Die geistige Schönheit der Gestalt drückt sich vor Allem durch die auf-1 rechte Stellung aus, zu welcher der Stamm des organischen Gebildes wieder aufgerichtet ist. Der Ausdruck der Schwere verschwindet, durch Wechseldienst der Organe bewegt sich frei das Ganze. Leicht getragen und vielmehr Alles tragend schaut der ausgerundete Kopf von der Höhe des Körpers herrschend um sich. Die drei Hauptsysteme treten ebenso klar gesondert, als vereinigt hervor.2 Hals, Brust, Schultern, Arme, Hände, Rücken, Unterleib, Hüften, Sitzmuskel, Füße drücken jedes für sich und alle zusammen absolute Zweckmäßigkeit aus und sind durch die Lagerungen der Muskeln um die festen Theile zum edelsten Wechsel von Schwellungen und Einziehungen gebildet. Ein Reichthum von neuen Bewegungen ist dadurch dem Menschen möglich, wogegen er auf manche thierische verzichten muß. In der allgemeinen Bedeckung ist von Allem, was Unorganischem3 oder Vegetabilischem gleicht, nur so viel geblieben, um die helle, halbdurch- sichtige, eine allgemeiner verbreitete, in den Fingerspitzen gesammelte Empfindung vermittelnde, in fein verschmolzenen, warmen Farbentönen athmende Haut mit kräftig begrenzenden Schattenstellen zu schmücken.
1. Die Eintheilung, welche hier mit a und a eröffnet ist, wird sich rechtfertigen. Zur Erläuterung vorläufig so viel: "die menschliche Schönheit überhaupt" drückt den Gegensatz des Abstracten gegen die concrete Schönheit der Geschichte aus. Es werden hier durchgängig die Gebiete, Kreise des Lebens, deren Ineinander erst die Geschichte bedingt, auseinandergehalten, für sich betrachtet. Innerhalb der ersten Abtheilung tritt nun zunächst wieder eine Allgemeinheit auf, im Gegensatz nämlich gegen die besonderen Gattungstypen: Race, Volk u. s. w. werden hier zuerst die Formen betrachtet, die den Menschen schlechtweg als Gattung charakterisiren.
Es ist gleichgültig, ob man die Organisation zur aufrechten Stellung von unten oder von oben verfolgt, denn Alles bedingt sich gegenseitig. Der Affe kann aufrecht gehen, aber nur vorübergehend und mühsam;
a. Die menſchliche Schönheit überhaupt.
α. Die allgemeinen Formen.
§. 317.
Die geiſtige Schönheit der Geſtalt drückt ſich vor Allem durch die auf-1 rechte Stellung aus, zu welcher der Stamm des organiſchen Gebildes wieder aufgerichtet iſt. Der Ausdruck der Schwere verſchwindet, durch Wechſeldienſt der Organe bewegt ſich frei das Ganze. Leicht getragen und vielmehr Alles tragend ſchaut der ausgerundete Kopf von der Höhe des Körpers herrſchend um ſich. Die drei Hauptſyſteme treten ebenſo klar geſondert, als vereinigt hervor.2 Hals, Bruſt, Schultern, Arme, Hände, Rücken, Unterleib, Hüften, Sitzmuskel, Füße drücken jedes für ſich und alle zuſammen abſolute Zweckmäßigkeit aus und ſind durch die Lagerungen der Muskeln um die feſten Theile zum edelſten Wechſel von Schwellungen und Einziehungen gebildet. Ein Reichthum von neuen Bewegungen iſt dadurch dem Menſchen möglich, wogegen er auf manche thieriſche verzichten muß. In der allgemeinen Bedeckung iſt von Allem, was Unorganiſchem3 oder Vegetabiliſchem gleicht, nur ſo viel geblieben, um die helle, halbdurch- ſichtige, eine allgemeiner verbreitete, in den Fingerſpitzen geſammelte Empfindung vermittelnde, in fein verſchmolzenen, warmen Farbentönen athmende Haut mit kräftig begrenzenden Schattenſtellen zu ſchmücken.
1. Die Eintheilung, welche hier mit a und α eröffnet iſt, wird ſich rechtfertigen. Zur Erläuterung vorläufig ſo viel: „die menſchliche Schönheit überhaupt“ drückt den Gegenſatz des Abſtracten gegen die concrete Schönheit der Geſchichte aus. Es werden hier durchgängig die Gebiete, Kreiſe des Lebens, deren Ineinander erſt die Geſchichte bedingt, auseinandergehalten, für ſich betrachtet. Innerhalb der erſten Abtheilung tritt nun zunächſt wieder eine Allgemeinheit auf, im Gegenſatz nämlich gegen die beſonderen Gattungstypen: Race, Volk u. ſ. w. werden hier zuerſt die Formen betrachtet, die den Menſchen ſchlechtweg als Gattung charakteriſiren.
Es iſt gleichgültig, ob man die Organiſation zur aufrechten Stellung von unten oder von oben verfolgt, denn Alles bedingt ſich gegenſeitig. Der Affe kann aufrecht gehen, aber nur vorübergehend und mühſam;
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a.
Die menſchliche Schönheit überhaupt.
α.
Die allgemeinen Formen.
§. 317.
Die geiſtige Schönheit der Geſtalt drückt ſich vor Allem durch die auf-
rechte Stellung aus, zu welcher der Stamm des organiſchen Gebildes wieder
aufgerichtet iſt. Der Ausdruck der Schwere verſchwindet, durch Wechſeldienſt
der Organe bewegt ſich frei das Ganze. Leicht getragen und vielmehr Alles
tragend ſchaut der ausgerundete Kopf von der Höhe des Körpers herrſchend um
ſich. Die drei Hauptſyſteme treten ebenſo klar geſondert, als vereinigt hervor.
Hals, Bruſt, Schultern, Arme, Hände, Rücken, Unterleib, Hüften, Sitzmuskel,
Füße drücken jedes für ſich und alle zuſammen abſolute Zweckmäßigkeit aus
und ſind durch die Lagerungen der Muskeln um die feſten Theile zum edelſten
Wechſel von Schwellungen und Einziehungen gebildet. Ein Reichthum von neuen
Bewegungen iſt dadurch dem Menſchen möglich, wogegen er auf manche thieriſche
verzichten muß. In der allgemeinen Bedeckung iſt von Allem, was Unorganiſchem
oder Vegetabiliſchem gleicht, nur ſo viel geblieben, um die helle, halbdurch-
ſichtige, eine allgemeiner verbreitete, in den Fingerſpitzen geſammelte Empfindung
vermittelnde, in fein verſchmolzenen, warmen Farbentönen athmende Haut mit
kräftig begrenzenden Schattenſtellen zu ſchmücken.
1. Die Eintheilung, welche hier mit a und α eröffnet iſt, wird ſich
rechtfertigen. Zur Erläuterung vorläufig ſo viel: „die menſchliche Schönheit
überhaupt“ drückt den Gegenſatz des Abſtracten gegen die concrete Schönheit
der Geſchichte aus. Es werden hier durchgängig die Gebiete, Kreiſe des
Lebens, deren Ineinander erſt die Geſchichte bedingt, auseinandergehalten,
für ſich betrachtet. Innerhalb der erſten Abtheilung tritt nun zunächſt
wieder eine Allgemeinheit auf, im Gegenſatz nämlich gegen die beſonderen
Gattungstypen: Race, Volk u. ſ. w. werden hier zuerſt die Formen
betrachtet, die den Menſchen ſchlechtweg als Gattung charakteriſiren.
Es iſt gleichgültig, ob man die Organiſation zur aufrechten Stellung
von unten oder von oben verfolgt, denn Alles bedingt ſich gegenſeitig.
Der Affe kann aufrecht gehen, aber nur vorübergehend und mühſam;
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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 2,1. Reutlingen u. a., 1847, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik0201_1847/171>, abgerufen am 17.02.2025.
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