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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,1. Stuttgart, 1852.

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beſtimmt, wie dieſes harte Volk ſie liebte, imponirt durch den Pomp ſeiner
geſchloſſenen, maſſenhaften, doch ſinnreich durchgeführten Gliederung.

§. 576.

Das Geſammtleben fordert aber noch Räume, welche ausdrücklich der
öffentlichen Darſtellung des Ganzen als ſolchen dienen, zunächſt noch in prak-
tiſchem Sinne: dieß ſind die Plätze und Gebäude für die Volksverſammlung,
die Volksvertretung; ſodann im Sinne des freien, rein darſtellenden Selbſtge-
nuſſes der Geſammtperſönlichkeit: dieß ſind die Anlagen für das Volksfeſt.
An die erſteren vorzüglich ſchließen ſich naturgemäß die Ehrendenkmale für
verdiente Einzelperſonen. Dieſes Gebiet ſteht der Aufgabe, worin alle Bau-
kunſt ihre höchſte ideale Einheit hat, dem Tempelbau am nächſten, tritt mit
ihm und den ihm unmittelbar angehörigen Nebengebäuden in Gruppen zuſammen,
zieht zu dieſen auch die bedeutendſten Bauwerke der vorangehenden Gattung
(§. 575) und ſo erwachſen die Mittelpuncte, die den Kern der höchſten cyk-
liſchen Aufgabe, des Städtebaus, bilden.

Alle bisher aufgeführten Gebäude, ſelbſt die der Regierung und
Rechtspflege, dienen, verglichen mit den Räumen, wo das Ganze als
ſolches in ſeiner Lebendigkeit ſich ausdrücklich darſtellen ſoll, einem Einzel-
zwecke. Bei den Alten war nun der politiſche Marktplatz, die Agora,
das Forum mit den Rednerbühnen, Hallen der Mittelpunct, wo das
Volksganze zunächſt politiſch praktiſch in der Form der Volksverſammlung
(etwa in der beſondern Abtheilung des comitium) ſich zu öffentlicher Hand-
lung vereinigte. Dieß war die lebendige Seele ihres Zuſammenlebens
in Städten, allerdings nicht ſelbſt ein Gebäude, aber der Centralplatz
aller Gebäude, das offene Auge ihrer geſchloſſenen Einheit. Da die
Oeffentlichkeit das Element des Staates war, ſo liefen ihre Adern, eben
jene mehr erwähnten Säulenhallen, Stoen, Leſchen, Portiken, nach einer
Seite mit einer Mauer geſchloſſen oder nach beiden Seiten offen, auch
durch die ganzen Städte hin, fanden aber ihren vereinigenden Mittelpunct
im Hauptplatze; daneben konnte die Volksverſammlung allerdings auch
beſtimmte Räume, wie die Theater, benützen. Das Mittelalter hatte in
ſeinen Lauben noch einen Nachhall jenes das Ganze einer Stadt durch-
ziehenden Ausdrucks der Oeffentlichkeit. Im modernen Staate hat die
Stelle des politiſchen Mittelpunctes, der Agora, der Raum für die
Volksvertretung eingenommen. Er fordert in Kraft ſeiner Bedeutung die
würdigſte Ausſtattung unter den politiſchen Bauten (England, Parlaments-
gebäude); die politiſche Bewegung der neuern Zeit hoffte wie alle Künſte,
ſo vor Allem die Baukunſt nach dieſer Richtung zu beleben. — Die

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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,1. Stuttgart, 1852, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik030201_1852/102>, abgerufen am 01.03.2025.