jene Wechselergänzung des Schroffen, Wilden, Flachen, Geraden mit dem Runden und Geschwungenen; aber sie werden bei der Entstehung desselben immer im Spiele sein. Einer der herrlichsten Berge der Welt ist der Pelegrino bei Palermo; nachdem das Auge von sanfter oder kühner ge- schwungenen Profilen reizend fortgezogen ist, geben steile Felsabstürze die Kraft und Erschütterung, ohne welche das Runde weichlich wird, dann aber leiten zarte Bogenlinien das Rauhe und Jähe wieder beruhigend weiter.
2. Zuerst mußte die gewaltsamere oder gemäßigtere Kraft der Er- hebung durch Feuer als Ursache eines weicheren Charakters im Urgebirge hervorgehoben werden. Bei geringerer Höhe erscheinen darum die sanftrund- lichen Kuppen des Grauits und ähnliche Formen, weil das Feuer weniger gewaltsam gewirkt hat. Die im engeren Sinne so genannten vulcanischen Gesteine, welche als spätere Bildungen des Feuers denen des Urgebirgs als den plutonischen entgegengesetzt werden, finden am passendsten hier ihre Stellen, denn sie zeigen meist die runderen Formen. Der Basalt bildet abgestumpfte Kegel, die prismatischen Säulen dagegen, in welchen er theilweise, z. B. in der berühmten Fingalshöhle auf Staffa auftritt, erinnern schon an die regelmäßigen krystallischen Formen; der Trachyt setzt kuppelförmige Bergmassen zusammen, der Dolerit erscheint kegelförmig u. s. w. Die jetzt noch thätigen Vulkane sind Kegelberge, abgestumpft, wo sich keine Spitze aus dem Krater hervorgearbeitet hat. Die wilden Trümmerhaufen von Felsblöcken, der oft in die wildesten Formen zerrissene Lava-Wall, die Risse, die vom Krater aus durch die Bergwände laufen, geben zu den runden Linien, die vielleicht nirgends reizender als am Vesuv sich in die Ebene schwingen, die Energie des Furchtbaren, welche freilich in ihrer höchsten Gewalt im Ausbruche erscheint.
3. Die an sich ruhigere geschichtete Gebirgsform verändert ihre Gestalt bei starker Aufrichtung der Schichten durch gewaltsame Hebungen, sie bersten und ragen in zerrissenen Profilen empor, welche noch durch die verwitternden Einflüsse von Luft und Wasser zu sägenartigen Zacken, Nadeln u. s. w. sich ausbilden. Die Einflüsse der Verwitterung steigen und fallen, je nachdem ein Gestein mehr oder weniger verwitterbare Mineralsubstanzen enthält, je nach Beschaffenheit der Luft, der Stärke, Schwäche, Seltenheit oder Häufigkeit der Regengüsse. Ebenso kommt es bei Felsen am Meere auf den Anprall der Wasser an, wie sie ihre Form verändern: am steilen Fels aufschäumend wird die Welle das Gestein anders umwandeln, als wenn es flach auffallend allmählig abschwemmt und abrundet; ein Gang an klippiger Meeresküste zeigt, welcher Reichthum ästhetischer Reize in diesen Erscheinungen liegt. Die Verwitterung setzt an tieferen Stellen der Gebirge als Schutt an, was sie den Gipfeln
jene Wechſelergänzung des Schroffen, Wilden, Flachen, Geraden mit dem Runden und Geſchwungenen; aber ſie werden bei der Entſtehung desſelben immer im Spiele ſein. Einer der herrlichſten Berge der Welt iſt der Pelegrino bei Palermo; nachdem das Auge von ſanfter oder kühner ge- ſchwungenen Profilen reizend fortgezogen iſt, geben ſteile Felsabſtürze die Kraft und Erſchütterung, ohne welche das Runde weichlich wird, dann aber leiten zarte Bogenlinien das Rauhe und Jähe wieder beruhigend weiter.
2. Zuerſt mußte die gewaltſamere oder gemäßigtere Kraft der Er- hebung durch Feuer als Urſache eines weicheren Charakters im Urgebirge hervorgehoben werden. Bei geringerer Höhe erſcheinen darum die ſanftrund- lichen Kuppen des Grauits und ähnliche Formen, weil das Feuer weniger gewaltſam gewirkt hat. Die im engeren Sinne ſo genannten vulcaniſchen Geſteine, welche als ſpätere Bildungen des Feuers denen des Urgebirgs als den plutoniſchen entgegengeſetzt werden, finden am paſſendſten hier ihre Stellen, denn ſie zeigen meiſt die runderen Formen. Der Baſalt bildet abgeſtumpfte Kegel, die priſmatiſchen Säulen dagegen, in welchen er theilweiſe, z. B. in der berühmten Fingalshöhle auf Staffa auftritt, erinnern ſchon an die regelmäßigen kryſtalliſchen Formen; der Trachyt ſetzt kuppelförmige Bergmaſſen zuſammen, der Dolerit erſcheint kegelförmig u. ſ. w. Die jetzt noch thätigen Vulkane ſind Kegelberge, abgeſtumpft, wo ſich keine Spitze aus dem Krater hervorgearbeitet hat. Die wilden Trümmerhaufen von Felsblöcken, der oft in die wildeſten Formen zerriſſene Lava-Wall, die Riſſe, die vom Krater aus durch die Bergwände laufen, geben zu den runden Linien, die vielleicht nirgends reizender als am Veſuv ſich in die Ebene ſchwingen, die Energie des Furchtbaren, welche freilich in ihrer höchſten Gewalt im Ausbruche erſcheint.
3. Die an ſich ruhigere geſchichtete Gebirgsform verändert ihre Geſtalt bei ſtarker Aufrichtung der Schichten durch gewaltſame Hebungen, ſie berſten und ragen in zerriſſenen Profilen empor, welche noch durch die verwitternden Einflüſſe von Luft und Waſſer zu ſägenartigen Zacken, Nadeln u. ſ. w. ſich ausbilden. Die Einflüſſe der Verwitterung ſteigen und fallen, je nachdem ein Geſtein mehr oder weniger verwitterbare Mineralſubſtanzen enthält, je nach Beſchaffenheit der Luft, der Stärke, Schwäche, Seltenheit oder Häufigkeit der Regengüſſe. Ebenſo kommt es bei Felſen am Meere auf den Anprall der Waſſer an, wie ſie ihre Form verändern: am ſteilen Fels aufſchäumend wird die Welle das Geſtein anders umwandeln, als wenn es flach auffallend allmählig abſchwemmt und abrundet; ein Gang an klippiger Meeresküſte zeigt, welcher Reichthum äſthetiſcher Reize in dieſen Erſcheinungen liegt. Die Verwitterung ſetzt an tieferen Stellen der Gebirge als Schutt an, was ſie den Gipfeln
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jene Wechſelergänzung des Schroffen, Wilden, Flachen, Geraden mit dem
Runden und Geſchwungenen; aber ſie werden bei der Entſtehung desſelben
immer im Spiele ſein. Einer der herrlichſten Berge der Welt iſt der
Pelegrino bei Palermo; nachdem das Auge von ſanfter oder kühner ge-
ſchwungenen Profilen reizend fortgezogen iſt, geben ſteile Felsabſtürze die
Kraft und Erſchütterung, ohne welche das Runde weichlich wird, dann
aber leiten zarte Bogenlinien das Rauhe und Jähe wieder beruhigend
weiter.
2. Zuerſt mußte die gewaltſamere oder gemäßigtere Kraft der Er-
hebung durch Feuer als Urſache eines weicheren Charakters im Urgebirge
hervorgehoben werden. Bei geringerer Höhe erſcheinen darum die ſanftrund-
lichen Kuppen des Grauits und ähnliche Formen, weil das Feuer weniger
gewaltſam gewirkt hat. Die im engeren Sinne ſo genannten vulcaniſchen
Geſteine, welche als ſpätere Bildungen des Feuers denen des Urgebirgs
als den plutoniſchen entgegengeſetzt werden, finden am paſſendſten hier
ihre Stellen, denn ſie zeigen meiſt die runderen Formen. Der Baſalt
bildet abgeſtumpfte Kegel, die priſmatiſchen Säulen dagegen, in welchen
er theilweiſe, z. B. in der berühmten Fingalshöhle auf Staffa auftritt,
erinnern ſchon an die regelmäßigen kryſtalliſchen Formen; der Trachyt
ſetzt kuppelförmige Bergmaſſen zuſammen, der Dolerit erſcheint kegelförmig
u. ſ. w. Die jetzt noch thätigen Vulkane ſind Kegelberge, abgeſtumpft,
wo ſich keine Spitze aus dem Krater hervorgearbeitet hat. Die wilden
Trümmerhaufen von Felsblöcken, der oft in die wildeſten Formen zerriſſene
Lava-Wall, die Riſſe, die vom Krater aus durch die Bergwände laufen,
geben zu den runden Linien, die vielleicht nirgends reizender als am
Veſuv ſich in die Ebene ſchwingen, die Energie des Furchtbaren, welche
freilich in ihrer höchſten Gewalt im Ausbruche erſcheint.
3. Die an ſich ruhigere geſchichtete Gebirgsform verändert ihre Geſtalt
bei ſtarker Aufrichtung der Schichten durch gewaltſame Hebungen, ſie
berſten und ragen in zerriſſenen Profilen empor, welche noch durch die
verwitternden Einflüſſe von Luft und Waſſer zu ſägenartigen Zacken,
Nadeln u. ſ. w. ſich ausbilden. Die Einflüſſe der Verwitterung ſteigen
und fallen, je nachdem ein Geſtein mehr oder weniger verwitterbare
Mineralſubſtanzen enthält, je nach Beſchaffenheit der Luft, der Stärke,
Schwäche, Seltenheit oder Häufigkeit der Regengüſſe. Ebenſo kommt es
bei Felſen am Meere auf den Anprall der Waſſer an, wie ſie ihre Form
verändern: am ſteilen Fels aufſchäumend wird die Welle das Geſtein anders
umwandeln, als wenn es flach auffallend allmählig abſchwemmt und
abrundet; ein Gang an klippiger Meeresküſte zeigt, welcher Reichthum
äſthetiſcher Reize in dieſen Erſcheinungen liegt. Die Verwitterung ſetzt
an tieferen Stellen der Gebirge als Schutt an, was ſie den Gipfeln
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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 2,1. Reutlingen u. a., 1847, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik0201_1847/81>, abgerufen am 16.02.2025.
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