Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,1. Stuttgart, 1852.
Formen mehr und mehr in die Sculptur verläuft. Dieß geschieht in dem Vischer's Aesthetik. 3. Band. 22
Formen mehr und mehr in die Sculptur verläuft. Dieß geſchieht in dem Viſcher’s Aeſthetik. 3. Band. 22
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Formen mehr und mehr in die Sculptur verläuft. Dieß geſchieht in dem
Grade, in welchem die runde Linie und die Zierrath, die Organiſches
nachbildet, herrſchend wird. Je mehr die ſtrenge geometriſche Linie herrſcht,
deſto näher ſtellen ſich dieſe Gebilde an die Seite der Architektur. Wir
beginnen die Ueberſicht mit jenen größeren Gegenſtänden, die ſich dadurch
der Baukunſt am engſten anſchließen, daß ſie unbeweglich im Bauwerk
ſtehen und einem Zwecke dienen, der im Bauzwecke mitenthalten iſt;
zunächſt im idealen Bauzweck des Grabmals und Tempels: Sarkophag,
Grabſtein, Altar, Chorgeſtühl, Kanzel, Sacramentshaus, Orgel nach der
decorativen Seite ihres Baus, Taufſtein. In dieſen Bildungen wird ſich
immer der Bauſtyl einer Zeit wiederholen, aber reicher, als das Bau-
werk ſelbſt, in eine vielfältige Ornamentenwelt hinüberblühen. Im Mittel-
alter hat ſich an dieſen Zweigen vorzüglich die blühende Schnitzerkunſt ent-
wickelt, denn für die im Innern geſchützt ſtehenden Werke war das
Holz ein ganz günſtiges Material; doch auch dem Stein wurde nun (vor-
züglich in den reichen Sacramentshäuſern) ein Formenſpiel abgewonnen,
das die Nachwelt anſtaunt. Die Namen Adam Kraft und Syrlin mögen
ſtatt aller weitern Schilderung ein lebendiges und herrliches Bild in der
Phantaſie hervorrufen. Welcher Schwung, welche ſtrotzende Kraft und
welche Genialität der Windung, Verſchlingung, welche markige Schärfe
dringt nun namentlich in die Pflanzen-Ornamentik ein, die hier einen
ungleich reicheren Spielraum hat, als in der großen Architektur! — Von
Solchem, was der nützlichen Baukunſt angehört, mag hier der Ofen
erwähnt werden; die Kunſt des Eiſengießers und des Töpfers kann aus
dem Zwecke der Feurung einen Reichthum charakteriſirender äſthetiſcher
Motive entwickeln. In untergeordneterer Weiſe ſchließen ſich an die
Architektur gewiſſe Aufgaben des Schmieds und Schloſſers, zum Theil
auch des Eiſen- und Bronce-Gießers an: Gitter, Geländer, Träger von
Hervorragendem, reiche Schlöſſer, Thürklopfer u. dergl.; nimmt man die
letzteren, kleineren Objecte für ſich, ſo gehören ſie freilich in ein weiter
unten aufzuführendes, näher der Plaſtik zuzuweiſendes Gebiet, allein
wir dürfen ſie mit dem Feſten des ganzen Bauwerks zuſammenfaſſen.
Auch die zuerſt genannten größeren Formen gehen ja vielfach in eigentlich
plaſtiſches Bildwerk über, das aber hier eben Ornament einer architekto-
niſch behandelten Grundbildung iſt und deren Geſetzen folgt. Die Bele-
gung des Bodens gehört dem Moſaik-Arbeiter und Tiſchler, der Architekt
kann ihm die Motive vorzeichnen, welche hier auf die Technik des Flech-
tens, Wirkens hinüberweiſen, ein Gebiet, von deſſen Stellung nachher
die Rede ſein wird. — Wir gehen nun zu den Geräthen über, d. h.
vorerſt nur zu einem Theile derſelben, demjenigen nämlich, der durch
Größe oder, wenn die Formen klein ſind, durch ſächlich begründetes
Viſcher’s Aeſthetik. 3. Band. 22
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