Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,1. Reutlingen u. a., 1851.c. Die anhängenden Künste. §. 545. Die Kunst als die Wirklichkeit des Schönen hat keinen Zweck außer- Genauer ausgedrückt hieße die Aufschrift: die Neben-Eintheilung c. Die anhängenden Künſte. §. 545. Die Kunſt als die Wirklichkeit des Schönen hat keinen Zweck außer- Genauer ausgedrückt hieße die Aufſchrift: die Neben-Eintheilung <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0179" n="167"/> <div n="4"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">c.</hi><lb/><hi rendition="#g">Die anhängenden Künſte</hi>.</hi> </head><lb/> <div n="5"> <head>§. 545.</head><lb/> <p> <hi rendition="#fr">Die Kunſt als die Wirklichkeit des Schönen hat keinen <hi rendition="#g">Zweck</hi> außer-<lb/> halb ihrer ſelbſt (vergl. §. 23. 56—69. 76—78.). Mitten im Leben wirkend<lb/> tritt ſie jedoch mit dieſem in reichverſchlungene Wechſelbeziehung, worin ſie<lb/> ihre abſolute Stellung freiwillig verläßt, außer-äſthetiſchen Thätigkeiten ihre<lb/> Formgebung leiht und ſo erſt ihre ganze Fülle und Bildungskraft entwickelt.<lb/> Dadurch entſteht eine Reihe bloß anhängender Kunſtformen.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">Genauer ausgedrückt hieße die Aufſchrift: die Neben-Eintheilung<lb/> oder u. ſ. w. Es liegt hier nicht eine Theilungsreihe vor, welche die<lb/> Fortſetzung der Unter-Eintheilung <hi rendition="#aq">a,</hi> <hi rendition="#i">β</hi>. darſtellte, denn es iſt der Zutritt<lb/> eines neuen, außeräſthetiſchen Moments, was die nun auftretenden For-<lb/> men begründet, ſie fordern daher eine eigene Stelle im Ganzen, ſie<lb/> bilden nur einen Seitenzweig der Kunſtlehre. Nachdem man aufgehört<lb/> hat, dieſes gemiſchte Gebiet, worin die ſchöne Form blos Mittel, Vehikel<lb/> iſt, namentlich die didaktiſche Poeſie, als integrirendes Glied in die Kunſt-<lb/> lehre aufzunehmen und dadurch die Eintheilung zu verwirren, iſt man<lb/> übrigens gegen daſſelbe vielfach auch ungerecht geworden. Das Ein-<lb/> dringen in’s Leben, wodurch eine ganze Welt ſolcher halb-äſthetiſcher<lb/> Formen entſteht, iſt nothwendige Wirkung einer blühenden Kunſt, alſo<lb/> auch Erkennungszeichen einer ſolchen, freilich unter der Vorausſetzung,<lb/> daß in dieſen Formen Styl herrſche, denn es gibt auch eine Vielgeſchäf-<lb/> tigkeit in Hervorbringung ſolcher anſchmiegender Mittel-Formen, von<lb/> welcher man nicht weiß, ob ſie die Auflöſung eines Kunſtlebens oder den<lb/> Drang zu einem neuen offenbart; da ſind aber dieſe Formen auch ſtyllos.<lb/> Lebendige Entwicklung in dieſem Gebiet iſt allerdings ebenſoſehr auch<lb/> eine Vorausſetzung, iſt der Anfang der Kunſt; wir erinnern an das in<lb/> §. 514 ausgeſprochene Doppelverhältniß; daſſelbe ſtellt ſich jetzt im<lb/> Syſteme der Kunſtlehre dar, denn dort giengen wir vom Handwerk und<lb/> Spiel aus und jetzt hängen wir dieſes Gebiet, als ein von der entwickel-<lb/> ten Kunſt veredeltes, dieſer nachfolgend an. Auch ſonſt iſt der Werth<lb/> ſolcher Halbformen, wie der tendenziöſen Kunſt, vergl. zu §. 76 Th. <hi rendition="#aq">I</hi><lb/> S. 197, bereits anerkannt. Das ganze Leben wäre barbariſch ohne dieſes<lb/> vermittelnde Band zwiſchen ihm und der Kunſt.</hi> </p> </div><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [167/0179]
c.
Die anhängenden Künſte.
§. 545.
Die Kunſt als die Wirklichkeit des Schönen hat keinen Zweck außer-
halb ihrer ſelbſt (vergl. §. 23. 56—69. 76—78.). Mitten im Leben wirkend
tritt ſie jedoch mit dieſem in reichverſchlungene Wechſelbeziehung, worin ſie
ihre abſolute Stellung freiwillig verläßt, außer-äſthetiſchen Thätigkeiten ihre
Formgebung leiht und ſo erſt ihre ganze Fülle und Bildungskraft entwickelt.
Dadurch entſteht eine Reihe bloß anhängender Kunſtformen.
Genauer ausgedrückt hieße die Aufſchrift: die Neben-Eintheilung
oder u. ſ. w. Es liegt hier nicht eine Theilungsreihe vor, welche die
Fortſetzung der Unter-Eintheilung a, β. darſtellte, denn es iſt der Zutritt
eines neuen, außeräſthetiſchen Moments, was die nun auftretenden For-
men begründet, ſie fordern daher eine eigene Stelle im Ganzen, ſie
bilden nur einen Seitenzweig der Kunſtlehre. Nachdem man aufgehört
hat, dieſes gemiſchte Gebiet, worin die ſchöne Form blos Mittel, Vehikel
iſt, namentlich die didaktiſche Poeſie, als integrirendes Glied in die Kunſt-
lehre aufzunehmen und dadurch die Eintheilung zu verwirren, iſt man
übrigens gegen daſſelbe vielfach auch ungerecht geworden. Das Ein-
dringen in’s Leben, wodurch eine ganze Welt ſolcher halb-äſthetiſcher
Formen entſteht, iſt nothwendige Wirkung einer blühenden Kunſt, alſo
auch Erkennungszeichen einer ſolchen, freilich unter der Vorausſetzung,
daß in dieſen Formen Styl herrſche, denn es gibt auch eine Vielgeſchäf-
tigkeit in Hervorbringung ſolcher anſchmiegender Mittel-Formen, von
welcher man nicht weiß, ob ſie die Auflöſung eines Kunſtlebens oder den
Drang zu einem neuen offenbart; da ſind aber dieſe Formen auch ſtyllos.
Lebendige Entwicklung in dieſem Gebiet iſt allerdings ebenſoſehr auch
eine Vorausſetzung, iſt der Anfang der Kunſt; wir erinnern an das in
§. 514 ausgeſprochene Doppelverhältniß; daſſelbe ſtellt ſich jetzt im
Syſteme der Kunſtlehre dar, denn dort giengen wir vom Handwerk und
Spiel aus und jetzt hängen wir dieſes Gebiet, als ein von der entwickel-
ten Kunſt veredeltes, dieſer nachfolgend an. Auch ſonſt iſt der Werth
ſolcher Halbformen, wie der tendenziöſen Kunſt, vergl. zu §. 76 Th. I
S. 197, bereits anerkannt. Das ganze Leben wäre barbariſch ohne dieſes
vermittelnde Band zwiſchen ihm und der Kunſt.
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