Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 2,1. Reutlingen u. a., 1847.
Wächter, Jagdgeselle des Menschen ist zutappend, aber gehorsam, ehrlich, 1. Der Wolf ist auf den ersten Anblick hyänenartig, namentlich 2. Der Charakter des Hunds zeigt sich in seiner ganzen Bestimmt-
Wächter, Jagdgeſelle des Menſchen iſt zutappend, aber gehorſam, ehrlich, 1. Der Wolf iſt auf den erſten Anblick hyänenartig, namentlich 2. Der Charakter des Hunds zeigt ſich in ſeiner ganzen Beſtimmt- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p> <hi rendition="#fr"><pb facs="#f0165" n="153"/> Wächter, Jagdgeſelle des Menſchen iſt zutappend, aber gehorſam, ehrlich,<lb/> uneingedenk der Beleidigung und dankbar für die Wohlthat, Feind des Unfugs<lb/> und polizeilich, tapfer und mehr ſtolz als eitel, freilich auch ſchmutzig und<lb/> ſchamlos, aber deſto mehr fügt er zum Rührenden das Komiſche. Seine hohe<note place="right">3</note><lb/> Bedeutung im Thierreiche zeigt dieſes Geſchlecht auch dadurch, daß es in merk-<lb/> würdigem Spiele nicht nur einige ſeiner vielfältigen Racen in verſchiedenem<lb/> Größenmaßſtabe, ſondern zugleich verſchiedene andere Thierformen und Thier-<lb/> Charaktere nachahmend in ſeiner Bildung wiederholt.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">1. Der Wolf iſt auf den erſten Anblick hyänenartig, namentlich<lb/> durch das gedrückte Kreuz. Von Freund Reineke wiſſen wir Alle genug;<lb/> was Haltung betrifft, ſo iſt er gebückt, hängend, ſchleichend wie die Katze,<lb/> ſo ſehr er durch ſeine Schnauze übrigens der Spitzmaus ähnelt. Seine<lb/> Farbe jedoch, ſein dickes Fell, ſein dichtbehaarter Schwanz putzen ihn<lb/> heraus. Die Hunde kehren in Bildung des Kopfes überhaupt mehr zum<lb/> Maustypus zurück, ſo ſehr ſie ihr ſatterer, ſtraffer modellirter Leib, ihre<lb/> ſchwungreichere Haltung über dieſen und die Katze hebt. Der rundere Kopf<lb/> der Katze ſteht zwar dem menſchlichen näher, ſieht aber hier mehr eulen-<lb/> artig aus. Die reichere Mannigfaltigkeit an Bewegungen, deren der Hund<lb/> fähig iſt, braucht keine Aufzählung; auch Ohren und Schwanz ſpielen<lb/> ausdrucksvoller. Die Liſt iſt wohl komiſch am Fuchſe, aber dieſe Eigen-<lb/> ſchaft gehört gewiß unter die geringeren Fähigkeiten der Intelligenz; auch<lb/> iſt es keine Kunſt, liſtig ſein, wenn man kein Gewiſſen hat.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">2. Der Charakter des Hunds zeigt ſich in ſeiner ganzen Beſtimmt-<lb/> heit im Gegenſatz gegen die Katze; dieſe Geſchlechter ſtehen ſich ſo feind-<lb/> ſelig wie Diplomat und Biedermann gegenüber. Er läßt ſich weniger auf<lb/> Liſt ein nicht nur, weil er beſſer, ſondern auch, weil er geſcheuter iſt; wie<lb/> denn ja auch das vernunftloſere Weib liſtiger iſt, als der Mann. Der Hund<lb/> merkt und verſteht unendlich mehr, als die Katze, ſowohl Deut und Wink,<lb/> als Worte. Mädchenhaft iſt die Katze durch ihre Koketterie, Reinlichkeit,<lb/> womit ſie ihr Fratzengeſicht ewig putzt, die ſauberen Stellen ausſucht und<lb/> die Pfote ſchüttelt, wenn ſie in Koth getreten. Sie iſt Nachtſchleicherin,<lb/> diebiſch und liebt nicht ſowohl den Herrn, als das Haus. Der Hund wird<lb/> perſönlich Freund des Herrn und iſt daher ſelbſt das perſönlichſte Thier,<lb/> weil er ſeine Perſönlichkeit in Disciplin und Gehorſam gegen die menſch-<lb/> liche aufgibt; dieſer Bruch des erſten Inſtincts durch einen zweiten höheren,<lb/> der ihn fremder Vernunft gehorchen lehrt, fehlt der Katze ganz, ſie gleicht<lb/> auch in ihrem Eigenſinn dem Weibe. Gerade dieſe ſeine beſte Eigenſchaft<lb/> wird in gewiſſen Redensarten: hündiſche Kriecherei u. ſ. w. am meiſten<lb/> verkannt. Er läßt ſich nicht von Jedem, ſondern nur von ſeinem Herrn<lb/> ſchlagen, weil er anerkennt, daß er Erziehung bedarf. Er trauert, wenn<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [153/0165]
Wächter, Jagdgeſelle des Menſchen iſt zutappend, aber gehorſam, ehrlich,
uneingedenk der Beleidigung und dankbar für die Wohlthat, Feind des Unfugs
und polizeilich, tapfer und mehr ſtolz als eitel, freilich auch ſchmutzig und
ſchamlos, aber deſto mehr fügt er zum Rührenden das Komiſche. Seine hohe
Bedeutung im Thierreiche zeigt dieſes Geſchlecht auch dadurch, daß es in merk-
würdigem Spiele nicht nur einige ſeiner vielfältigen Racen in verſchiedenem
Größenmaßſtabe, ſondern zugleich verſchiedene andere Thierformen und Thier-
Charaktere nachahmend in ſeiner Bildung wiederholt.
1. Der Wolf iſt auf den erſten Anblick hyänenartig, namentlich
durch das gedrückte Kreuz. Von Freund Reineke wiſſen wir Alle genug;
was Haltung betrifft, ſo iſt er gebückt, hängend, ſchleichend wie die Katze,
ſo ſehr er durch ſeine Schnauze übrigens der Spitzmaus ähnelt. Seine
Farbe jedoch, ſein dickes Fell, ſein dichtbehaarter Schwanz putzen ihn
heraus. Die Hunde kehren in Bildung des Kopfes überhaupt mehr zum
Maustypus zurück, ſo ſehr ſie ihr ſatterer, ſtraffer modellirter Leib, ihre
ſchwungreichere Haltung über dieſen und die Katze hebt. Der rundere Kopf
der Katze ſteht zwar dem menſchlichen näher, ſieht aber hier mehr eulen-
artig aus. Die reichere Mannigfaltigkeit an Bewegungen, deren der Hund
fähig iſt, braucht keine Aufzählung; auch Ohren und Schwanz ſpielen
ausdrucksvoller. Die Liſt iſt wohl komiſch am Fuchſe, aber dieſe Eigen-
ſchaft gehört gewiß unter die geringeren Fähigkeiten der Intelligenz; auch
iſt es keine Kunſt, liſtig ſein, wenn man kein Gewiſſen hat.
2. Der Charakter des Hunds zeigt ſich in ſeiner ganzen Beſtimmt-
heit im Gegenſatz gegen die Katze; dieſe Geſchlechter ſtehen ſich ſo feind-
ſelig wie Diplomat und Biedermann gegenüber. Er läßt ſich weniger auf
Liſt ein nicht nur, weil er beſſer, ſondern auch, weil er geſcheuter iſt; wie
denn ja auch das vernunftloſere Weib liſtiger iſt, als der Mann. Der Hund
merkt und verſteht unendlich mehr, als die Katze, ſowohl Deut und Wink,
als Worte. Mädchenhaft iſt die Katze durch ihre Koketterie, Reinlichkeit,
womit ſie ihr Fratzengeſicht ewig putzt, die ſauberen Stellen ausſucht und
die Pfote ſchüttelt, wenn ſie in Koth getreten. Sie iſt Nachtſchleicherin,
diebiſch und liebt nicht ſowohl den Herrn, als das Haus. Der Hund wird
perſönlich Freund des Herrn und iſt daher ſelbſt das perſönlichſte Thier,
weil er ſeine Perſönlichkeit in Disciplin und Gehorſam gegen die menſch-
liche aufgibt; dieſer Bruch des erſten Inſtincts durch einen zweiten höheren,
der ihn fremder Vernunft gehorchen lehrt, fehlt der Katze ganz, ſie gleicht
auch in ihrem Eigenſinn dem Weibe. Gerade dieſe ſeine beſte Eigenſchaft
wird in gewiſſen Redensarten: hündiſche Kriecherei u. ſ. w. am meiſten
verkannt. Er läßt ſich nicht von Jedem, ſondern nur von ſeinem Herrn
ſchlagen, weil er anerkennt, daß er Erziehung bedarf. Er trauert, wenn
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