Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 2,2. Reutlingen u. a., 1848.
auf das messende, oder auf das tastend sehende, oder das nach dem Aus- Man meine nicht, es sei hier der Kunstlehre zu sehr vorgegriffen: Zählen wir nun mit deutlicher Bezeichnung die Arten auf: a. Die bildende Phantasie, begründet auf den Standpunkt der Vischer's Aesthetik. 2. Band. 25
auf das meſſende, oder auf das taſtend ſehende, oder das nach dem Aus- Man meine nicht, es ſei hier der Kunſtlehre zu ſehr vorgegriffen: Zählen wir nun mit deutlicher Bezeichnung die Arten auf: a. Die bildende Phantaſie, begründet auf den Standpunkt der Viſcher’s Aeſthetik. 2. Band. 25
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auf das meſſende, oder auf das taſtend ſehende, oder das nach dem Aus-
druch der Licht- und Farbenwirkung, alſo eigentlich ſehende, die zweite
auf das Gehör organiſirt, die dritte auf die ganze ideal geſetzte Sinn-
lichkeit und die reichſte geiſtige Bewegung aller ihrer Mittel
geſtellt. Auch dieſe Arten verbinden ſich theils unter ſich, theils mit den beiden
Reihen der vorher aufgeführten, in den mannigfaltigſten Miſchungsverhältniſſen.
Man meine nicht, es ſei hier der Kunſtlehre zu ſehr vorgegriffen:
es iſt von einer objectiven Ausführung des Ideals durchaus noch nicht
die Rede, ſondern nur von einer Beſtimmtheit, die es bereits in ſeiner
erſt inneren Geſtaltung an ſich trägt und welche freilich dann im Ueber-
gang zur Objectivität der Kunſt den Unterſchied der Künſte begründet.
Der Eintheilungsgrund dieſer neuen Reihe von Arten der Phantaſie iſt
alſo genommen aus den Momenten der Phantaſie ſelbſt. Jedes dieſer
Momente aber tritt doppelt auf. Allen weitern Stadien der Phantaſie-
thätigkeit liegt die Anſchauung und die zu dieſer geforderte Innigkeit der
Empfindung zu Grunde. Nun könnte man ſo eintheilen: die bildende
Phantaſie ruht auf der Anſchauung, die empfindende auf dem Momente
der Innigkeit der Anſchauung, in der dichtenden wiederholt ſich die Ein-
bildungskraft. Allein im Leben der Phantaſie ſelbſt ſahen wir dieſe erſten
Stufen ſich auf höhere Weiſe wiederholen: in der Einbildungskraft die An-
ſchauung, in der Stimmung (§. 394) die erſte Empfindung, in der idealen
Formthätigkeit der Phantaſie die Einbildungskraft. Man könnte nun ſagen,
es ſei gleichgültig, ob die Eintheilung auf die erſte oder zweite dieſer Reihen
jetzt begründet werde; nennt man aber nur die zweite, ſo hat dieß das
Schiefe, daß in dem Begriffe der Einbildungskraft neben der deutlichen
Geſtalt auch das Willkührliche liegt; nennt man nur die erſte, ſo ſcheint
überſehen, daß es ſich hier überall ſchon von einem innern Bilden und
Schaffen handelt. Der §. begründet daher die Eintheilung auf die ſich
entſprechenden Momente beider Reihen.
Zählen wir nun mit deutlicher Bezeichnung die Arten auf:
a. Die bildende Phantaſie, begründet auf den Standpunkt der
Anſchauung und der Einbildungskraft. Legt ſich die ganze Phantaſie auf
dieſen Standpunkt, ſo wird Alles in ihr darauf hinarbeiten, mit ſcharfen
Zügen ein Bild, das zu ſächlicher Selbſtſtändigkeit wie das mit dem äußeren
Auge geſchaute und ſofort in der Syntheſe der Einbildungskraft immer
noch wie ein Gegenſtändliches vorſchwebende Object ſich verfeſtigt, dem
Geiſte (zunächſt innerlich) gegenüberzuſtellen. Es iſt die Form des Sehens,
welche hier herrſcht, denn dieſes läßt ſein Object ganz als Object. Wer
innerlich ſo bildet, der muß ſchon in der Anſchauung weſentlich die Dinge
ſo betrachtet haben. Er iſt auf das Auge organiſirt und dieſe Organi-
Viſcher’s Aeſthetik. 2. Band. 25
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