann wird die Symmetrie<lb/> verlangen, daß das am andern Ende Gegenüberſtehende in ungefähr ent-<lb/> ſprechendem Maaß ebenfalls ſteige, wie man dieß z. B. in Paolo Vero-<lb/> neſe’s Bildern: die bekehrte Familie Coneina und die Anbetung der Kö-<lb/> nige (in Dresden) ſieht. Der natürliche Zug zu der Anordnung einer<lb/> Baſis von niedriger Gegenüberſtehendem und einem Gipfel darüber wird<lb/> ſich dann, da er ſich nicht als Pyramidalform im Ganzen darſtellt, doch<lb/> auf dieſe zwei Endgruppen werfen und man erhält eine tiefere Mitte<lb/> von zwei pyramiden-ähnlichen Formen flankirt. Dieſe oder eine ähnliche<lb/> Anordnung kann nun überhaupt eintreten, wenn Hauptperſon oder Haupt-<lb/> gruppe nur durch die Stellung in der Mitte ſich auszeichnet oder eine<lb/> ſolche im engeren Sinne überhaupt nicht da iſt, ſondern die Einheit mehr<lb/> im Geiſte des Ganzen bei nur relativem Dignitäts-Unterſchiede der Grup-<lb/> pen liegt: man wird irgendwie einen pyramidalen Höhetrieb wenigſtens in<lb/> der einzelnen Gruppe mit dem Prinzip der Gegenüberſtellung derſelben<lb/> ſich vereinigen ſehen. Nun haben wir aber nicht vergeſſen, daß das<lb/> Gegenüber gar nicht blos in den Figuren, ſondern ebenſoſehr in einer<lb/> Zuſammenſtellung dieſer mit andern feſten Körpern oder bald der einen,<lb/> bald der andern, bald beider mit Licht- und Farbenwirkungen ſich aus-<lb/> drücken kann und daß dieß im Genre und Landſchaft und im rein male-<lb/> riſchen Style vorzüglich der Fall ſein wird. Dennoch wird dieſer Zug<lb/> der Raum-Symbolik auch hier nicht völlig ſchweigen; ohne denſelben<lb/> Paralleliſmus im Großen, wie bei der ſtrengeren hiſtoriſchen Compoſition<lb/> oder dem höheren Genre, aber doch innerhalb einzelner Gruppen wird ein<lb/> inneres Geſetz den Maler immer dazu führen, den Dreiſchlag von zwei oder<lb/> mehreren Gegenüberſtehenden und einem Uebergeordneten in der Annähr-<lb/> rung an die Pyramidalform darzuſtellen. Man wird z. B. keine ſchöne<lb/> Baumgruppe finden, in der ſie nicht mit freier Zufälligkeit anklingt, ſei<lb/> es, daß eine Hauptpyramide in der Mitte ſteigt, oder um eine niedrigere<lb/> Mitte ſich ſolche erheben; ja die einzelne Baumkrone ſelbſt läßt ſie ja<lb/> anklingen wie die Menſchengeſtalt mit ihrem ſymmetriſchen Glieder-<lb/> paare und dem Gipfel des Hauptes darüber. Man unterſcheidet alſo<lb/> in einem Gebiet unendlicher Mannigfaltigkeit doch einige Linien, einige<lb/> Anhaltspuncte und Fr. W. Unger wird nicht ganz im Grundloſen ſich be-<lb/> wegen, wenn er in dem oben angeführten Werk es unternimmt, eine<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [630/0138]
Gruppen ebenſo auch auf die untergeordneten werfen und man wird
daher bei zahlloſen trefflichen Compoſitionen eine größere mittlere Pyramide
von kleineren, die etwa ſelbſt wieder in Größen-Unterſchiede ſich theilen,
mit mehr oder weniger Unterbrechung durch gerade Linien, ſich umgeben
ſehen. Nun aber kann dieß Verhältniß in verſchiedener Weiſe ſich ver-
ändern. Hauptperſon oder Hauptgruppe fällt an das eine Ende einer
Länge-Compoſition und ragt durch Höhe hervor: dann wird die Symmetrie
verlangen, daß das am andern Ende Gegenüberſtehende in ungefähr ent-
ſprechendem Maaß ebenfalls ſteige, wie man dieß z. B. in Paolo Vero-
neſe’s Bildern: die bekehrte Familie Coneina und die Anbetung der Kö-
nige (in Dresden) ſieht. Der natürliche Zug zu der Anordnung einer
Baſis von niedriger Gegenüberſtehendem und einem Gipfel darüber wird
ſich dann, da er ſich nicht als Pyramidalform im Ganzen darſtellt, doch
auf dieſe zwei Endgruppen werfen und man erhält eine tiefere Mitte
von zwei pyramiden-ähnlichen Formen flankirt. Dieſe oder eine ähnliche
Anordnung kann nun überhaupt eintreten, wenn Hauptperſon oder Haupt-
gruppe nur durch die Stellung in der Mitte ſich auszeichnet oder eine
ſolche im engeren Sinne überhaupt nicht da iſt, ſondern die Einheit mehr
im Geiſte des Ganzen bei nur relativem Dignitäts-Unterſchiede der Grup-
pen liegt: man wird irgendwie einen pyramidalen Höhetrieb wenigſtens in
der einzelnen Gruppe mit dem Prinzip der Gegenüberſtellung derſelben
ſich vereinigen ſehen. Nun haben wir aber nicht vergeſſen, daß das
Gegenüber gar nicht blos in den Figuren, ſondern ebenſoſehr in einer
Zuſammenſtellung dieſer mit andern feſten Körpern oder bald der einen,
bald der andern, bald beider mit Licht- und Farbenwirkungen ſich aus-
drücken kann und daß dieß im Genre und Landſchaft und im rein male-
riſchen Style vorzüglich der Fall ſein wird. Dennoch wird dieſer Zug
der Raum-Symbolik auch hier nicht völlig ſchweigen; ohne denſelben
Paralleliſmus im Großen, wie bei der ſtrengeren hiſtoriſchen Compoſition
oder dem höheren Genre, aber doch innerhalb einzelner Gruppen wird ein
inneres Geſetz den Maler immer dazu führen, den Dreiſchlag von zwei oder
mehreren Gegenüberſtehenden und einem Uebergeordneten in der Annähr-
rung an die Pyramidalform darzuſtellen. Man wird z. B. keine ſchöne
Baumgruppe finden, in der ſie nicht mit freier Zufälligkeit anklingt, ſei
es, daß eine Hauptpyramide in der Mitte ſteigt, oder um eine niedrigere
Mitte ſich ſolche erheben; ja die einzelne Baumkrone ſelbſt läßt ſie ja
anklingen wie die Menſchengeſtalt mit ihrem ſymmetriſchen Glieder-
paare und dem Gipfel des Hauptes darüber. Man unterſcheidet alſo
in einem Gebiet unendlicher Mannigfaltigkeit doch einige Linien, einige
Anhaltspuncte und Fr. W. Unger wird nicht ganz im Grundloſen ſich be-
wegen, wenn er in dem oben angeführten Werk es unternimmt, eine
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |