Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,1. Reutlingen u. a., 1851.
griffs, und zu dieser werden wir erst im Verlaufe fortschreiten, oder auf
griffs, und zu dieſer werden wir erſt im Verlaufe fortſchreiten, oder auf <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <p> <hi rendition="#et"><pb facs="#f0135" n="123"/> griffs, und zu dieſer werden wir erſt im Verlaufe fortſchreiten, oder auf<lb/> die Styl-Arten, wie ſie durch die Bedingungen der einzelnen Künſte ent-<lb/> ſtehen, und auch dieſe Erweiterung des Stylbegriffs ſoll ſich uns erſt im<lb/> Folgenden ergeben; es iſt falſch, ihn auf die letztere Bedeutung zu be-<lb/> ſchränken wie Rumohr; oder ſie ſuchen wirklich die möglichen individuellen<lb/> Style einzutheilen — und dieß führt auf den ſchwierigen Punct, von dem<lb/> hier auszugehen iſt. Es kann nämlich nach der Beſtimmung des §.<lb/> ſcheinen, als könne es nur Einen Styl geben, weil es nur Eine Art<lb/> gibt, die Dinge wahrhaft in ihrem Weſen zu ſchauen. Das Genie gibt<lb/> die Sache ſelbſt; Eine Sache ſcheint aber nur auf Eine Weiſe und<lb/> in Einem Styl wahr gegeben werden zu können. Gäbe man etwa nur<lb/> ſoviel zu, daß die großen nationalen und geſchichtlichen Unterſchiede in<lb/> der Auffaſſung Eines Gegenſtands (z. B. der Perſönlichkeit und des<lb/> Charakters) einen berechtigten Styl-Unterſchied begründen, ſo würde uns<lb/> dieſes Zugeſtändniß hier, wo wir ja wie geſagt noch vom einzelnen Mei-<lb/> ſter handeln, nichts helfen. Es iſt aber doch unzweifelhaft, daß <hi rendition="#g">gleich-<lb/> zeitige</hi> Meiſter bei Behandlung derſelben Gegenſtände verſchiedenen Styl<lb/> zeigen, wie z. B. M. Angelo und Raphael, Göthe und Schiller, und daß<lb/> doch Jedem derſelben Styl im vollen Sinne des Wortes zuerkannt wird.<lb/> Hier entſteht die Aufgabe, zu zeigen, was zum vorh. §. ausgeſprochen<lb/> iſt, daß die Subjectivität der Auffaſſung, worin dieſe Unterſchiede des<lb/> Styls ihren Grund haben, mit der ſtrengen Objectivität, welche doch dem<lb/> Style weſentlich iſt, ſich ohne Widerſpruch verträgt. Zu dieſem Zwecke<lb/> müſſen wir zuerſt auf die Arten der Phantaſie §. 401 ff. zurückgehen.<lb/> Von dieſen fällt die zweite, auf den Unterſchied der Stoffe gegründete<lb/> (§. 403), ſogleich weg, denn es iſt jetzt die Rede von verſchiedener und<lb/> doch objectiver Behandlung deſſelben Stoffs; die Eintheilung nach Momen-<lb/> ten der Phantaſie (§. 404) fällt inſofern ebenfalls weg, als ſie die<lb/> Grundlage zu den verſchiedenen Künſten und Zweigen dieſer Künſte bil-<lb/> det, denn es iſt jetzt die Rede von verſchiedener und doch objectiver<lb/> Behandlung in Einer und derſelben Kunſt, allein die in dieſer Einthei-<lb/> lung begründeten Arten miſchen ſich auch und dieſe Miſchung wird nicht<lb/> nur für die Entſtehung der hiſtoriſchen Styl-Unterſchiede beſtimmend<lb/> werden, ſondern ſie iſt es ſchon hier, bei der Frage nach den individuellen<lb/> Styl-Unterſchieden; ganz aber gehört hieher der Unterſchied der einfach<lb/> ſchön, der erhaben und der komiſch geſtimmten Phantaſie §. 402. Jene ver-<lb/> ſchiedenen Miſchungs-Verhältniſſe können ſich aber mit dieſen letzteren<lb/> Arten wieder auf verſchiedene Weiſe verbinden und hierauf gründen ſich<lb/> die verſchiedenen Organiſationen der Phantaſie, wie der Unterſchied des<lb/> Styls aus ihnen hervorgeht. An wenigen Beiſpielen der landſchaftlichen<lb/> und menſchlichen Phantaſie in verſchiedener Miſchung mit der plaſtiſchen<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [123/0135]
griffs, und zu dieſer werden wir erſt im Verlaufe fortſchreiten, oder auf
die Styl-Arten, wie ſie durch die Bedingungen der einzelnen Künſte ent-
ſtehen, und auch dieſe Erweiterung des Stylbegriffs ſoll ſich uns erſt im
Folgenden ergeben; es iſt falſch, ihn auf die letztere Bedeutung zu be-
ſchränken wie Rumohr; oder ſie ſuchen wirklich die möglichen individuellen
Style einzutheilen — und dieß führt auf den ſchwierigen Punct, von dem
hier auszugehen iſt. Es kann nämlich nach der Beſtimmung des §.
ſcheinen, als könne es nur Einen Styl geben, weil es nur Eine Art
gibt, die Dinge wahrhaft in ihrem Weſen zu ſchauen. Das Genie gibt
die Sache ſelbſt; Eine Sache ſcheint aber nur auf Eine Weiſe und
in Einem Styl wahr gegeben werden zu können. Gäbe man etwa nur
ſoviel zu, daß die großen nationalen und geſchichtlichen Unterſchiede in
der Auffaſſung Eines Gegenſtands (z. B. der Perſönlichkeit und des
Charakters) einen berechtigten Styl-Unterſchied begründen, ſo würde uns
dieſes Zugeſtändniß hier, wo wir ja wie geſagt noch vom einzelnen Mei-
ſter handeln, nichts helfen. Es iſt aber doch unzweifelhaft, daß gleich-
zeitige Meiſter bei Behandlung derſelben Gegenſtände verſchiedenen Styl
zeigen, wie z. B. M. Angelo und Raphael, Göthe und Schiller, und daß
doch Jedem derſelben Styl im vollen Sinne des Wortes zuerkannt wird.
Hier entſteht die Aufgabe, zu zeigen, was zum vorh. §. ausgeſprochen
iſt, daß die Subjectivität der Auffaſſung, worin dieſe Unterſchiede des
Styls ihren Grund haben, mit der ſtrengen Objectivität, welche doch dem
Style weſentlich iſt, ſich ohne Widerſpruch verträgt. Zu dieſem Zwecke
müſſen wir zuerſt auf die Arten der Phantaſie §. 401 ff. zurückgehen.
Von dieſen fällt die zweite, auf den Unterſchied der Stoffe gegründete
(§. 403), ſogleich weg, denn es iſt jetzt die Rede von verſchiedener und
doch objectiver Behandlung deſſelben Stoffs; die Eintheilung nach Momen-
ten der Phantaſie (§. 404) fällt inſofern ebenfalls weg, als ſie die
Grundlage zu den verſchiedenen Künſten und Zweigen dieſer Künſte bil-
det, denn es iſt jetzt die Rede von verſchiedener und doch objectiver
Behandlung in Einer und derſelben Kunſt, allein die in dieſer Einthei-
lung begründeten Arten miſchen ſich auch und dieſe Miſchung wird nicht
nur für die Entſtehung der hiſtoriſchen Styl-Unterſchiede beſtimmend
werden, ſondern ſie iſt es ſchon hier, bei der Frage nach den individuellen
Styl-Unterſchieden; ganz aber gehört hieher der Unterſchied der einfach
ſchön, der erhaben und der komiſch geſtimmten Phantaſie §. 402. Jene ver-
ſchiedenen Miſchungs-Verhältniſſe können ſich aber mit dieſen letzteren
Arten wieder auf verſchiedene Weiſe verbinden und hierauf gründen ſich
die verſchiedenen Organiſationen der Phantaſie, wie der Unterſchied des
Styls aus ihnen hervorgeht. An wenigen Beiſpielen der landſchaftlichen
und menſchlichen Phantaſie in verſchiedener Miſchung mit der plaſtiſchen
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