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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 2,1. Reutlingen u. a., 1847.

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beginnen kann, stecken: er fängt klug an, aber eine Dummheit, eine Unart,
und die Ordnung ist zu Ende. Er lernt daher weniger, als Elephant,
Pferd und Hund, denn er hält nicht aus, bleibt nicht dabei. Er ist ein
blasirtes Thier und ein ungezogener Junge von Mensch. Wie seine
Häßlichkeit nicht ganz in das Komische aufgehen kann, vergl. §. 291
Anm. 3.

§. 315.

1

Die großen und bedeutend organisirten Thiere haben zwar mehr Indivi-
dualität, als die kleinen und ärmer gestalteten, aber dennoch liegt auch bei
ihnen, wo nicht das Verhältniß zwischen dem Menschen und einem einzelnen,
sehr anhänglichen Thiere das Wesentliche ist, der ästhetische Werth mehr in
geselliger Zusammenstellung mit Thieren der eigenen oder einer andern Gattung.
2Entwickeln sie in friedlicher Gesellung den Umfang ihrer freundlichen Eigen-
schaften, so kommt dagegen im Kampfe, sei es einzelner mit einzelnen oder
vieler mit vielen, ihre ganze Kraft zur Entladung und entsteht je nach dem
Grade derselben ein furchtbares oder ein komisches Schauspiel.

1. Pferde, Hunde, Katzen sind es am meisten, die als Hausthiere
getrennt von ihres Gleichen, aber dafür in Zusammenhang mit dem
Menschen gestellt, ästhetischen Werth haben können. Doch abgesehen von
diesem Heraustreten aus ihres Gleichen stehen auch die höheren Thiere
der Persönlichkeit zu fern, um anders als in einer gewissen Anzahl zu
wirken. Große Rudel, Züge von Thieren wirken im Sinne des Erhabenen
der Vielheit (vergl. §. 92). Rinder des Augias, amerikanische Büffel-
heerden u. dergl. In kleineren Gruppen zeigt sich Freundschaft, Mutter-
liebe, Scherz u. s. w. oft in den anziehendsten Scenen, so daß man in
ganze kleine Thierwellen hineinsieht. In der Gruppirung mit Thieren
anderer Gattung hebt sich der Charakter und das Eigene der Gestalt durch
Gegensatz.

2. Kämpfe kleiner Thiere komisch: Wachteln, Hähne, Hahn und
Ente, kleiner Hund und Katze, bockende Widder, Ziegenbock mit Hunden
u. dergl. Dabei ist der Gebrauch der Waffen, die Kampfsitte oft inter-
essant und belustigend. Große und wilde Thiere: Schlangen mit Rindern,
Hirschen u. s. w., Elephant mit Nashorn, Wolf mit Pferd, Bär, Wild-
schwein mit Hunden, Löwe mit Stier, Pferd u. s. w. (Freiligraths
Löwenritt). Dann die großen Kämpfe ganzer Heerden, z. B. von Wölfen
gegen Pferde, von wilden Elephanten untereinander, von Raubvögeln mit
vierfüßigen Raubthieren.



beginnen kann, ſtecken: er fängt klug an, aber eine Dummheit, eine Unart,
und die Ordnung iſt zu Ende. Er lernt daher weniger, als Elephant,
Pferd und Hund, denn er hält nicht aus, bleibt nicht dabei. Er iſt ein
blaſirtes Thier und ein ungezogener Junge von Menſch. Wie ſeine
Häßlichkeit nicht ganz in das Komiſche aufgehen kann, vergl. §. 291
Anm. 3.

§. 315.

1

Die großen und bedeutend organiſirten Thiere haben zwar mehr Indivi-
dualität, als die kleinen und ärmer geſtalteten, aber dennoch liegt auch bei
ihnen, wo nicht das Verhältniß zwiſchen dem Menſchen und einem einzelnen,
ſehr anhänglichen Thiere das Weſentliche iſt, der äſthetiſche Werth mehr in
geſelliger Zuſammenſtellung mit Thieren der eigenen oder einer andern Gattung.
2Entwickeln ſie in friedlicher Geſellung den Umfang ihrer freundlichen Eigen-
ſchaften, ſo kommt dagegen im Kampfe, ſei es einzelner mit einzelnen oder
vieler mit vielen, ihre ganze Kraft zur Entladung und entſteht je nach dem
Grade derſelben ein furchtbares oder ein komiſches Schauſpiel.

1. Pferde, Hunde, Katzen ſind es am meiſten, die als Hausthiere
getrennt von ihres Gleichen, aber dafür in Zuſammenhang mit dem
Menſchen geſtellt, äſthetiſchen Werth haben können. Doch abgeſehen von
dieſem Heraustreten aus ihres Gleichen ſtehen auch die höheren Thiere
der Perſönlichkeit zu fern, um anders als in einer gewiſſen Anzahl zu
wirken. Große Rudel, Züge von Thieren wirken im Sinne des Erhabenen
der Vielheit (vergl. §. 92). Rinder des Augias, amerikaniſche Büffel-
heerden u. dergl. In kleineren Gruppen zeigt ſich Freundſchaft, Mutter-
liebe, Scherz u. ſ. w. oft in den anziehendſten Scenen, ſo daß man in
ganze kleine Thierwellen hineinſieht. In der Gruppirung mit Thieren
anderer Gattung hebt ſich der Charakter und das Eigene der Geſtalt durch
Gegenſatz.

2. Kämpfe kleiner Thiere komiſch: Wachteln, Hähne, Hahn und
Ente, kleiner Hund und Katze, bockende Widder, Ziegenbock mit Hunden
u. dergl. Dabei iſt der Gebrauch der Waffen, die Kampfſitte oft inter-
eſſant und beluſtigend. Große und wilde Thiere: Schlangen mit Rindern,
Hirſchen u. ſ. w., Elephant mit Nashorn, Wolf mit Pferd, Bär, Wild-
ſchwein mit Hunden, Löwe mit Stier, Pferd u. ſ. w. (Freiligraths
Löwenritt). Dann die großen Kämpfe ganzer Heerden, z. B. von Wölfen
gegen Pferde, von wilden Elephanten untereinander, von Raubvögeln mit
vierfüßigen Raubthieren.



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[156/0168] beginnen kann, ſtecken: er fängt klug an, aber eine Dummheit, eine Unart, und die Ordnung iſt zu Ende. Er lernt daher weniger, als Elephant, Pferd und Hund, denn er hält nicht aus, bleibt nicht dabei. Er iſt ein blaſirtes Thier und ein ungezogener Junge von Menſch. Wie ſeine Häßlichkeit nicht ganz in das Komiſche aufgehen kann, vergl. §. 291 Anm. 3. §. 315. Die großen und bedeutend organiſirten Thiere haben zwar mehr Indivi- dualität, als die kleinen und ärmer geſtalteten, aber dennoch liegt auch bei ihnen, wo nicht das Verhältniß zwiſchen dem Menſchen und einem einzelnen, ſehr anhänglichen Thiere das Weſentliche iſt, der äſthetiſche Werth mehr in geſelliger Zuſammenſtellung mit Thieren der eigenen oder einer andern Gattung. Entwickeln ſie in friedlicher Geſellung den Umfang ihrer freundlichen Eigen- ſchaften, ſo kommt dagegen im Kampfe, ſei es einzelner mit einzelnen oder vieler mit vielen, ihre ganze Kraft zur Entladung und entſteht je nach dem Grade derſelben ein furchtbares oder ein komiſches Schauſpiel. 1. Pferde, Hunde, Katzen ſind es am meiſten, die als Hausthiere getrennt von ihres Gleichen, aber dafür in Zuſammenhang mit dem Menſchen geſtellt, äſthetiſchen Werth haben können. Doch abgeſehen von dieſem Heraustreten aus ihres Gleichen ſtehen auch die höheren Thiere der Perſönlichkeit zu fern, um anders als in einer gewiſſen Anzahl zu wirken. Große Rudel, Züge von Thieren wirken im Sinne des Erhabenen der Vielheit (vergl. §. 92). Rinder des Augias, amerikaniſche Büffel- heerden u. dergl. In kleineren Gruppen zeigt ſich Freundſchaft, Mutter- liebe, Scherz u. ſ. w. oft in den anziehendſten Scenen, ſo daß man in ganze kleine Thierwellen hineinſieht. In der Gruppirung mit Thieren anderer Gattung hebt ſich der Charakter und das Eigene der Geſtalt durch Gegenſatz. 2. Kämpfe kleiner Thiere komiſch: Wachteln, Hähne, Hahn und Ente, kleiner Hund und Katze, bockende Widder, Ziegenbock mit Hunden u. dergl. Dabei iſt der Gebrauch der Waffen, die Kampfſitte oft inter- eſſant und beluſtigend. Große und wilde Thiere: Schlangen mit Rindern, Hirſchen u. ſ. w., Elephant mit Nashorn, Wolf mit Pferd, Bär, Wild- ſchwein mit Hunden, Löwe mit Stier, Pferd u. ſ. w. (Freiligraths Löwenritt). Dann die großen Kämpfe ganzer Heerden, z. B. von Wölfen gegen Pferde, von wilden Elephanten untereinander, von Raubvögeln mit vierfüßigen Raubthieren.

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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 2,1. Reutlingen u. a., 1847, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik0201_1847/168>, abgerufen am 27.11.2024.