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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,1. Reutlingen u. a., 1851.

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suchte und an den stehenden Theatern Schauspielerschulen errichtete, welche
in den nöthigen Vorkenntnissen und Vorübungen Unterricht ertheilen. Dem
höheren, ästhetischen Theile der Schauspielerbildung hat man durch die
Einführung angestellter Dramaturgen eine disciplinirte Form zu geben
versucht; ein solcher Versuch wird jedoch an dem natürlichen Widerwillen,
sich von einem Andern, als einem bewährten Fachgenossen, belehren
zu lassen, immer scheitern; Eckhofs, Schröders Theater-Akademieen
konnten sich freilich gegen die Trägheit, den Eigensinn und die Empfind-
lichkeit der Schauspieler auch nicht halten und es käme darauf an, einem
bestimmter geregelten Unterricht bedeutender Künstler und Schauspieldirectoren
durch gesetzliche Einrichtung festen Halt zu geben, ohne das Freie in der
Form solcher Akademieen zu zerstören.

§. 523.

Die Aufgabe ist, durch Verbindung des Zweckmäßigen in beiden Erzie-
hungsformen ein Drittes, den Bedingungen der Zeit und den Forderungen der
wahren Kunst Entsprechendes zu bilden.

Da die akademische Einrichtung unentbehrlich ist, so handelt es sich
zunächst von der Methode des Unterrichts in derselben, und zwar insbe-
sondere in den Zweigen, wo die Technik sich unzweifelhaft mit dem
freien ästhetischen Gefühle verbindet: Zeichnen nach der Antike, nach dem
lebendigen Modell, Farbenbehandlung, Modelliren und namentlich eigenes
Entwerfen, Componiren (in den Elementen des Zeichnens hat Dupuis
die naturgemäße Methode eingeführt. Vergl. Leibniz Ueber die Einführung
der Dupuis'schen Methode u. s. w.) Es kommt darauf an, daß man
den Schüler anregend leite, ohne den Geist der gesunden Natur-An-
schauung und das Leben der Phantasie, das in ihm vorausgesetzt ist, zu
erdrücken. Man lehre ihn selbst sehen und selbst (künstlerisch, d. h.
in Formen) denken. Zu beherzigen ist namentlich, was Rumohr (a. a. O.
B. I. S. 69. 70) räth: neben strengen anatomischen Studien solle der
Lehrling in schneller und allseitiger Auffassung und Nachbildung zufälliger,
frei gewählter Stellungen des Modells geübt werden. Noch mehr natür-
lich müßte von dem freien Acte des Entwerfens und Componirens alles
Conventionelle in der Leitung fern gehalten werden. Nun kann eine
geistvoll freie Methode, wie sie hier angedeutet ist, natürlich nur von be-
deutenden Meistern ausgehen, in welchen nicht der Beamte den Künstler
unterdrückt, d. h. welche zu ihren Schülern in dem persönlich freien Ver-
hältniß stehen, wie in der familiären Erziehungsform, nur daß das engere,
häusliche Zusammensein, wie es in naiven Zeiten Statt fand, natürlich

ſuchte und an den ſtehenden Theatern Schauſpielerſchulen errichtete, welche
in den nöthigen Vorkenntniſſen und Vorübungen Unterricht ertheilen. Dem
höheren, äſthetiſchen Theile der Schauſpielerbildung hat man durch die
Einführung angeſtellter Dramaturgen eine diſciplinirte Form zu geben
verſucht; ein ſolcher Verſuch wird jedoch an dem natürlichen Widerwillen,
ſich von einem Andern, als einem bewährten Fachgenoſſen, belehren
zu laſſen, immer ſcheitern; Eckhofs, Schröders Theater-Akademieen
konnten ſich freilich gegen die Trägheit, den Eigenſinn und die Empfind-
lichkeit der Schauſpieler auch nicht halten und es käme darauf an, einem
beſtimmter geregelten Unterricht bedeutender Künſtler und Schauſpieldirectoren
durch geſetzliche Einrichtung feſten Halt zu geben, ohne das Freie in der
Form ſolcher Akademieen zu zerſtören.

§. 523.

Die Aufgabe iſt, durch Verbindung des Zweckmäßigen in beiden Erzie-
hungsformen ein Drittes, den Bedingungen der Zeit und den Forderungen der
wahren Kunſt Entſprechendes zu bilden.

Da die akademiſche Einrichtung unentbehrlich iſt, ſo handelt es ſich
zunächſt von der Methode des Unterrichts in derſelben, und zwar insbe-
ſondere in den Zweigen, wo die Technik ſich unzweifelhaft mit dem
freien äſthetiſchen Gefühle verbindet: Zeichnen nach der Antike, nach dem
lebendigen Modell, Farbenbehandlung, Modelliren und namentlich eigenes
Entwerfen, Componiren (in den Elementen des Zeichnens hat Dupuis
die naturgemäße Methode eingeführt. Vergl. Leibniz Ueber die Einführung
der Dupuis’ſchen Methode u. ſ. w.) Es kommt darauf an, daß man
den Schüler anregend leite, ohne den Geiſt der geſunden Natur-An-
ſchauung und das Leben der Phantaſie, das in ihm vorausgeſetzt iſt, zu
erdrücken. Man lehre ihn ſelbſt ſehen und ſelbſt (künſtleriſch, d. h.
in Formen) denken. Zu beherzigen iſt namentlich, was Rumohr (a. a. O.
B. I. S. 69. 70) räth: neben ſtrengen anatomiſchen Studien ſolle der
Lehrling in ſchneller und allſeitiger Auffaſſung und Nachbildung zufälliger,
frei gewählter Stellungen des Modells geübt werden. Noch mehr natür-
lich müßte von dem freien Acte des Entwerfens und Componirens alles
Conventionelle in der Leitung fern gehalten werden. Nun kann eine
geiſtvoll freie Methode, wie ſie hier angedeutet iſt, natürlich nur von be-
deutenden Meiſtern ausgehen, in welchen nicht der Beamte den Künſtler
unterdrückt, d. h. welche zu ihren Schülern in dem perſönlich freien Ver-
hältniß ſtehen, wie in der familiären Erziehungsform, nur daß das engere,
häusliche Zuſammenſein, wie es in naiven Zeiten Statt fand, natürlich

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[110/0122] ſuchte und an den ſtehenden Theatern Schauſpielerſchulen errichtete, welche in den nöthigen Vorkenntniſſen und Vorübungen Unterricht ertheilen. Dem höheren, äſthetiſchen Theile der Schauſpielerbildung hat man durch die Einführung angeſtellter Dramaturgen eine diſciplinirte Form zu geben verſucht; ein ſolcher Verſuch wird jedoch an dem natürlichen Widerwillen, ſich von einem Andern, als einem bewährten Fachgenoſſen, belehren zu laſſen, immer ſcheitern; Eckhofs, Schröders Theater-Akademieen konnten ſich freilich gegen die Trägheit, den Eigenſinn und die Empfind- lichkeit der Schauſpieler auch nicht halten und es käme darauf an, einem beſtimmter geregelten Unterricht bedeutender Künſtler und Schauſpieldirectoren durch geſetzliche Einrichtung feſten Halt zu geben, ohne das Freie in der Form ſolcher Akademieen zu zerſtören. §. 523. Die Aufgabe iſt, durch Verbindung des Zweckmäßigen in beiden Erzie- hungsformen ein Drittes, den Bedingungen der Zeit und den Forderungen der wahren Kunſt Entſprechendes zu bilden. Da die akademiſche Einrichtung unentbehrlich iſt, ſo handelt es ſich zunächſt von der Methode des Unterrichts in derſelben, und zwar insbe- ſondere in den Zweigen, wo die Technik ſich unzweifelhaft mit dem freien äſthetiſchen Gefühle verbindet: Zeichnen nach der Antike, nach dem lebendigen Modell, Farbenbehandlung, Modelliren und namentlich eigenes Entwerfen, Componiren (in den Elementen des Zeichnens hat Dupuis die naturgemäße Methode eingeführt. Vergl. Leibniz Ueber die Einführung der Dupuis’ſchen Methode u. ſ. w.) Es kommt darauf an, daß man den Schüler anregend leite, ohne den Geiſt der geſunden Natur-An- ſchauung und das Leben der Phantaſie, das in ihm vorausgeſetzt iſt, zu erdrücken. Man lehre ihn ſelbſt ſehen und ſelbſt (künſtleriſch, d. h. in Formen) denken. Zu beherzigen iſt namentlich, was Rumohr (a. a. O. B. I. S. 69. 70) räth: neben ſtrengen anatomiſchen Studien ſolle der Lehrling in ſchneller und allſeitiger Auffaſſung und Nachbildung zufälliger, frei gewählter Stellungen des Modells geübt werden. Noch mehr natür- lich müßte von dem freien Acte des Entwerfens und Componirens alles Conventionelle in der Leitung fern gehalten werden. Nun kann eine geiſtvoll freie Methode, wie ſie hier angedeutet iſt, natürlich nur von be- deutenden Meiſtern ausgehen, in welchen nicht der Beamte den Künſtler unterdrückt, d. h. welche zu ihren Schülern in dem perſönlich freien Ver- hältniß ſtehen, wie in der familiären Erziehungsform, nur daß das engere, häusliche Zuſammenſein, wie es in naiven Zeiten Statt fand, natürlich

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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,1. Reutlingen u. a., 1851, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik0301_1851/122>, abgerufen am 13.11.2024.