und selbst die beziehungsweise Freiheit von diesem, durch welche das Natur- schöne sich auszeichnet, ist im jetzigen Zusammenhang nicht, oder nur unter Anderem als Gegenstand vorausgesetzt. Allein die Anschauung ist der Anfang2 der Umsetzung des Objects in ein inneres Bild, das, sinnlich und nicht stun- lich, unabhängig von der Gegenwart des ersteren und doch angeschaute Form, vom Geiste erzeugt wird.
1. Der vorliegende Abschnitt begann mit der Auflösung des Natur- schönen und der Darstellung der allgemeinen Phantasie; in der gegen- wärtigen Abtheilung nun, wo die Momente der besonderen Phantasie entwickelt werden, muß ganz vorne oder von unten begonnen werden. Während daher in der Lehre von der allgemeinen Phantasie das Naturschöne als Gegenstand vorausgesetzt wurde, lassen wir dieses nun vorerst ganz aus dem Spiele; die Aesthetik wendet sich zur gewöhnlichen Psychologie, welche von der Anschauung u. s. w. überhaupt handelt, gleichgiltig, welche Gegenstände ihr gegeben seien. Unter dem Stoffe, welchen die Anschauung ergreift, mag sich daher immer auch Naturschönes (wir brau- chen wohl nicht jedesmal hinzuzufügen, daß im strengen Sinne Solches nicht existirt, wohl aber relativ vom Zufall begünstigtere Erscheinungen) ein- reihen: das Geschäft, das dem Geiste bleibt, wird dann kleiner sein, als bei allem Uebrigen; aber wir sehen jetzt auf das Qualitative dieses Ge- schäfts und daher von diesem Unterschiede des Quantums ab. Es wird sich bald zeigen, an welchem Punkte wir das Naturschöne als gegebenen Stoff und jenen ersten Schein (§ 383) wieder aufzunehmen haben. Die Anschauung, von der wir reden, ist also die gewöhnliche; wir verlangen nur ursprüngliche und frische Thätigkeit derselben. Nun fragt sich: was ist es, das die Anschauung erfaßt? Es ist zunächst die Oberfläche der Dinge in den allgemeinen Medien der Erscheinung, Luft und Licht. Diese Ober- fläche ist das Gesammtresultat des innern Baues und daher des Wesens der Dinge, das diesen Bau ausführt, denn die Grenzen sind zwar negativ, aber das Bauen hört eben da auf, wo ich sie schaue, weil es das Innere so und nicht anders gebaut hat. Ich schaue aber auch die Bewegung und in ihr das Bewegende. Das Wesen, das sich seinen Körper gebaut, wirkt durch sie über seine Grenzen hinaus, doch so, daß diese Wirkung selbst ihre Grenze in demselben Umfang seiner Fähigkeiten hat, den mir seine Gestalt anzeigt. Ich schaue also allerdings sein Wesen und zwar ganz in Einem Acte mit seiner Erscheinung. Zwei Wege, hinter die Oberfläche in den inneren Bau zu dringen, bleiben uns bei dieser Betrachtung der Anschauung ganz zur Seite liegen; sie sind schon in § 54 erwähnt und werden hier nur wieder berührt, um sie schon auf der Stufe der Anschauung abzuweisen. Es ist dieß die praktische und
und ſelbſt die beziehungsweiſe Freiheit von dieſem, durch welche das Natur- ſchöne ſich auszeichnet, iſt im jetzigen Zuſammenhang nicht, oder nur unter Anderem als Gegenſtand vorausgeſetzt. Allein die Anſchauung iſt der Anfang2 der Umſetzung des Objects in ein inneres Bild, das, ſinnlich und nicht ſtun- lich, unabhängig von der Gegenwart des erſteren und doch angeſchaute Form, vom Geiſte erzeugt wird.
1. Der vorliegende Abſchnitt begann mit der Auflöſung des Natur- ſchönen und der Darſtellung der allgemeinen Phantaſie; in der gegen- wärtigen Abtheilung nun, wo die Momente der beſonderen Phantaſie entwickelt werden, muß ganz vorne oder von unten begonnen werden. Während daher in der Lehre von der allgemeinen Phantaſie das Naturſchöne als Gegenſtand vorausgeſetzt wurde, laſſen wir dieſes nun vorerſt ganz aus dem Spiele; die Aeſthetik wendet ſich zur gewöhnlichen Pſychologie, welche von der Anſchauung u. ſ. w. überhaupt handelt, gleichgiltig, welche Gegenſtände ihr gegeben ſeien. Unter dem Stoffe, welchen die Anſchauung ergreift, mag ſich daher immer auch Naturſchönes (wir brau- chen wohl nicht jedesmal hinzuzufügen, daß im ſtrengen Sinne Solches nicht exiſtirt, wohl aber relativ vom Zufall begünſtigtere Erſcheinungen) ein- reihen: das Geſchäft, das dem Geiſte bleibt, wird dann kleiner ſein, als bei allem Uebrigen; aber wir ſehen jetzt auf das Qualitative dieſes Ge- ſchäfts und daher von dieſem Unterſchiede des Quantums ab. Es wird ſich bald zeigen, an welchem Punkte wir das Naturſchöne als gegebenen Stoff und jenen erſten Schein (§ 383) wieder aufzunehmen haben. Die Anſchauung, von der wir reden, iſt alſo die gewöhnliche; wir verlangen nur urſprüngliche und friſche Thätigkeit derſelben. Nun fragt ſich: was iſt es, das die Anſchauung erfaßt? Es iſt zunächſt die Oberfläche der Dinge in den allgemeinen Medien der Erſcheinung, Luft und Licht. Dieſe Ober- fläche iſt das Geſammtreſultat des innern Baues und daher des Weſens der Dinge, das dieſen Bau ausführt, denn die Grenzen ſind zwar negativ, aber das Bauen hört eben da auf, wo ich ſie ſchaue, weil es das Innere ſo und nicht anders gebaut hat. Ich ſchaue aber auch die Bewegung und in ihr das Bewegende. Das Weſen, das ſich ſeinen Körper gebaut, wirkt durch ſie über ſeine Grenzen hinaus, doch ſo, daß dieſe Wirkung ſelbſt ihre Grenze in demſelben Umfang ſeiner Fähigkeiten hat, den mir ſeine Geſtalt anzeigt. Ich ſchaue alſo allerdings ſein Weſen und zwar ganz in Einem Acte mit ſeiner Erſcheinung. Zwei Wege, hinter die Oberfläche in den inneren Bau zu dringen, bleiben uns bei dieſer Betrachtung der Anſchauung ganz zur Seite liegen; ſie ſind ſchon in § 54 erwähnt und werden hier nur wieder berührt, um ſie ſchon auf der Stufe der Anſchauung abzuweiſen. Es iſt dieß die praktiſche und
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[321/0035]
und ſelbſt die beziehungsweiſe Freiheit von dieſem, durch welche das Natur-
ſchöne ſich auszeichnet, iſt im jetzigen Zuſammenhang nicht, oder nur unter
Anderem als Gegenſtand vorausgeſetzt. Allein die Anſchauung iſt der Anfang
der Umſetzung des Objects in ein inneres Bild, das, ſinnlich und nicht ſtun-
lich, unabhängig von der Gegenwart des erſteren und doch angeſchaute Form,
vom Geiſte erzeugt wird.
1. Der vorliegende Abſchnitt begann mit der Auflöſung des Natur-
ſchönen und der Darſtellung der allgemeinen Phantaſie; in der gegen-
wärtigen Abtheilung nun, wo die Momente der beſonderen Phantaſie
entwickelt werden, muß ganz vorne oder von unten begonnen werden.
Während daher in der Lehre von der allgemeinen Phantaſie das Naturſchöne
als Gegenſtand vorausgeſetzt wurde, laſſen wir dieſes nun vorerſt ganz
aus dem Spiele; die Aeſthetik wendet ſich zur gewöhnlichen Pſychologie,
welche von der Anſchauung u. ſ. w. überhaupt handelt, gleichgiltig,
welche Gegenſtände ihr gegeben ſeien. Unter dem Stoffe, welchen die
Anſchauung ergreift, mag ſich daher immer auch Naturſchönes (wir brau-
chen wohl nicht jedesmal hinzuzufügen, daß im ſtrengen Sinne Solches nicht
exiſtirt, wohl aber relativ vom Zufall begünſtigtere Erſcheinungen) ein-
reihen: das Geſchäft, das dem Geiſte bleibt, wird dann kleiner ſein, als
bei allem Uebrigen; aber wir ſehen jetzt auf das Qualitative dieſes Ge-
ſchäfts und daher von dieſem Unterſchiede des Quantums ab. Es wird
ſich bald zeigen, an welchem Punkte wir das Naturſchöne als gegebenen
Stoff und jenen erſten Schein (§ 383) wieder aufzunehmen haben. Die
Anſchauung, von der wir reden, iſt alſo die gewöhnliche; wir verlangen
nur urſprüngliche und friſche Thätigkeit derſelben. Nun fragt ſich: was
iſt es, das die Anſchauung erfaßt? Es iſt zunächſt die Oberfläche der Dinge
in den allgemeinen Medien der Erſcheinung, Luft und Licht. Dieſe Ober-
fläche iſt das Geſammtreſultat des innern Baues und daher des Weſens
der Dinge, das dieſen Bau ausführt, denn die Grenzen ſind zwar
negativ, aber das Bauen hört eben da auf, wo ich ſie ſchaue, weil es
das Innere ſo und nicht anders gebaut hat. Ich ſchaue aber auch die
Bewegung und in ihr das Bewegende. Das Weſen, das ſich ſeinen
Körper gebaut, wirkt durch ſie über ſeine Grenzen hinaus, doch ſo, daß
dieſe Wirkung ſelbſt ihre Grenze in demſelben Umfang ſeiner Fähigkeiten
hat, den mir ſeine Geſtalt anzeigt. Ich ſchaue alſo allerdings ſein Weſen
und zwar ganz in Einem Acte mit ſeiner Erſcheinung. Zwei Wege,
hinter die Oberfläche in den inneren Bau zu dringen, bleiben uns bei
dieſer Betrachtung der Anſchauung ganz zur Seite liegen; ſie ſind ſchon
in § 54 erwähnt und werden hier nur wieder berührt, um ſie ſchon auf
der Stufe der Anſchauung abzuweiſen. Es iſt dieß die praktiſche und
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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 2,2. Reutlingen u. a., 1848, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik0202_1848/35>, abgerufen am 08.07.2024.
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