Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,1. Stuttgart, 1852.sich her gruppiren u. s. w. Wir nennen auch dieses Gruppirungsgesetz krystallisch Dieses Maaßwerk wiederholt sich nun als Durchbrechung in den *) Ein unter der Presse befindliches Werk von Reusch, Prof. der Physik in Tübingen,
wird über den hier angedeuteten, von ihm aufgefundenen geometrischen Schlüssel, der von den Combinationen Hoffstadts und Anderer wohl zu unterscheiden ist, die ausführliche Rechenschaft geben. ſich her gruppiren u. ſ. w. Wir nennen auch dieſes Gruppirungsgeſetz kryſtalliſch Dieſes Maaßwerk wiederholt ſich nun als Durchbrechung in den *) Ein unter der Preſſe befindliches Werk von Reuſch, Prof. der Phyſik in Tübingen,
wird über den hier angedeuteten, von ihm aufgefundenen geometriſchen Schlüſſel, der von den Combinationen Hoffſtadts und Anderer wohl zu unterſcheiden iſt, die ausführliche Rechenſchaft geben. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <div n="8"> <p> <pb facs="#f0160" n="320"/> <hi rendition="#et">ſich her gruppiren u. ſ. w. Wir nennen auch dieſes Gruppirungsgeſetz kryſtalliſch<lb/> wie die einheitliche Wiederkehr im mauriſchen und romaniſchen Ornament;<lb/> der Unterſchied iſt aber der, daß jetzt die Formen nicht nur die band- und<lb/> ſtabartige Verſchlingung mit nicht ausdrücklich hervortretendem Mittelpunct<lb/> aufgeben und als ſelbſtändige Ganze ſich um einen ſolchen gruppiren,<lb/> ſondern daß dieß auch in viel mannigfaltigerer, gefüllterer Weiſe geſchieht;<lb/> das Kaleidoſkop (§. 590) iſt voller geworden, wird öfter gedreht und<lb/> daher das Anſchießungsprinzip, wie im Dogma durch viele Beweiſe,<lb/> reicher belegt. Uebrigens wird durch die vielen gebogenen Spitzen, welche<lb/> nun theils durch die Naſen, theils durch die leergelaſſenen kleinen Felder<lb/> zwiſchen den Einäſtungen entſtehen, das Eckige des gothiſchen Styls zum<lb/> Dornigen, was ebenfalls als ein winterlicher, nordiſcher Geiſt gemahnt.<lb/> — Es liegt nun aber dem Maaßwerke noch ein beſtimmteres geometriſches<lb/> Geheimniß zu Grunde; in der Blüthezeit des Spitzbogenſtyls ſtehen nämlich<lb/> jene genannten fünf einfachen Grundformen, welche theils einzeln, theils<lb/> combinirt, über den aliquoten Theilen der Weite des Hauptſpitzbogens<lb/> mit den ſecundären Spitzbögen zuſammengeſtellt die Grundlinien des Maaß-<lb/> werks bilden, mit der Art des zu Grunde gelegten Spitzbogens in einem<lb/> nothwendigen mathematiſchen Zuſammenhang, ſo daß ihre Meſſung das<lb/> Maaß des letzteren und umgekehrt ergibt, alſo z. B. ein vom Spitzbogen-<lb/> rande abgelöster Vierpaß nur in einem Spitzbogen beſtimmter Form vor-<lb/> kommen kann. Das Abweichen von dieſen einfachen Verzierungsgrund-<lb/> formen, das Dominirenlaſſen gewiſſer willkührlicher Gebilde ohne be-<lb/> ſtimmtes geometriſches Geſetz, welche früher (wie die Fiſchblaſe) nur in<lb/> untergeordneter Weiſe als gelegentliche Ausfüllung von Nebenräumen ſich<lb/> ergeben hatten, bezeichnet den Verfall dieſes Styls. Jenen geometriſchen<lb/> Zuſammenhang zwiſchen der Art des gewählten Spitzbogens und der Ver-<lb/> zierungs-Motive müſſen die alten Meiſter, wie ſich nachweiſen läßt, zum<lb/> Theil genau, zum Theil annähernd ſich zum Bewußtſein gebracht haben,<lb/> aber nicht durch ſtarres Feſthalten an einmal feſtgeſtellten Zahlenverhält-<lb/> niſſen, auch nicht auf rein mathematiſchem Wege, ſondern durch ein von<lb/> inniger Vertiefung geleitetes Probiren und Suchen mit Zirkel und Lineal <note place="foot" n="*)">Ein unter der Preſſe befindliches Werk von Reuſch, Prof. der Phyſik in Tübingen,<lb/> wird über den hier angedeuteten, von ihm aufgefundenen geometriſchen Schlüſſel, der von den<lb/> Combinationen Hoffſtadts und Anderer wohl zu unterſcheiden iſt, die ausführliche Rechenſchaft<lb/> geben.</note>.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">Dieſes Maaßwerk wiederholt ſich nun als Durchbrechung in den<lb/> Galerien, welche die Dachgeſimſe zieren, im Thurmhelm, in den<lb/> Strebebögen, in den eigentlichen Vergitterungen, welche über Wand<lb/> oder Fenſter frei abſtehend die Fenſterform wiederholen, als bloßes<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [320/0160]
ſich her gruppiren u. ſ. w. Wir nennen auch dieſes Gruppirungsgeſetz kryſtalliſch
wie die einheitliche Wiederkehr im mauriſchen und romaniſchen Ornament;
der Unterſchied iſt aber der, daß jetzt die Formen nicht nur die band- und
ſtabartige Verſchlingung mit nicht ausdrücklich hervortretendem Mittelpunct
aufgeben und als ſelbſtändige Ganze ſich um einen ſolchen gruppiren,
ſondern daß dieß auch in viel mannigfaltigerer, gefüllterer Weiſe geſchieht;
das Kaleidoſkop (§. 590) iſt voller geworden, wird öfter gedreht und
daher das Anſchießungsprinzip, wie im Dogma durch viele Beweiſe,
reicher belegt. Uebrigens wird durch die vielen gebogenen Spitzen, welche
nun theils durch die Naſen, theils durch die leergelaſſenen kleinen Felder
zwiſchen den Einäſtungen entſtehen, das Eckige des gothiſchen Styls zum
Dornigen, was ebenfalls als ein winterlicher, nordiſcher Geiſt gemahnt.
— Es liegt nun aber dem Maaßwerke noch ein beſtimmteres geometriſches
Geheimniß zu Grunde; in der Blüthezeit des Spitzbogenſtyls ſtehen nämlich
jene genannten fünf einfachen Grundformen, welche theils einzeln, theils
combinirt, über den aliquoten Theilen der Weite des Hauptſpitzbogens
mit den ſecundären Spitzbögen zuſammengeſtellt die Grundlinien des Maaß-
werks bilden, mit der Art des zu Grunde gelegten Spitzbogens in einem
nothwendigen mathematiſchen Zuſammenhang, ſo daß ihre Meſſung das
Maaß des letzteren und umgekehrt ergibt, alſo z. B. ein vom Spitzbogen-
rande abgelöster Vierpaß nur in einem Spitzbogen beſtimmter Form vor-
kommen kann. Das Abweichen von dieſen einfachen Verzierungsgrund-
formen, das Dominirenlaſſen gewiſſer willkührlicher Gebilde ohne be-
ſtimmtes geometriſches Geſetz, welche früher (wie die Fiſchblaſe) nur in
untergeordneter Weiſe als gelegentliche Ausfüllung von Nebenräumen ſich
ergeben hatten, bezeichnet den Verfall dieſes Styls. Jenen geometriſchen
Zuſammenhang zwiſchen der Art des gewählten Spitzbogens und der Ver-
zierungs-Motive müſſen die alten Meiſter, wie ſich nachweiſen läßt, zum
Theil genau, zum Theil annähernd ſich zum Bewußtſein gebracht haben,
aber nicht durch ſtarres Feſthalten an einmal feſtgeſtellten Zahlenverhält-
niſſen, auch nicht auf rein mathematiſchem Wege, ſondern durch ein von
inniger Vertiefung geleitetes Probiren und Suchen mit Zirkel und Lineal *).
Dieſes Maaßwerk wiederholt ſich nun als Durchbrechung in den
Galerien, welche die Dachgeſimſe zieren, im Thurmhelm, in den
Strebebögen, in den eigentlichen Vergitterungen, welche über Wand
oder Fenſter frei abſtehend die Fenſterform wiederholen, als bloßes
*) Ein unter der Preſſe befindliches Werk von Reuſch, Prof. der Phyſik in Tübingen,
wird über den hier angedeuteten, von ihm aufgefundenen geometriſchen Schlüſſel, der von den
Combinationen Hoffſtadts und Anderer wohl zu unterſcheiden iſt, die ausführliche Rechenſchaft
geben.
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