Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 2,1. Reutlingen u. a., 1847.
welche die gewöhnliche Physiognomie derselben verändern, keineswegs über- 2. Es ist offenbar der Niederschlag durch Wasser, welcher die ruhigeren 5*
welche die gewöhnliche Phyſiognomie derſelben verändern, keineswegs über- 2. Es iſt offenbar der Niederſchlag durch Waſſer, welcher die ruhigeren 5*
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p> <hi rendition="#et"><pb facs="#f0079" n="67"/> welche die gewöhnliche Phyſiognomie derſelben verändern, keineswegs über-<lb/> ſehen; ſie werden im Folgenden hervorgehoben werden. Sogleich iſt zu<lb/> bemerken, daß die Formationen bei geringerer Höhe ihren Charakter nicht<lb/> ſo beſtimmt entwickeln, wie bei bedeutender. So wird denn zuerſt das<lb/> Gepräge der kryſtalliniſch-körnigen Urgebirge als das rauhe, kühne, maſſige,<lb/> wilde, ſchroffe bezeichnet; hier herrſchen die ſpitzen Zacken, die hohen Nadeln,<lb/> die ſcharfen Gräte, die ſteilen Abſtürze und Mauern, allerdings aber zeigt<lb/> z. B. der Granit dieſen Charakter zwar in hohen Gebirgen, in minder<lb/> erhabenen dagegen ſanfte Umriſſe, flache Rücken, runde Kuppen. Der<lb/> Grund dieſes Unterſchieds iſt unter den weiteren Bedingungen, welche den<lb/> allgemeinen Charakter local beſtimmen, nachher zu nennen. Der Syenit<lb/> erſcheint ſelten in den hoch anſpringenden Spitzen und Zacken, wie der<lb/> Granit, häufiger der Serpentin, der Gabbro, entſchieden der Porphyr,<lb/> der Urkalk. Die kühne und wilde Wirkung der jähen und zackigen Formen<lb/> dieſer Geſteine erinnert ganz an das unruhige Element des Feuers (oder<lb/> des Feuers in Verbindung mit dem Waſſer), aus dem ſie hervorgegangen<lb/> ſind, und man meint, das dumpfe Toſen und Brüllen zu hören, unter<lb/> welchem die furchtbaren Maſſen glühend emporgetrieben wurden, um dann<lb/> zum harten und rauhen Fels zu erſtarren. Je mehr das Steile und Starre<lb/> in das Zerriſſene übergeht, um ſo leichter klingt in dem Beſchauer auch<lb/> abentheuerlich komiſche Auffaſſung an: „die langen Felſennaſen, wie ſie<lb/> ſchnarchen, wie ſie blaſen.“</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">2. Es iſt offenbar der Niederſchlag durch Waſſer, welcher die ruhigeren<lb/> Formen gebildet hat. In der zweiten Gruppe des Urgebirgs, welche hier<lb/> zuerſt genannt iſt, dem ſchiefrigen Geſteine, hat nach der Annahme der<lb/> Geognoſten Hitze und Waſſer, aber bei den meiſten Arten mit vorherrſchen-<lb/> dem Antheil des Waſſers gewirkt. Schon der Anblick der blättrichen Ober-<lb/> fläche erregt einen andern Eindruck, als die ſtarre Subſtanz des körnigen<lb/> Urgebirgs. Gneiß iſt weniger ſchroff und zackig, als Granit, zeigt Neigung<lb/> zur Teraſſen- und Plateaubildung, und eben dieſe Form vereinigt mit der<lb/> ſanftgerundeten Linie wellenförmiger Erhöhungen zeigen die verſchiedenen<lb/> Arten der Schiefergebirge. Dieſe ſind daher im §. mit den Formationen<lb/> des Flötzgebirgs zuſammengeſtellt, unter welchem hier nach neuerer geog-<lb/> noſtiſcher Eintheilung das ſogenannte Uebergangsgebirge, das ſecundäre<lb/> und tertiäre Gebirge befaßt iſt. Das Gemeinſame dieſer Bildungen iſt der<lb/> Niederſchlag durch Waſſer, welcher die horizontal hingeſtreckten, die runden<lb/> und wellenförmigen Formen an die Stelle der ſteilen und jähen der Feuer-<lb/> bildung ſetzt. Es ſind lauter geſchichtete Gebirgsarten; die Auflagerung<lb/> der Schichten auf ungleich erhöhten Unterlagen, Hebungen und Senkungen<lb/> durch vulcaniſche Kräfte, deren gewaltſamerer Einbruch hier aber noch nicht<lb/> hereinzuziehen iſt, weil er den allgemeinen Charakter verändert, Aus-</hi><lb/> <fw place="bottom" type="sig">5*</fw><lb/> </p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [67/0079]
welche die gewöhnliche Phyſiognomie derſelben verändern, keineswegs über-
ſehen; ſie werden im Folgenden hervorgehoben werden. Sogleich iſt zu
bemerken, daß die Formationen bei geringerer Höhe ihren Charakter nicht
ſo beſtimmt entwickeln, wie bei bedeutender. So wird denn zuerſt das
Gepräge der kryſtalliniſch-körnigen Urgebirge als das rauhe, kühne, maſſige,
wilde, ſchroffe bezeichnet; hier herrſchen die ſpitzen Zacken, die hohen Nadeln,
die ſcharfen Gräte, die ſteilen Abſtürze und Mauern, allerdings aber zeigt
z. B. der Granit dieſen Charakter zwar in hohen Gebirgen, in minder
erhabenen dagegen ſanfte Umriſſe, flache Rücken, runde Kuppen. Der
Grund dieſes Unterſchieds iſt unter den weiteren Bedingungen, welche den
allgemeinen Charakter local beſtimmen, nachher zu nennen. Der Syenit
erſcheint ſelten in den hoch anſpringenden Spitzen und Zacken, wie der
Granit, häufiger der Serpentin, der Gabbro, entſchieden der Porphyr,
der Urkalk. Die kühne und wilde Wirkung der jähen und zackigen Formen
dieſer Geſteine erinnert ganz an das unruhige Element des Feuers (oder
des Feuers in Verbindung mit dem Waſſer), aus dem ſie hervorgegangen
ſind, und man meint, das dumpfe Toſen und Brüllen zu hören, unter
welchem die furchtbaren Maſſen glühend emporgetrieben wurden, um dann
zum harten und rauhen Fels zu erſtarren. Je mehr das Steile und Starre
in das Zerriſſene übergeht, um ſo leichter klingt in dem Beſchauer auch
abentheuerlich komiſche Auffaſſung an: „die langen Felſennaſen, wie ſie
ſchnarchen, wie ſie blaſen.“
2. Es iſt offenbar der Niederſchlag durch Waſſer, welcher die ruhigeren
Formen gebildet hat. In der zweiten Gruppe des Urgebirgs, welche hier
zuerſt genannt iſt, dem ſchiefrigen Geſteine, hat nach der Annahme der
Geognoſten Hitze und Waſſer, aber bei den meiſten Arten mit vorherrſchen-
dem Antheil des Waſſers gewirkt. Schon der Anblick der blättrichen Ober-
fläche erregt einen andern Eindruck, als die ſtarre Subſtanz des körnigen
Urgebirgs. Gneiß iſt weniger ſchroff und zackig, als Granit, zeigt Neigung
zur Teraſſen- und Plateaubildung, und eben dieſe Form vereinigt mit der
ſanftgerundeten Linie wellenförmiger Erhöhungen zeigen die verſchiedenen
Arten der Schiefergebirge. Dieſe ſind daher im §. mit den Formationen
des Flötzgebirgs zuſammengeſtellt, unter welchem hier nach neuerer geog-
noſtiſcher Eintheilung das ſogenannte Uebergangsgebirge, das ſecundäre
und tertiäre Gebirge befaßt iſt. Das Gemeinſame dieſer Bildungen iſt der
Niederſchlag durch Waſſer, welcher die horizontal hingeſtreckten, die runden
und wellenförmigen Formen an die Stelle der ſteilen und jähen der Feuer-
bildung ſetzt. Es ſind lauter geſchichtete Gebirgsarten; die Auflagerung
der Schichten auf ungleich erhöhten Unterlagen, Hebungen und Senkungen
durch vulcaniſche Kräfte, deren gewaltſamerer Einbruch hier aber noch nicht
hereinzuziehen iſt, weil er den allgemeinen Charakter verändert, Aus-
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