Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,3. Stuttgart, 1854.
gesetzes in der Beziehung der Höhe und Breite weniger erschweren. Die
geſetzes in der Beziehung der Höhe und Breite weniger erſchweren. Die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p> <hi rendition="#et"><pb facs="#f0119" n="611"/> geſetzes in der Beziehung der Höhe und Breite weniger erſchweren. Die<lb/> Bedeutung der Ferne iſt es nun aber, die uns unmittelbar auf die Farbe<lb/> führt, denn ſie vollendet ſich ja erſt durch die Luftperſpective, durch Licht<lb/> und Farbe überhaupt: ſoll ſie ideal wirken, dem auf den Hintergrund<lb/> verwieſenen Gegenſtand das höchſte Intereſſe leihen, ſo muß Beleuchtung<lb/> und Ton ihn heben, wie z. B. die in der Abendſonne glühenden Berges-<lb/> gipfel am äußerſten Horizont. In Licht- und Farbengebung hebt ſich<lb/> die Zeichnung beziehungsweiſe auf: ſo hebt ſich denn auch die Compoſition<lb/> als räumliche Anordnung beziehungsweiſe in die Compoſition als Far-<lb/> ben-Ordnung auf, vollendet ſich erſt in ihr. Wir ſagen: beziehungsweiſe,<lb/> und auch der §. ſtellt nichts Abſolutes auf, ſondern beſchränkt ſich auf ein<lb/> „ſowohl, als auch“. Schleiermacher urtheilt anders; er ſetzt das <hi rendition="#g">Ganze</hi> der<lb/> Malerei in die Licht- und Farbengebung, er ſagt, die ganze Erfindung werde<lb/> nur beſtimmt durch die Darſtellung der Geſtalten in den Verhältniſſen des<lb/> Lichts (Vorleſ. über d. Aeſth. S. 527. 528). Er ſetzt alſo Geſtalten voraus;<lb/> aber wenn er gerade an dieſer Stelle beſonders betont, was er übrigens als<lb/> für alle Kunſt geltend behauptet, daß es nämlich nicht auf den Gegenſtand<lb/> und ſeine Wirkung („das Ethos“) ankomme, ſo kann ſolche ausdrückliche<lb/> Hervorhebung eines allgemeinen Satzes an dieſer Stelle nur den Sinn<lb/> haben, daß mit dem Intereſſe der Gegenſtände auch das Intereſſe der Li-<lb/> near-Schönheit in der maleriſchen Compoſition rein aufgehen ſoll. Dieß<lb/> iſt nicht richtig, ſondern heißt der Partei der einſeitigen Coloriſten bei-<lb/> treten, von der wir in §. 676 geſehen haben, wie ſie ſich durch ihr Prinzip<lb/> bis zum Nihiliſmus, zur Romantik der gegenſtandsloſen Stimmung<lb/> treiben läßt. Es ſind mehrere Fälle möglich: in jedem derſelben wird<lb/> die lineare Compoſition relativ unſelbſtändig, in keinem ſo ganz gleichgül-<lb/> tig, wie es bei ſolcher extremen Auffaſſung ſcheint. Wir heben, indem<lb/> wir dieſe Fälle unterſcheiden, den im §. zuletzt aufgeführten hier als den<lb/> erſten hervor, weil er in vollem Gegenſatze zum einſeitig coloriſtiſchen<lb/> Standpuncte ſteht: es iſt der, wo auf den Gegenſtänden, d. h. den ge-<lb/> ſtalteten Körpern, nicht nur überhaupt noch poſitives Gewicht liegt, ſondern<lb/> auch gefordert wird, daß ſie ſchön in der Form ſeien. Daß nach Maaß-<lb/> gabe des Stoffes und gemäß der Berechtigung, die dem plaſtiſchen Style<lb/> zukommt, dieß ſo ſein kann, ohne daß darum im Geringſten ein patho-<lb/> logiſches Intereſſe auf den Stoff an ſich fällt, bedarf gewiß keines Be-<lb/> weiſes. Wie ſehr nun auch hier das Geſetz des linearen Aufbaus durch<lb/> die Geltung der Licht- und Farbenverhältniſſe alterirt wird, erhellt z. B.<lb/> daraus, daß ſelbſt in einer Landſchaft plaſtiſchen Styls alle bedeutenderen<lb/> Körper ſich in den einen oder andern Winkel der viereckigen Fläche zu<lb/> einem ungefähren Dreieck zuſammendrängen können, während die andere<lb/> Seite relativ leer, flach bleibt; dadurch iſt alle Schönheit der Architektonik,<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [611/0119]
geſetzes in der Beziehung der Höhe und Breite weniger erſchweren. Die
Bedeutung der Ferne iſt es nun aber, die uns unmittelbar auf die Farbe
führt, denn ſie vollendet ſich ja erſt durch die Luftperſpective, durch Licht
und Farbe überhaupt: ſoll ſie ideal wirken, dem auf den Hintergrund
verwieſenen Gegenſtand das höchſte Intereſſe leihen, ſo muß Beleuchtung
und Ton ihn heben, wie z. B. die in der Abendſonne glühenden Berges-
gipfel am äußerſten Horizont. In Licht- und Farbengebung hebt ſich
die Zeichnung beziehungsweiſe auf: ſo hebt ſich denn auch die Compoſition
als räumliche Anordnung beziehungsweiſe in die Compoſition als Far-
ben-Ordnung auf, vollendet ſich erſt in ihr. Wir ſagen: beziehungsweiſe,
und auch der §. ſtellt nichts Abſolutes auf, ſondern beſchränkt ſich auf ein
„ſowohl, als auch“. Schleiermacher urtheilt anders; er ſetzt das Ganze der
Malerei in die Licht- und Farbengebung, er ſagt, die ganze Erfindung werde
nur beſtimmt durch die Darſtellung der Geſtalten in den Verhältniſſen des
Lichts (Vorleſ. über d. Aeſth. S. 527. 528). Er ſetzt alſo Geſtalten voraus;
aber wenn er gerade an dieſer Stelle beſonders betont, was er übrigens als
für alle Kunſt geltend behauptet, daß es nämlich nicht auf den Gegenſtand
und ſeine Wirkung („das Ethos“) ankomme, ſo kann ſolche ausdrückliche
Hervorhebung eines allgemeinen Satzes an dieſer Stelle nur den Sinn
haben, daß mit dem Intereſſe der Gegenſtände auch das Intereſſe der Li-
near-Schönheit in der maleriſchen Compoſition rein aufgehen ſoll. Dieß
iſt nicht richtig, ſondern heißt der Partei der einſeitigen Coloriſten bei-
treten, von der wir in §. 676 geſehen haben, wie ſie ſich durch ihr Prinzip
bis zum Nihiliſmus, zur Romantik der gegenſtandsloſen Stimmung
treiben läßt. Es ſind mehrere Fälle möglich: in jedem derſelben wird
die lineare Compoſition relativ unſelbſtändig, in keinem ſo ganz gleichgül-
tig, wie es bei ſolcher extremen Auffaſſung ſcheint. Wir heben, indem
wir dieſe Fälle unterſcheiden, den im §. zuletzt aufgeführten hier als den
erſten hervor, weil er in vollem Gegenſatze zum einſeitig coloriſtiſchen
Standpuncte ſteht: es iſt der, wo auf den Gegenſtänden, d. h. den ge-
ſtalteten Körpern, nicht nur überhaupt noch poſitives Gewicht liegt, ſondern
auch gefordert wird, daß ſie ſchön in der Form ſeien. Daß nach Maaß-
gabe des Stoffes und gemäß der Berechtigung, die dem plaſtiſchen Style
zukommt, dieß ſo ſein kann, ohne daß darum im Geringſten ein patho-
logiſches Intereſſe auf den Stoff an ſich fällt, bedarf gewiß keines Be-
weiſes. Wie ſehr nun auch hier das Geſetz des linearen Aufbaus durch
die Geltung der Licht- und Farbenverhältniſſe alterirt wird, erhellt z. B.
daraus, daß ſelbſt in einer Landſchaft plaſtiſchen Styls alle bedeutenderen
Körper ſich in den einen oder andern Winkel der viereckigen Fläche zu
einem ungefähren Dreieck zuſammendrängen können, während die andere
Seite relativ leer, flach bleibt; dadurch iſt alle Schönheit der Architektonik,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |