Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 2,1. Reutlingen u. a., 1847.
stande, insgesammt eigennützig, hart, schneidend, greifen positiver in die Geschichte 1. Wir haben hier ein Verhältniß wie in §. 346. Aegypten gibt 2. Indier und Aegyptier scheuten das Meer, die Syrier und Phönizier
ſtande, insgeſammt eigennützig, hart, ſchneidend, greifen poſitiver in die Geſchichte 1. Wir haben hier ein Verhältniß wie in §. 346. Aegypten gibt 2. Indier und Aegyptier ſcheuten das Meer, die Syrier und Phönizier <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <p> <hi rendition="#fr"><pb facs="#f0243" n="231"/> ſtande, insgeſammt eigennützig, hart, ſchneidend, greifen poſitiver in die Geſchichte<lb/> ein und gehen in blutigen Kriegen, wie jene in thatloſerer Unterwerfung, an<lb/> der freien Kraft der wahrhaft ethiſchen Völker zu Grunde.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">1. Wir haben hier ein Verhältniß wie in §. 346. Aegypten gibt<lb/> im Abſchnitt von der Naturſchönheit geringen Stoff, die Semiten reichen;<lb/> im Abſchnitte von der Phantaſie wird es ſich umgekehrt verhalten, denn<lb/> Aegypten hat eine reichere Mythologie, auch ſeine realen Stoffe, ſo arm<lb/> ſie ſind, hat es productiv ſelbſt benützt, die Semiten dagegen haben<lb/> gehandelt, aber eine arme Mythologie und ebenſo arme künſtleriſche<lb/> Phantaſie entwickelt. Die Aegytier nehmen daher in dieſer Gruppe eine<lb/> Stellung ein, wie in jener die Indier, ſie nähern ſich dieſen auch im<lb/> Typus: ihr Geſicht zeigt kurze, nur wenig zurückweichende Stirne, die<lb/> Naſe tritt länglicht, kaum gebogen hervor, das Kinn tritt leiſe zurück.<lb/> Sie waren Aethiopier, aber nicht Neger, ſondern von kaukaſiſchem, den<lb/> Indiern verwandtem Stamme. Semitiſches muß ſich aber mit ihrem<lb/> Blute verſchmelzt haben und dieß gab ihnen die berechnende Verſtändigkeit,<lb/> was der bekannte Charakter des Nilthals durch die Nothwendigkeit der<lb/> Berechnungen, Meſſungen, Kanalbauten u. ſ. w. noch ſchärfte. Sie<lb/> waren durch dieſe ihre Natur vorzugsweiſe das <hi rendition="#g">gewitzigte</hi> orientaliſche<lb/> Volk. Aber ſie wurden praktiſch nur in der Sphäre des Zweckmäßigen,<lb/> nicht groß im politiſchen Leben, beſchleierten Geiſt haben ſie trotz der<lb/> ungleich größeren Beſtimmtheit ihres Weſens wieder mit den Indiern<lb/> gemein. Ihr ſchmal geſchlitztes, an den äußeren Winkeln aufgezogenes<lb/> Auge mit den entſprechenden Mundwinkeln erinnert ſogar an Mongoliſches<lb/> und deſſen Melancholie. Dieſes ſinnige Volk brütete ſtill, bauend, meſſend,<lb/> rathend in ſeinem Geheimniſſe und blieb paſſiv in der Geſchichte. Blos<lb/> ſeine landſchaftliche Natur und ſeine Sitten konnten oder können Stoff<lb/> geben, kaum ſeine Thaten. Ein Prieſterſtaat mit feſter Kryſtalliſation<lb/> der Kaſten, einen eingeengten König an der Spitze, unterſcheidet es ſich<lb/> von Indien durch den bedachteren, durchaus ceremoniöſen und feierlichen<lb/> Charakter. Faſt geräuſchlos fällt es Perſern, Griechen, Römern in die<lb/> Hände und bleibt ein wie Indien geheimnißvoll, wunderbar reizendes<lb/> Bildungsland für die alte Welt.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">2. Indier und Aegyptier ſcheuten das Meer, die Syrier und Phönizier<lb/> ſind kühne Seefahrer, dieſe gründen Karthago. Neben dieſen Handels-<lb/> völkern tritt in bekannter Eigenthümlichkeit das jüdiſche Volk hervor. Die<lb/> Araber treten noch nicht in die Geſchichte ein, zeigen aber noch heute wie<lb/> Kurden und Juden das gemeinſame Gepräge des ſemitiſchen Stamms,<lb/> den ſchärfſten Ausſchnitt deſſen, was in §. 343 als orientaliſch bezeichnet<lb/> wurde, die hohe, zurückfliegende Stirne, die ſchmale, gebogene, ſpitze<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [231/0243]
ſtande, insgeſammt eigennützig, hart, ſchneidend, greifen poſitiver in die Geſchichte
ein und gehen in blutigen Kriegen, wie jene in thatloſerer Unterwerfung, an
der freien Kraft der wahrhaft ethiſchen Völker zu Grunde.
1. Wir haben hier ein Verhältniß wie in §. 346. Aegypten gibt
im Abſchnitt von der Naturſchönheit geringen Stoff, die Semiten reichen;
im Abſchnitte von der Phantaſie wird es ſich umgekehrt verhalten, denn
Aegypten hat eine reichere Mythologie, auch ſeine realen Stoffe, ſo arm
ſie ſind, hat es productiv ſelbſt benützt, die Semiten dagegen haben
gehandelt, aber eine arme Mythologie und ebenſo arme künſtleriſche
Phantaſie entwickelt. Die Aegytier nehmen daher in dieſer Gruppe eine
Stellung ein, wie in jener die Indier, ſie nähern ſich dieſen auch im
Typus: ihr Geſicht zeigt kurze, nur wenig zurückweichende Stirne, die
Naſe tritt länglicht, kaum gebogen hervor, das Kinn tritt leiſe zurück.
Sie waren Aethiopier, aber nicht Neger, ſondern von kaukaſiſchem, den
Indiern verwandtem Stamme. Semitiſches muß ſich aber mit ihrem
Blute verſchmelzt haben und dieß gab ihnen die berechnende Verſtändigkeit,
was der bekannte Charakter des Nilthals durch die Nothwendigkeit der
Berechnungen, Meſſungen, Kanalbauten u. ſ. w. noch ſchärfte. Sie
waren durch dieſe ihre Natur vorzugsweiſe das gewitzigte orientaliſche
Volk. Aber ſie wurden praktiſch nur in der Sphäre des Zweckmäßigen,
nicht groß im politiſchen Leben, beſchleierten Geiſt haben ſie trotz der
ungleich größeren Beſtimmtheit ihres Weſens wieder mit den Indiern
gemein. Ihr ſchmal geſchlitztes, an den äußeren Winkeln aufgezogenes
Auge mit den entſprechenden Mundwinkeln erinnert ſogar an Mongoliſches
und deſſen Melancholie. Dieſes ſinnige Volk brütete ſtill, bauend, meſſend,
rathend in ſeinem Geheimniſſe und blieb paſſiv in der Geſchichte. Blos
ſeine landſchaftliche Natur und ſeine Sitten konnten oder können Stoff
geben, kaum ſeine Thaten. Ein Prieſterſtaat mit feſter Kryſtalliſation
der Kaſten, einen eingeengten König an der Spitze, unterſcheidet es ſich
von Indien durch den bedachteren, durchaus ceremoniöſen und feierlichen
Charakter. Faſt geräuſchlos fällt es Perſern, Griechen, Römern in die
Hände und bleibt ein wie Indien geheimnißvoll, wunderbar reizendes
Bildungsland für die alte Welt.
2. Indier und Aegyptier ſcheuten das Meer, die Syrier und Phönizier
ſind kühne Seefahrer, dieſe gründen Karthago. Neben dieſen Handels-
völkern tritt in bekannter Eigenthümlichkeit das jüdiſche Volk hervor. Die
Araber treten noch nicht in die Geſchichte ein, zeigen aber noch heute wie
Kurden und Juden das gemeinſame Gepräge des ſemitiſchen Stamms,
den ſchärfſten Ausſchnitt deſſen, was in §. 343 als orientaliſch bezeichnet
wurde, die hohe, zurückfliegende Stirne, die ſchmale, gebogene, ſpitze
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