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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,2. Stuttgart, 1853.

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treten, wo die Zierrath Organisches nachbildet, ausdrücklicher in dem
Grade sich herausarbeiten, in welchem ein Geräth, Schmuck u. s. w.,
namentlich vermöge seiner Kleinheit, ganz in organische Formen sich auf-
lösen läßt. Die feine Symbolik, durch welche der ächte Künstler Zweck
und Bedeutung des Gegenstands ausspricht, ist dort in Anm. 2. bespro-
chen. In das Gebiet dieser anhängenden Plastik gehört denn namentlich
ein Miniatur-Relief, das sich an kleine Flächen legt. Zunächst zum
Zwecke des Siegelns wird auf eine harte Fläche ein kleines Bildwerk
vertieft eingegraben: entupon, eggluphon, intaglio; ein umgekehrtes Relief,
das im Abdrucke zum eigentlichen wird. Erst in der späteren Zeit des
Luxus fing man im Alterthum an, diese Siegel an Ringen zu tragen.
Hier pflegte man denn vor Allem edle Steine zu wählen, denn die Zier-
plastik legt mit Fug und Recht einen Werth auf die Kostbarkeit des Ma-
terials und das Siegel sollte ja nun zugleich Schmuck sein (daher: Gem-
men); bei Aermeren vertrat Glas die Stelle (Pasten). Als Beispiel
freien Spiels mit Analogien im Ornamente mag hier noch angeführt
werden, daß die Griechen die Fassung des Steines in Gold, da ihnen
dabei der in der Schleuder ruhende Stein einfiel, gewöhnlich in dieser
sinnreichen Form behandelten. Bei diesen Arbeiten galt es nun, im
kleinsten Maaßstabe, bis zu dem Grade, wo das Werk mit der Lupe gesehen
sein will, im härtesten Material, also mit den größten technischen Schwie-
rigkeiten doch die reinste Kunstform zu entwickeln, und die Griechen haben
diese Aufgabe in unerreichter Vollendung gelöst, wiewohl die Kleinplastik
des Luxus begreiflichermaßen nicht in der Epoche des hohen, sondern
erst des schönen, rührenden Styls (Skopas und Praxiteles) gewöhnlich
wird und ihre volle Ausbildung erst zur Zeit des Lysippus durch einen
Pyrgoteles erhält. Je mehr nun bloßer Schmuck, desto mehr wird die
eingetiefte Form zwecklos und tritt in der makedonischen Zeit an die Stelle
des Eingeschnittenen das eigentliche Relief: ektupon, anagluphon, cameo;
bei durchsichtigem Stein erschienen aber, gegen das Licht gehalten, auch
die Intaglien als Relief. Verschiedengefärbte Lagen des Edelsteins,
namentlich Onyx, wurden, wie neuerdings die innere Schichte gewisser
Muscheln, zu einem Anfluge von Polychromie benützt. Dieß kleine Re-
lief dient nun nicht mehr blos als Ring, sondern wird an kostbarem Ge-
räthe, wie Bechern, Leuchtern u. s. w. angebracht, eine Sitte, die na-
mentlich auf das frühere Mittelalter überging; unsere Zeit liebt es an
Brochen u. dgl. Es gehört nun diese kleine Welt mit allem verzieren-
den Werke des Bildners, namentlich dem größeren Relief, das an Ge-
fäßen, Waffen, Geräthe aller Art im verschiedensten Material durch ver-
schiedene Arten der Technik sich anschmiegt, in Ein Gebiet zusammen,
sie fordert aber diese besondere Hervorhebung, weil wunderbar bei so

treten, wo die Zierrath Organiſches nachbildet, ausdrücklicher in dem
Grade ſich herausarbeiten, in welchem ein Geräth, Schmuck u. ſ. w.,
namentlich vermöge ſeiner Kleinheit, ganz in organiſche Formen ſich auf-
löſen läßt. Die feine Symbolik, durch welche der ächte Künſtler Zweck
und Bedeutung des Gegenſtands ausſpricht, iſt dort in Anm. 2. beſpro-
chen. In das Gebiet dieſer anhängenden Plaſtik gehört denn namentlich
ein Miniatur-Relief, das ſich an kleine Flächen legt. Zunächſt zum
Zwecke des Siegelns wird auf eine harte Fläche ein kleines Bildwerk
vertieft eingegraben: ἔντυπον, ἔγγλυφον, intaglio; ein umgekehrtes Relief,
das im Abdrucke zum eigentlichen wird. Erſt in der ſpäteren Zeit des
Luxus fing man im Alterthum an, dieſe Siegel an Ringen zu tragen.
Hier pflegte man denn vor Allem edle Steine zu wählen, denn die Zier-
plaſtik legt mit Fug und Recht einen Werth auf die Koſtbarkeit des Ma-
terials und das Siegel ſollte ja nun zugleich Schmuck ſein (daher: Gem-
men); bei Aermeren vertrat Glas die Stelle (Paſten). Als Beiſpiel
freien Spiels mit Analogien im Ornamente mag hier noch angeführt
werden, daß die Griechen die Faſſung des Steines in Gold, da ihnen
dabei der in der Schleuder ruhende Stein einfiel, gewöhnlich in dieſer
ſinnreichen Form behandelten. Bei dieſen Arbeiten galt es nun, im
kleinſten Maaßſtabe, bis zu dem Grade, wo das Werk mit der Lupe geſehen
ſein will, im härteſten Material, alſo mit den größten techniſchen Schwie-
rigkeiten doch die reinſte Kunſtform zu entwickeln, und die Griechen haben
dieſe Aufgabe in unerreichter Vollendung gelöst, wiewohl die Kleinplaſtik
des Luxus begreiflichermaßen nicht in der Epoche des hohen, ſondern
erſt des ſchönen, rührenden Styls (Skopas und Praxiteles) gewöhnlich
wird und ihre volle Ausbildung erſt zur Zeit des Lyſippus durch einen
Pyrgoteles erhält. Je mehr nun bloßer Schmuck, deſto mehr wird die
eingetiefte Form zwecklos und tritt in der makedoniſchen Zeit an die Stelle
des Eingeſchnittenen das eigentliche Relief: ἐκτυπον, ἀνάγλυφον, cameo;
bei durchſichtigem Stein erſchienen aber, gegen das Licht gehalten, auch
die Intaglien als Relief. Verſchiedengefärbte Lagen des Edelſteins,
namentlich Onyx, wurden, wie neuerdings die innere Schichte gewiſſer
Muſcheln, zu einem Anfluge von Polychromie benützt. Dieß kleine Re-
lief dient nun nicht mehr blos als Ring, ſondern wird an koſtbarem Ge-
räthe, wie Bechern, Leuchtern u. ſ. w. angebracht, eine Sitte, die na-
mentlich auf das frühere Mittelalter überging; unſere Zeit liebt es an
Brochen u. dgl. Es gehört nun dieſe kleine Welt mit allem verzieren-
den Werke des Bildners, namentlich dem größeren Relief, das an Ge-
fäßen, Waffen, Geräthe aller Art im verſchiedenſten Material durch ver-
ſchiedene Arten der Technik ſich anſchmiegt, in Ein Gebiet zuſammen,
ſie fordert aber dieſe beſondere Hervorhebung, weil wunderbar bei ſo

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[498/0172] treten, wo die Zierrath Organiſches nachbildet, ausdrücklicher in dem Grade ſich herausarbeiten, in welchem ein Geräth, Schmuck u. ſ. w., namentlich vermöge ſeiner Kleinheit, ganz in organiſche Formen ſich auf- löſen läßt. Die feine Symbolik, durch welche der ächte Künſtler Zweck und Bedeutung des Gegenſtands ausſpricht, iſt dort in Anm. 2. beſpro- chen. In das Gebiet dieſer anhängenden Plaſtik gehört denn namentlich ein Miniatur-Relief, das ſich an kleine Flächen legt. Zunächſt zum Zwecke des Siegelns wird auf eine harte Fläche ein kleines Bildwerk vertieft eingegraben: ἔντυπον, ἔγγλυφον, intaglio; ein umgekehrtes Relief, das im Abdrucke zum eigentlichen wird. Erſt in der ſpäteren Zeit des Luxus fing man im Alterthum an, dieſe Siegel an Ringen zu tragen. Hier pflegte man denn vor Allem edle Steine zu wählen, denn die Zier- plaſtik legt mit Fug und Recht einen Werth auf die Koſtbarkeit des Ma- terials und das Siegel ſollte ja nun zugleich Schmuck ſein (daher: Gem- men); bei Aermeren vertrat Glas die Stelle (Paſten). Als Beiſpiel freien Spiels mit Analogien im Ornamente mag hier noch angeführt werden, daß die Griechen die Faſſung des Steines in Gold, da ihnen dabei der in der Schleuder ruhende Stein einfiel, gewöhnlich in dieſer ſinnreichen Form behandelten. Bei dieſen Arbeiten galt es nun, im kleinſten Maaßſtabe, bis zu dem Grade, wo das Werk mit der Lupe geſehen ſein will, im härteſten Material, alſo mit den größten techniſchen Schwie- rigkeiten doch die reinſte Kunſtform zu entwickeln, und die Griechen haben dieſe Aufgabe in unerreichter Vollendung gelöst, wiewohl die Kleinplaſtik des Luxus begreiflichermaßen nicht in der Epoche des hohen, ſondern erſt des ſchönen, rührenden Styls (Skopas und Praxiteles) gewöhnlich wird und ihre volle Ausbildung erſt zur Zeit des Lyſippus durch einen Pyrgoteles erhält. Je mehr nun bloßer Schmuck, deſto mehr wird die eingetiefte Form zwecklos und tritt in der makedoniſchen Zeit an die Stelle des Eingeſchnittenen das eigentliche Relief: ἐκτυπον, ἀνάγλυφον, cameo; bei durchſichtigem Stein erſchienen aber, gegen das Licht gehalten, auch die Intaglien als Relief. Verſchiedengefärbte Lagen des Edelſteins, namentlich Onyx, wurden, wie neuerdings die innere Schichte gewiſſer Muſcheln, zu einem Anfluge von Polychromie benützt. Dieß kleine Re- lief dient nun nicht mehr blos als Ring, ſondern wird an koſtbarem Ge- räthe, wie Bechern, Leuchtern u. ſ. w. angebracht, eine Sitte, die na- mentlich auf das frühere Mittelalter überging; unſere Zeit liebt es an Brochen u. dgl. Es gehört nun dieſe kleine Welt mit allem verzieren- den Werke des Bildners, namentlich dem größeren Relief, das an Ge- fäßen, Waffen, Geräthe aller Art im verſchiedenſten Material durch ver- ſchiedene Arten der Technik ſich anſchmiegt, in Ein Gebiet zuſammen, ſie fordert aber dieſe beſondere Hervorhebung, weil wunderbar bei ſo

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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,2. Stuttgart, 1853, S. 498. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik030202_1853/172>, abgerufen am 24.11.2024.