Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,3. Stuttgart, 1854.
sowohl durch Farbenreiz, als durch Form und Bewegung unser Gefühl §. 687. 1. Die Aufzeigung innerer Gesetze in der Composition wird auch dadurch 1. In der Lehre von der Bildnerkunst trat uns deutlich und einfach
ſowohl durch Farbenreiz, als durch Form und Bewegung unſer Gefühl §. 687. 1. Die Aufzeigung innerer Geſetze in der Compoſition wird auch dadurch 1. In der Lehre von der Bildnerkunſt trat uns deutlich und einfach <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p> <hi rendition="#et"><pb facs="#f0122" n="614"/> ſowohl durch Farbenreiz, als durch Form und Bewegung unſer Gefühl<lb/> verkehrter Weiſe zu dem hinlenken, was ſinnlich oder ſittlich am Gegen-<lb/> ſtande unſerer Vorliebe entgegenkommt oder unſere Abneigung weckt,<lb/> aber wenn er dieß unterläßt, wenn er vielmehr jeden Gegenſtand ſo be-<lb/> handelt, daß wir im Einzelnen ein Ewiges dargeſtellt ſehen, ſo darf<lb/> darum innerhalb dieſer allgemeinen Durchläuterung doch keineswegs<lb/> überſehen werden, wie die Gegenſtände in ſpezifiſch verſchiedener Art,<lb/> Tiefe und Fülle das Ewige ausdrücken. Und ſo iſt es denn auch nicht<lb/> einerlei, ob das maleriſche Licht auf Waſſer oder Land oder Bäume oder<lb/> Menſchen fällt, und darum auch nicht einerlei, in welchen Linien-Ver-<lb/> hältniſſen dieſe Geſtalten ſich darſtellen. Nur ſoviel ſehen wir zunächſt,<lb/> daß über dieſe Verhältniſſe ſich noch weniger Feſtes beſtimmen läßt, als<lb/> in der Plaſtik.</hi> </p> </div><lb/> <div n="4"> <head>§. 687.</head><lb/> <note place="left"> <hi rendition="#b">1.</hi> </note> <p> <hi rendition="#fr">Die Aufzeigung innerer Geſetze in der Compoſition wird auch dadurch<lb/> erſchwert, daß die Form der Umgrenzung eines Gemäldes keinesmegs immer<lb/> durch rein künſtleriſche Gründe, ſondern ebenſo häufig durch die Geſtalt der</hi><lb/> <note place="left"> <hi rendition="#b">2.</hi> </note> <hi rendition="#fr">Wandfläche beſtimmt wird, welche es zieren ſoll. Im innern Weſen der Ma-<lb/> lerei iſt es begründet, daß die äußerſte Grenze ihres Werks durch eine be-<lb/> ſondere Einfaſſung bezeichnet wird.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">1. In der Lehre von der Bildnerkunſt trat uns deutlich und einfach<lb/> der Unterſchied einer Länge-Compoſition und einer Pyramiden-ähnlichen<lb/> Höhe-Compoſition entgegen; das quadratiſche Feld bei einer Gattung<lb/> des Reliefs (nebſt Medaillon-Form) ſtand in der Mitte. Da die Malerei<lb/> auf der Fläche darſtellt wie das Relief, aber durch die Tiefe, die ſie vor-<lb/> aus hat, ihre Gruppen mehr verflechten, Gegenſtände aller Art enger<lb/> verbunden darſtellen kann, als dieſes, ſo wird im Allgemeinen das regel-<lb/> mäßige Viereck, auf welchem, namentlich in der Metope, auch das Relief<lb/> zu geſchloſſeneren Gruppen ſich zuſammenzieht, zur herrſchenden Durch-<lb/> ſchnitts-Form werden; und damit ſcheint wenigſtens eine Anknüpfung<lb/> gegeben für den Verſuch, ein Geſetz der Anordnung der darzuſtellenden<lb/> Gegenſtände aufzufinden. Wären nun die unendlichen Abweichungen von<lb/> dieſer mittleren Form nur durch innere Gründe bedingt, ſo wären dieſe<lb/> zunächſt in ihren Hauptmomenten zu ſuchen und ſo ſcheint der Weg zur<lb/> Aufſtellung feſter Beſtimmungen über die Compoſition ohne weitere Un-<lb/> terbrechung eröffnet: in der Landſchaft z. B. entſteht Ueberhöhung des<lb/> Vierecks, wenn die Darſtellung des Luftlebens zur Hauptſache wird,<lb/> im Genre und in der Hiſtorie dann, wenn Gruppe oder Gruppen ſich<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [614/0122]
ſowohl durch Farbenreiz, als durch Form und Bewegung unſer Gefühl
verkehrter Weiſe zu dem hinlenken, was ſinnlich oder ſittlich am Gegen-
ſtande unſerer Vorliebe entgegenkommt oder unſere Abneigung weckt,
aber wenn er dieß unterläßt, wenn er vielmehr jeden Gegenſtand ſo be-
handelt, daß wir im Einzelnen ein Ewiges dargeſtellt ſehen, ſo darf
darum innerhalb dieſer allgemeinen Durchläuterung doch keineswegs
überſehen werden, wie die Gegenſtände in ſpezifiſch verſchiedener Art,
Tiefe und Fülle das Ewige ausdrücken. Und ſo iſt es denn auch nicht
einerlei, ob das maleriſche Licht auf Waſſer oder Land oder Bäume oder
Menſchen fällt, und darum auch nicht einerlei, in welchen Linien-Ver-
hältniſſen dieſe Geſtalten ſich darſtellen. Nur ſoviel ſehen wir zunächſt,
daß über dieſe Verhältniſſe ſich noch weniger Feſtes beſtimmen läßt, als
in der Plaſtik.
§. 687.
Die Aufzeigung innerer Geſetze in der Compoſition wird auch dadurch
erſchwert, daß die Form der Umgrenzung eines Gemäldes keinesmegs immer
durch rein künſtleriſche Gründe, ſondern ebenſo häufig durch die Geſtalt der
Wandfläche beſtimmt wird, welche es zieren ſoll. Im innern Weſen der Ma-
lerei iſt es begründet, daß die äußerſte Grenze ihres Werks durch eine be-
ſondere Einfaſſung bezeichnet wird.
2.
1. In der Lehre von der Bildnerkunſt trat uns deutlich und einfach
der Unterſchied einer Länge-Compoſition und einer Pyramiden-ähnlichen
Höhe-Compoſition entgegen; das quadratiſche Feld bei einer Gattung
des Reliefs (nebſt Medaillon-Form) ſtand in der Mitte. Da die Malerei
auf der Fläche darſtellt wie das Relief, aber durch die Tiefe, die ſie vor-
aus hat, ihre Gruppen mehr verflechten, Gegenſtände aller Art enger
verbunden darſtellen kann, als dieſes, ſo wird im Allgemeinen das regel-
mäßige Viereck, auf welchem, namentlich in der Metope, auch das Relief
zu geſchloſſeneren Gruppen ſich zuſammenzieht, zur herrſchenden Durch-
ſchnitts-Form werden; und damit ſcheint wenigſtens eine Anknüpfung
gegeben für den Verſuch, ein Geſetz der Anordnung der darzuſtellenden
Gegenſtände aufzufinden. Wären nun die unendlichen Abweichungen von
dieſer mittleren Form nur durch innere Gründe bedingt, ſo wären dieſe
zunächſt in ihren Hauptmomenten zu ſuchen und ſo ſcheint der Weg zur
Aufſtellung feſter Beſtimmungen über die Compoſition ohne weitere Un-
terbrechung eröffnet: in der Landſchaft z. B. entſteht Ueberhöhung des
Vierecks, wenn die Darſtellung des Luftlebens zur Hauptſache wird,
im Genre und in der Hiſtorie dann, wenn Gruppe oder Gruppen ſich
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