hältniß Gottes zur Welt wirst. Das Gebiet der menschlichen Schönheit ist seiner Phantasie, welche das Symbol bis auf wenige Nachklänge aufgegeben und ganz den Weg eines, zwar sparsamen, Mythus betreten hat, offen; dennoch macht der ausschließlich erhabene Zwiespalt, von dem sie ausgeht, der bil-2 denden Thätigkeit ein Ende; sie kann nur als empfindende und empfindend dichtende die Herrlichkeit des Schöpfers und die Heiligkeit des Gesetzgebers,3 die Sehnsucht nach Versöhnung mit ihm sich zum Inhalt nehmen oder, in eine objective Form der dichtenden übergehend, die ursprüngliche Stoffwelt, die sie keineswegs wahrhaft gewonnen hat, um den Preis des Wunders in Idea-4 lität erheben.
1. Die Stellung der jüdischen Religion ist für die Geschichte des Ideals sowohl, als für die Religionsphilosophie, sehr schwierig. Es führen von dem Punkte, wo die ägyptische Religion steht, zwei Wege weiter, welche getrennt nebeneinander gehen und nachher, wie sich zeigen wird, in der christlichen sich auf gewisse Weise vereinigen: der eine ist Aufhebung des Symbolischen sowie des Polytheismus überhaupt und abstracte Gegenüber- stellung eines Gottes und der Welt, der andere ist Fortbildung jenes Ansatzes zum Mythus, der auf symbolischer Grundlage hervortrat, und Entwicklung eines sittlichen Polytheismus, dessen Götter durch das Natur- Element, von dem die Personbildung ausgieng, noch sinnlich sind, aber harmonisch sittlich und sinnlich, den Menschen vertraut, in der Welt heimisch. Jenen Weg schlugen die Juden, diesen die Griechen ein. Es scheint nun zunächst, die griechische Religion gehöre, weil sie mit dem Symbol und dem Ausgange von einer physikalischen Bedeutung der Götter nicht eigent- lich bricht, sondern nur fortbauend diesen Ausgang verbessert und umbildet, entschieden zur Natur-Religion, die jüdische aber, weil sie offenbar bricht, jedoch von der Negation, der Ausschließung, nicht zur Position, der geistigen Immanenz Gottes in der Welt, fortschreitet, als eine isolirte Form in die Mitte zwischen Naturreligion und Christenthum, als eine Grenzscheide, welche nicht mehr Naturreligion und noch nicht Religion des Geistes ist. Obwohl nun eben jene Ausschließung, jenes Stocken bei der Negation selbst wieder seinen Grund in einem doch noch mitgeführten Reste der Naturreligion hat und obwohl es auch an mancherlei sehr offen- baren Nachklängen derselben im ganzen Umfang der jüdischen Religions- vorstellungen nicht fehlt, so ist doch allerdings dieser Grund hinreichend, in der Religionsphilosophie das Judenthum in der genannten Weise nach der griechischen Religion, nicht vor ihr, wie Hegel that, aufzuführen. Die Aesthetik aber hält sich an den Fortschritt im Schönen und da stehen die Griechen ungleich höher und vollkommener, als die Juden, während zugleich die Reste der Naturreligion in ihrer Phantasie immer noch stark
hältniß Gottes zur Welt wirſt. Das Gebiet der menſchlichen Schönheit iſt ſeiner Phantaſie, welche das Symbol bis auf wenige Nachklänge aufgegeben und ganz den Weg eines, zwar ſparſamen, Mythus betreten hat, offen; dennoch macht der ausſchließlich erhabene Zwieſpalt, von dem ſie ausgeht, der bil-2 denden Thätigkeit ein Ende; ſie kann nur als empfindende und empfindend dichtende die Herrlichkeit des Schöpfers und die Heiligkeit des Geſetzgebers,3 die Sehnſucht nach Verſöhnung mit ihm ſich zum Inhalt nehmen oder, in eine objective Form der dichtenden übergehend, die urſprüngliche Stoffwelt, die ſie keineswegs wahrhaft gewonnen hat, um den Preis des Wunders in Idea-4 lität erheben.
1. Die Stellung der jüdiſchen Religion iſt für die Geſchichte des Ideals ſowohl, als für die Religionsphiloſophie, ſehr ſchwierig. Es führen von dem Punkte, wo die ägyptiſche Religion ſteht, zwei Wege weiter, welche getrennt nebeneinander gehen und nachher, wie ſich zeigen wird, in der chriſtlichen ſich auf gewiſſe Weiſe vereinigen: der eine iſt Aufhebung des Symboliſchen ſowie des Polytheiſmus überhaupt und abſtracte Gegenüber- ſtellung eines Gottes und der Welt, der andere iſt Fortbildung jenes Anſatzes zum Mythus, der auf ſymboliſcher Grundlage hervortrat, und Entwicklung eines ſittlichen Polytheiſmus, deſſen Götter durch das Natur- Element, von dem die Perſonbildung ausgieng, noch ſinnlich ſind, aber harmoniſch ſittlich und ſinnlich, den Menſchen vertraut, in der Welt heimiſch. Jenen Weg ſchlugen die Juden, dieſen die Griechen ein. Es ſcheint nun zunächſt, die griechiſche Religion gehöre, weil ſie mit dem Symbol und dem Ausgange von einer phyſikaliſchen Bedeutung der Götter nicht eigent- lich bricht, ſondern nur fortbauend dieſen Ausgang verbeſſert und umbildet, entſchieden zur Natur-Religion, die jüdiſche aber, weil ſie offenbar bricht, jedoch von der Negation, der Ausſchließung, nicht zur Poſition, der geiſtigen Immanenz Gottes in der Welt, fortſchreitet, als eine iſolirte Form in die Mitte zwiſchen Naturreligion und Chriſtenthum, als eine Grenzſcheide, welche nicht mehr Naturreligion und noch nicht Religion des Geiſtes iſt. Obwohl nun eben jene Ausſchließung, jenes Stocken bei der Negation ſelbſt wieder ſeinen Grund in einem doch noch mitgeführten Reſte der Naturreligion hat und obwohl es auch an mancherlei ſehr offen- baren Nachklängen derſelben im ganzen Umfang der jüdiſchen Religions- vorſtellungen nicht fehlt, ſo iſt doch allerdings dieſer Grund hinreichend, in der Religionsphiloſophie das Judenthum in der genannten Weiſe nach der griechiſchen Religion, nicht vor ihr, wie Hegel that, aufzuführen. Die Aeſthetik aber hält ſich an den Fortſchritt im Schönen und da ſtehen die Griechen ungleich höher und vollkommener, als die Juden, während zugleich die Reſte der Naturreligion in ihrer Phantaſie immer noch ſtark
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hältniß Gottes zur Welt wirſt. Das Gebiet der menſchlichen Schönheit iſt
ſeiner Phantaſie, welche das Symbol bis auf wenige Nachklänge aufgegeben
und ganz den Weg eines, zwar ſparſamen, Mythus betreten hat, offen; dennoch
macht der ausſchließlich erhabene Zwieſpalt, von dem ſie ausgeht, der bil-
denden Thätigkeit ein Ende; ſie kann nur als empfindende und empfindend
dichtende die Herrlichkeit des Schöpfers und die Heiligkeit des Geſetzgebers,
die Sehnſucht nach Verſöhnung mit ihm ſich zum Inhalt nehmen oder, in eine
objective Form der dichtenden übergehend, die urſprüngliche Stoffwelt, die
ſie keineswegs wahrhaft gewonnen hat, um den Preis des Wunders in Idea-
lität erheben.
1. Die Stellung der jüdiſchen Religion iſt für die Geſchichte des Ideals
ſowohl, als für die Religionsphiloſophie, ſehr ſchwierig. Es führen von
dem Punkte, wo die ägyptiſche Religion ſteht, zwei Wege weiter, welche
getrennt nebeneinander gehen und nachher, wie ſich zeigen wird, in der
chriſtlichen ſich auf gewiſſe Weiſe vereinigen: der eine iſt Aufhebung des
Symboliſchen ſowie des Polytheiſmus überhaupt und abſtracte Gegenüber-
ſtellung eines Gottes und der Welt, der andere iſt Fortbildung jenes
Anſatzes zum Mythus, der auf ſymboliſcher Grundlage hervortrat, und
Entwicklung eines ſittlichen Polytheiſmus, deſſen Götter durch das Natur-
Element, von dem die Perſonbildung ausgieng, noch ſinnlich ſind, aber
harmoniſch ſittlich und ſinnlich, den Menſchen vertraut, in der Welt heimiſch.
Jenen Weg ſchlugen die Juden, dieſen die Griechen ein. Es ſcheint nun
zunächſt, die griechiſche Religion gehöre, weil ſie mit dem Symbol und
dem Ausgange von einer phyſikaliſchen Bedeutung der Götter nicht eigent-
lich bricht, ſondern nur fortbauend dieſen Ausgang verbeſſert und umbildet,
entſchieden zur Natur-Religion, die jüdiſche aber, weil ſie offenbar bricht,
jedoch von der Negation, der Ausſchließung, nicht zur Poſition, der
geiſtigen Immanenz Gottes in der Welt, fortſchreitet, als eine iſolirte
Form in die Mitte zwiſchen Naturreligion und Chriſtenthum, als eine
Grenzſcheide, welche nicht mehr Naturreligion und noch nicht Religion des
Geiſtes iſt. Obwohl nun eben jene Ausſchließung, jenes Stocken bei der
Negation ſelbſt wieder ſeinen Grund in einem doch noch mitgeführten
Reſte der Naturreligion hat und obwohl es auch an mancherlei ſehr offen-
baren Nachklängen derſelben im ganzen Umfang der jüdiſchen Religions-
vorſtellungen nicht fehlt, ſo iſt doch allerdings dieſer Grund hinreichend,
in der Religionsphiloſophie das Judenthum in der genannten Weiſe nach
der griechiſchen Religion, nicht vor ihr, wie Hegel that, aufzuführen.
Die Aeſthetik aber hält ſich an den Fortſchritt im Schönen und da ſtehen
die Griechen ungleich höher und vollkommener, als die Juden, während
zugleich die Reſte der Naturreligion in ihrer Phantaſie immer noch ſtark
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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 2,2. Reutlingen u. a., 1848, S. 441. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik0202_1848/155>, abgerufen am 16.02.2025.
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