licht, Mondlicht, Blitz kann sie von der einen, Feuer von der andern Seite beleuchten und dieß ist eine besondere Form der Magie des Lichtes, welche so eigenthümlichen Zauber ausübt, daß die Formen der beleuchteten Gestalt dagegen an Bedeutung verlieren.
1. Bei dem Feuer begegnet uns zum erstenmale, schwach angedeutet, der Reiz der Linie. Das Sonnenlicht bewegt sich in Wellen, die sich in Strahlenkegel theilen, allein dieß stellt sich dem unmittelbaren Anblick nur selten bei gewissen Brechungen des Lichts der untergehenden Sonne dar. Dagegen das Feuer spielt in wahrnehmbaren und zwar sehr schönen Wellen- linien, die nur zu verschwindend sind, um uns hier schon ausdrücklich bei der Schönheit der Linien aufzuhalten. So ist z. B. das Linienspiel der flackernden Flammenzungen einer Pechfackel vom größten Zauber, keine Linie hält dem Auge fest, es ist ein beständiges Uebergehen, eine Unruhe des Verzehrens, die immer affectvoll wirkt und selbst bei festlich schöner Stimmung die lebhafte Bewegung des erregten Gemüthes wiedergibt; ähnlich die Flamme des Holzes. Oel und Wachs brennen ruhiger; bekannt ist der Zauber des Schauspiels, wenn man die Statuen des Vaticans bei Wachsfackeln sieht. Aber auch die ruhigere Flamme ist immer noch unruhig in Vergleichung mit dem stetigen Sonnen- und Mondlicht, hat durchaus mehr den Ton einer spezifisch bewegten Stimmung. Nun wirkt hier aller- dings wesentlich überall die Farbe der Flamme mit, aber darf die Kunst ohne Farbe mit bloßem Licht und Schatten die Wirkungen des Feuers so gut wie die des ruhigen Lichtes darstellen, so muß auch die Betrachtung die Seite der Beleuchtungs-Verhältnisse und Linienspiele für sich allein fesseln dürfen. Der Blitz gehört allerdings zum Schauspiele des Gewitters, das wir erst weiter unten, wo von der Luft die Rede sein wird, zu betrachten haben, allein die Art seines Lichtes ist als solche zu wichtig, um sie nicht hier, wo von der Beleuchtung für sich die Rede ist, aufzunehmen. Besonders im Gegensatze gegen die wilde Schnelligkeit dieses Leuchtens zeigt sich das feierlich ruhige Kommen und Gehen des Sonnenlichts in seiner ganzen Schönheit. Dieß Anwachsen, wodurch zuerst die Spitzen der Körper, dann Schritt um Schritt nach und nach ihre ganze Gestalt ins Licht tritt, ist ein Schauspiel von der wohlthätig befriedigendsten Wirkung; sehnsuchtsvoller bewegend wirkt das Gehen des Lichtes, wenn Gestalt um Gestalt in's Dunkel sinkt und zuletzt nur noch die höchsten Gipfel im Lichte strahlen: ein Abschiednehmen und darin ein Sehnen des Menschen, mit dem ent- schwindenden Lichte fortzuwandern, aber mild und sanft. Wie anders dagegen der blendende und augenblicklich im Dunkel zurücklassende Blitz, auch abgesehen von dem Anblicke seiner verheerenden Wirkungen, stimmt, braucht keiner weiteren Darstellung.
licht, Mondlicht, Blitz kann ſie von der einen, Feuer von der andern Seite beleuchten und dieß iſt eine beſondere Form der Magie des Lichtes, welche ſo eigenthümlichen Zauber ausübt, daß die Formen der beleuchteten Geſtalt dagegen an Bedeutung verlieren.
1. Bei dem Feuer begegnet uns zum erſtenmale, ſchwach angedeutet, der Reiz der Linie. Das Sonnenlicht bewegt ſich in Wellen, die ſich in Strahlenkegel theilen, allein dieß ſtellt ſich dem unmittelbaren Anblick nur ſelten bei gewiſſen Brechungen des Lichts der untergehenden Sonne dar. Dagegen das Feuer ſpielt in wahrnehmbaren und zwar ſehr ſchönen Wellen- linien, die nur zu verſchwindend ſind, um uns hier ſchon ausdrücklich bei der Schönheit der Linien aufzuhalten. So iſt z. B. das Linienſpiel der flackernden Flammenzungen einer Pechfackel vom größten Zauber, keine Linie hält dem Auge feſt, es iſt ein beſtändiges Uebergehen, eine Unruhe des Verzehrens, die immer affectvoll wirkt und ſelbſt bei feſtlich ſchöner Stimmung die lebhafte Bewegung des erregten Gemüthes wiedergibt; ähnlich die Flamme des Holzes. Oel und Wachs brennen ruhiger; bekannt iſt der Zauber des Schauſpiels, wenn man die Statuen des Vaticans bei Wachsfackeln ſieht. Aber auch die ruhigere Flamme iſt immer noch unruhig in Vergleichung mit dem ſtetigen Sonnen- und Mondlicht, hat durchaus mehr den Ton einer ſpezifiſch bewegten Stimmung. Nun wirkt hier aller- dings weſentlich überall die Farbe der Flamme mit, aber darf die Kunſt ohne Farbe mit bloßem Licht und Schatten die Wirkungen des Feuers ſo gut wie die des ruhigen Lichtes darſtellen, ſo muß auch die Betrachtung die Seite der Beleuchtungs-Verhältniſſe und Linienſpiele für ſich allein feſſeln dürfen. Der Blitz gehört allerdings zum Schauſpiele des Gewitters, das wir erſt weiter unten, wo von der Luft die Rede ſein wird, zu betrachten haben, allein die Art ſeines Lichtes iſt als ſolche zu wichtig, um ſie nicht hier, wo von der Beleuchtung für ſich die Rede iſt, aufzunehmen. Beſonders im Gegenſatze gegen die wilde Schnelligkeit dieſes Leuchtens zeigt ſich das feierlich ruhige Kommen und Gehen des Sonnenlichts in ſeiner ganzen Schönheit. Dieß Anwachſen, wodurch zuerſt die Spitzen der Körper, dann Schritt um Schritt nach und nach ihre ganze Geſtalt ins Licht tritt, iſt ein Schauſpiel von der wohlthätig befriedigendſten Wirkung; ſehnſuchtsvoller bewegend wirkt das Gehen des Lichtes, wenn Geſtalt um Geſtalt in’s Dunkel ſinkt und zuletzt nur noch die höchſten Gipfel im Lichte ſtrahlen: ein Abſchiednehmen und darin ein Sehnen des Menſchen, mit dem ent- ſchwindenden Lichte fortzuwandern, aber mild und ſanft. Wie anders dagegen der blendende und augenblicklich im Dunkel zurücklaſſende Blitz, auch abgeſehen von dem Anblicke ſeiner verheerenden Wirkungen, ſtimmt, braucht keiner weiteren Darſtellung.
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licht, Mondlicht, Blitz kann ſie von der einen, Feuer von der andern Seite
beleuchten und dieß iſt eine beſondere Form der Magie des Lichtes, welche
ſo eigenthümlichen Zauber ausübt, daß die Formen der beleuchteten Geſtalt
dagegen an Bedeutung verlieren.
1. Bei dem Feuer begegnet uns zum erſtenmale, ſchwach angedeutet,
der Reiz der Linie. Das Sonnenlicht bewegt ſich in Wellen, die ſich in
Strahlenkegel theilen, allein dieß ſtellt ſich dem unmittelbaren Anblick nur
ſelten bei gewiſſen Brechungen des Lichts der untergehenden Sonne dar.
Dagegen das Feuer ſpielt in wahrnehmbaren und zwar ſehr ſchönen Wellen-
linien, die nur zu verſchwindend ſind, um uns hier ſchon ausdrücklich bei
der Schönheit der Linien aufzuhalten. So iſt z. B. das Linienſpiel der
flackernden Flammenzungen einer Pechfackel vom größten Zauber, keine
Linie hält dem Auge feſt, es iſt ein beſtändiges Uebergehen, eine Unruhe
des Verzehrens, die immer affectvoll wirkt und ſelbſt bei feſtlich ſchöner
Stimmung die lebhafte Bewegung des erregten Gemüthes wiedergibt;
ähnlich die Flamme des Holzes. Oel und Wachs brennen ruhiger; bekannt
iſt der Zauber des Schauſpiels, wenn man die Statuen des Vaticans bei
Wachsfackeln ſieht. Aber auch die ruhigere Flamme iſt immer noch unruhig
in Vergleichung mit dem ſtetigen Sonnen- und Mondlicht, hat durchaus
mehr den Ton einer ſpezifiſch bewegten Stimmung. Nun wirkt hier aller-
dings weſentlich überall die Farbe der Flamme mit, aber darf die Kunſt
ohne Farbe mit bloßem Licht und Schatten die Wirkungen des Feuers ſo
gut wie die des ruhigen Lichtes darſtellen, ſo muß auch die Betrachtung
die Seite der Beleuchtungs-Verhältniſſe und Linienſpiele für ſich allein
feſſeln dürfen. Der Blitz gehört allerdings zum Schauſpiele des Gewitters,
das wir erſt weiter unten, wo von der Luft die Rede ſein wird, zu betrachten
haben, allein die Art ſeines Lichtes iſt als ſolche zu wichtig, um ſie nicht
hier, wo von der Beleuchtung für ſich die Rede iſt, aufzunehmen. Beſonders
im Gegenſatze gegen die wilde Schnelligkeit dieſes Leuchtens zeigt ſich das
feierlich ruhige Kommen und Gehen des Sonnenlichts in ſeiner ganzen
Schönheit. Dieß Anwachſen, wodurch zuerſt die Spitzen der Körper, dann
Schritt um Schritt nach und nach ihre ganze Geſtalt ins Licht tritt, iſt ein
Schauſpiel von der wohlthätig befriedigendſten Wirkung; ſehnſuchtsvoller
bewegend wirkt das Gehen des Lichtes, wenn Geſtalt um Geſtalt in’s
Dunkel ſinkt und zuletzt nur noch die höchſten Gipfel im Lichte ſtrahlen:
ein Abſchiednehmen und darin ein Sehnen des Menſchen, mit dem ent-
ſchwindenden Lichte fortzuwandern, aber mild und ſanft. Wie anders
dagegen der blendende und augenblicklich im Dunkel zurücklaſſende Blitz,
auch abgeſehen von dem Anblicke ſeiner verheerenden Wirkungen, ſtimmt,
braucht keiner weiteren Darſtellung.
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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 2,1. Reutlingen u. a., 1847, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik0201_1847/46>, abgerufen am 16.07.2024.
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